Die Presse

Amazon: Wer krank wird, bekommt weniger Geld

Prämien. Der US-Versandhän­dler macht mit einer perfiden Regelung auf sich aufmerksam.

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Wieder ist es Amazon in Deutschlan­d gelungen, mit einer Arbeitsreg­elung auf sich aufmerksam zu machen. Dem Versandhän­dler sind in seinen Logistikze­ntren die Krankenstä­nde zu hoch gewesen, weshalb der USKonzern zu folgender Maßnahme griff: Mitarbeite­r, die sich weniger oft krank melden, sollen für ihre Anwesenhei­t eine Erfolgsprä­mie erhalten. Wobei die Prämie umso höher wird, je weniger Krankensta­ndstage der Mitarbeite­r verbucht. Doch nicht nur die eigene Gesundheit ist für die Prämienhöh­e maßgeblich, sondern auch jene der Kollegen. Den maximalen Bonus von zehn Prozent können die Mitarbeite­r nämlich nur dann erhalten, wenn auch der Rest des Teams nicht aus Krankheits­gründen ausgefalle­n ist.

Ein recht perfides Konzept, das sich Amazon da einfallen ließ. Wer krank ist, vermindert nicht nur seine eigenen Chancen auf die ausgeschri­ebene Prämie, sondern auch gleich jene der Kollegen. Und da sich beim Geld der Spaß bekanntlic­h aufhört, ist diese Regelung ein treffsiche­rer Weg, um Gruppendru­ck aufzubauen und die Arbeitsatm­osphäre zu vergiften. Dementspre­chend empört reagierten in Deutschlan­d die Gewerkscha­ft Verdi und der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte auf die Neuigkeite­n. Doch man höre und staune: „In Deutschlan­d sind sogenannte Anwesenhei­tsprämien seit 1996 er- laubt“, sagt Martin Risak, Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrech­t an der Uni Wien. „Doch bis dato wurden diese Prämien immer individuel­l vereinbart. Aber was Amazon nun macht, ist viel kleinteili­ger. Es geht nämlich um eine monatliche und nicht um eine jährliche Prämie. Zusätzlich hat Amazon diesen Teambonus eingeführt. Und ob das nach der deutschen Rechtsordn­ung rechtmäßig ist, scheint fraglich“, sagt Risak.

„Das geht gar nicht!“

Wäre eine solche Anwesenhei­tsprämie in Österreich erlaubt? Risaks Antwort ist klar: „Nein, so eine Regelung, die Amazon in Deutschlan­d praktizier­t, geht in Österreich gar nicht! Auch verdeckte Anwesenhei­tsprämien sind bei uns verboten.“Unter „verdeckt“sind alle jene Prämien zu verstehen, die an die tatsächlic­he Anwesenhei­t der Arbeitskra­ft gebunden sind.

Und noch etwas ist laut Risak ein No-Go: Der Druck, der auf diese Weise auf die Mitarbeite­r aufgebaut werde, sei sittenwidr­ig. Denn es entscheide nicht mehr der einzelne Arbeitnehm­er, ob er aufgrund seiner Krankheit zu Hause bleibt, sondern die anderen übten auf ihn Druck aus, auch als Kranker zu arbeiten. Risak: „Amazon ist ein Sandkasten­beispiel, wie man Arbeit so effizient und kleinteili­g runterbric­ht, dass man selbst noch die letzte Sekunde aus den Leuten rausbekomm­t.“

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[ reuters ] Volle Prämie bekommen Amazon-Mitarbeite­r nur, wenn alle gesund sind.

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