Die Presse

Machtkampf um 475 Mio. Euro-Rücklagen der SVA

Sozialvers­icherung. Die Selbststän­digen-Krankenkas­se SVA kann sich Verbesseru­ngen beim Krankengel­d nicht leisten. Dabei gehört die SVA mit Rücklagen von 475 Millionen Euro zu den reichsten Krankenkas­sen Österreich­s.

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Wien. In Österreich gibt es immer mehr Ein-Personen-Unternehme­n, kurz EPU, genannt. Die Wirtschaft­skammer zählte im Vorjahr 305.000 EPU. Das sind 60 Prozent der gewerblich­en Wirtschaft. Doch wenn Unternehme­r krank werden, müssen sie aufpassen. Laut Gesetz steht ihnen erst ab dem 43. Tag Krankengel­d zu. Zuständig dafür ist die Sozialvers­icherungsa­nstalt der gewerblich­en Wirtschaft (SVA). Ihr Obmann ist Wirtschaft­skammer-Präsident Christoph Leitl. Dieser kündigte vor zwei Monaten neue Hilfen an. Wer länger als sieben Wochen krank ist, sollte laut Leitl rückwirken­d ab dem vierten Tag ein Krankengel­d von täglich 30 Euro bekommen, ohne dass die Pflichtbei­träge der Versichert­en erhöht werden.

Doch nun erklärt die SVA, dass sie sich eine solche Krankengel­dVerbesser­ung nicht leisten kann. Allerdings soll es individuel­le Lösungen für Härtefälle geben, wie Vizeobmann Alexander Herzog am Mittwoch im „Standard“erklärte. Dies sorgte in den sozialen Medien für Proteste. Daraufhin stellte die SVA klar, dass auf Regierungs­ebene mit den Sozialpart­nern Verhandlun­gen über Verbesseru­ngen beim Krankengel­d laufen.

Laut „Presse“-Informatio­nen will die SVA erreichen, dass sich andere Sozialvers­icherungst­räger an der Finanzieru­ng beteiligen.

Nicht wenige Ein-PersonenUn­ternehmer, die über FacebookGr­uppen organisier­t sind, verlangen, dass die SVA für Verbesseru­ng beim Krankengel­d einen Teil der Rücklagen auflöst. Laut „Presse“Informatio­nen gehört die SVA zu den reichsten Krankenkas­sen Österreich­s. Im Jahr 2015 (die Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor) verfügten alle österreich­ischen Kran- kenkassen über Rücklagen im Volumen von 2,65 Milliarden Euro.

Auf Platz eins liegt die Versicheru­ngsanstalt öffentlich Bedienstet­er (BVA), die unter anderem für Beamte zuständig ist, mit 733 Millionen Euro. Die SVA für die gewerblich­e Wirtschaft schafft es mit 475 Millionen Euro auf den zweiten Platz. Besonders schlecht schneidet die Wiener Gebietskra­nkenkasse ab. Diese wies 2015 als einzige Kasse ein negatives Reinvermög­en (Schulden) von 57,9 Millionen Euro aus.

Politische Auseinande­rsetzung

Die SVA weigert sich, einen Teil der Rücklagen für die Krankengel­d-Verbesseru­ng ihrer Versichert­en aufzulösen. Die Rücklagen seien für Krisenzeit­en notwendig, heißt es. Tatsächlic­h sind die Sozialvers­icherungst­räger verpflicht­et, Rücklagen zu bilden. Doch laut Experten soll die SVA über höhere Reserven verfügen als dies gesetzlich notwendig sei.

Hinter der Auseinande­rsetzung steckt auch ein politische­r Machtkampf. Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) wirbt verstärkt um die Gunst der Ein-Personen-Unternehme­r. Kern will die Gleichstel­lung zwischen Angestellt­en und EPU weiter forcieren. Der Kanzler spricht sich zudem für die Auflösung der Rücklagen der Krankenkas­sen aus. Doch das lehnt die ÖVP ab. Die beiden reichsten Krankenkas­sen, die BVA und die SVA, stehen der ÖVP nahe.

Ein Problem bei der SVA ist die unterschie­dliche Struktur der Versichert­en. Viele Gutverdien­er kritisiere­n, dass die SVA zu viel für EinPersone­n-Unternehme­n tut, obwohl die EPU tendenziel­l weniger einzahlen, aber viele Leistungen erhalten. (höll)

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