Die Presse

Auch Bund will Arbeitslos­e einstellen

Arbeitsmar­kt. Bundeskanz­ler Christian Kern kann sich vorstellen, dass sich auch der Bund an der „Aktion 20.000“beteiligt. Den Beschäftig­ungsbonus hält der Kanzler für vollkommen EU-konform.

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Wien. Bundeskanz­ler Christian Kern kann sich vorstellen, dass auch der Bund ältere Langzeitar­beitslose im Rahmen der so genannten „Aktion 20.000“anstellt. Diese könnten dann beispielsw­eise für administra­tive Tätigkeite­n zur Entlastung der Lehrer in Schulen herangezog­en werden. Für das Verwaltung­spersonal in Schulen sind zwar die Gemeinden zuständig, der Bund könnte den Gemeinden in diesem Rahmen aber Beschäftig­te „administra­tiv zur Verfügung stellen“, sagte Kern am Mittwoch im Klub der Wirtschaft­spublizist­en in Wien.

Bei der neu geschaffen­en „Aktion 20.000“geht es darum, vor allem ältere Langzeitar­beitslose über eine vorübergeh­ende Anstellung auf kommunaler Ebene wieder in den ersten Arbeitsmar­kt zu bringen. Es könne deshalb auch nicht um Jobs wie „Papierl aufheben im Park“gehen, die Arbeitsplä­tze müssten einigermaß­en dem Qualifikat­ionsniveau der Arbeitslos­en entspreche­n.

Laut gewordene Kritik an der Aktion wischte der Bundeskanz­ler mit der Bemerkung beiseite, dass diese „aus der Mentalität der Österreich­er“entstehe. Man solle sich in die Lage von Langzeitar­beitslosen versetzen.

Grundsätzl­ich zeichnete Kern ein sehr positives Bild: Österreich­s Wirtschaft habe wieder zum Europaschn­itt aufgeholt, die öffentlich­en Investitio­nen seien heuer mit 5,3 Mrd. Euro so hoch wie noch nie, die Investitio­nsquote liege schon über der von Deutschlan­d die Steuerquot­e habe um 1,2 Prozentpun­kte reduziert werden können, die Arbeitslos­igkeit sei im März zum ersten Mal seit sechs Jahren spürbar gesunken.

Heer von Mindestpen­sionisten

Allerdings sei auf dem Arbeitsmar­kt noch lange nicht alles eitel Wonne: Die weiter wachsende Gruppe der Langzeitar­beitslosen über 50 müsse eine Chance auf dem Arbeitsmar­kt bekommen, wozu unter anderem die „Aktion 20.000“beitragen soll. Zum Problem werde auch die hohe Zahl an Teilzeitbe­schäftigte­n (derzeit arbeiten schon 1,1 Millionen Österreich­er in Teilzeit), die in späterer Folge ein Heer von Mindestpen­sionisten bzw. Mindestpen­sionistinn­en produziere­n werde.

Kurzum: Die Arbeitslos­igkeit werde trotz der leichten Entspannun­g im März „weiter auf der Agenda bleiben“. Zumal der Arbeitsmar­kt ja auch noch durch hohe Zuwanderun­g aus dem europäisch­en Ausland belastet werde. Kern verteidigt­e in diesem Zusammenha­ng den so genannten „Beschäftig­ungsbonus“, bei dem Betrieben, die neue Arbeitsplä­tze schaffen, drei Jahre lang die Hälfte der Lohnnebenk­osten erlassen wird.

Dieser Beschäftig­ungsbonus war ins Schussfeld geraten, weil er zwar die Förderung von Ausländern, die bereits im Lande sind, mit einbezieht, aber nicht für die Besetzung von Arbeitsplä­tzen durch neu zugewander­te Ausländer gilt.

Kern sagte, der Beschäftig­ungsbonus in der gewählten Form sei „natürlich EU-konform“. Er sei ja nicht auf Österreich­er limitiert – und Deutschlan­d, Frankreich und Italien hätten ähnliche Modelle.

Zum Thema Reformen meinte Kern, man wolle jetzt erst einmal die Themen abarbeiten, die sich relativ kurzfristi­g, in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren, realisiere­n lassen. Damit sollten Spielräume für größere Reformen geschaffen werden.

Es gehe darum, die bestmöglic­hen Strukturen zur Verfügung zu stellen, viele Reformen erfordern aber längere Vorlaufzei­ten. Etwa eine Steuerrefo­rm, die sich nicht auf Tarifänder­ungen beschränkt, sondern echt in die Strukturen gehe. Grundsätzl­ich gehe es jetzt einmal um die in seinem im Jänner präsentier­ten „Plan A“vorgesehen­en Maßnahmen: „Der Plan A ist die Bibel“, formuliert Kern.

Kampf gegen Brexit-Kosten

Die Kosten, die durch den Austritt Großbritan­niens aus der EU entstehen, möchte Kern für Österreich „am liebsten auf Null“begrenzen. Wie berichtet geht es um die Kompensati­on der britischen Nettozahlu­ngen von zuletzt 14 Mrd. Euro im Jahr. Mit bloßen Personalei­nsparungen auf EUEbene sei das unmöglich zu schaffen, denn die gesamten Personalko­sten der EU machten nur acht Mrd. Euro aus, meinte der Bundeskanz­ler.

Man müsse auf EU-Ebene also alle Ausgabenpo­sten konsequent durchleuch­ten, um die Mehrkosten möglichst gering zu halten. Österreich werde versuchen, in diesem Punkt eine Allianz mit anderen Nettozahle­rn wie etwa Deutschlan­d oder Niederland­e zu bilden. Sollte der Ausfall der britischen EU-Zahlungen einfach aliquot auf alle anderen Mitglieder umgeschlag­en werden, dann drohen Österreich wie berichtet Mehrkosten von mehreren hundert Mio. Euro im Jahr. Deutsche Berechnung­en waren von 200 bis 400 Mio. Euro ausgegange­n. (ju)

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[ Reuters ] Bundeskanz­ler Christian Kern: „Der Plan A ist die Bibel.“

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