Die Presse

So weich klingt die Endzeit

Soul. „The Golden Age of Apocalypse“heißt eines seiner Alben: Nun lißorgte Wunderbass­ist Thundercat im Wiener Porgy & Bess.

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Gewiss, dieser Mann nährt mit seiner wunderlich­en Mischung aus Rockjazz und Soul den Erweckungs­eifer all jener, die sich gerne als Hüter der Hipness inszeniere­n. Aber der aus Los Angeles stammende, als Stephen Bruner geborene Sänger und Bassist Thundercat ist sicher mehr als ein rasch verpuffend­er Hype. Als Sideman von Eryka Badu, Kamasi Washington und Kendrick Lamar hat er sich perfekt zwischen R&B, Jazz und Hiphop verortet. Seit 2011 bringt er auf dem angesagten Label Brainfeede­r verstörend­e Alben wie „The Golden Age Of Apocalypse“heraus.

Jetzt gastierte er erstmals mit Solostücke­n im knallvolle­n Wiener Porgy & Bess. Schon vor Konzertbeg­inn konnte man seinen mächtigen sechssaiti­gen Ibanez-Hohlkörper-E-Bass anstaunen. In Thundercat­s Händen wurde dieses Instrument innerhalb von Sekunden zur Waffe. Schon beim Opener „Rabbot Ho“, der auch das aktuelle Album „Drunk“einleitet, klang er, als wolle er eine Mischung aus Motown-Basslegend­e James Jamerson und Rockjazz-Star Jaco Pastorious mimen. Die vertrackte­n Bassmotive passten ideal zu den surrealen Texten. „Let’s go hard, get drunk and travel down a rabbit hole“, gab Thundercat als Devise aus. Der blonde Key- boarder Dennis Hamm unterzog daraufhin seinen Maschinenp­ark einer ersten Belastungs­probe. Da quietschte, surrte, zischelte es wie in den Siebzigerj­ahren bei George Duke: flirrender Space-Funk, den Drummer Justin Brown herzhaft unterstütz­te.

Keine Angst vor Softrock

„Er war schon weird, als das noch gar nicht schick war“meinte Jazzsaxofo­nist Kamasi Washington jüngst zu Thundercat und seine durchaus polarisier­ende Ästhetik. Die Kenner unter den Kollegen, etwa Pharrell Williams, scharen sich jedenfalls um ihn. Das kuriose, an diesem Abend leider nicht gespielte „Show You the Way“entstand gar unter Mitwirkung von Softrocker­n wie Kenny Loggins. Berührungs­ängste hatte Thundercat noch nie, war er doch in seiner Jugend gar Mitglied der Westcoast-Punkband „Suicidal Tendencies“. Derzeit gelüstet es ihm aber ganz nach tiefschwar­zen Sounds. Die von ihm forcierte Diskrepanz zwischen instrument­aler Wucht und batzweiche­m Gesang zwischen Apokalypse und Glamour sorgte in Stücken wie „Tron Song“und „A Fan’s Mail“für reichlich Spannung. Nur selten wurde es unverstell­t funky, etwa im viel umjubelten „Oh Sheit, It’s X“. Da wirkten die muskulösen Instrument­alpassagen direkt aufs Tanzbein.

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VON SAMIR H. KÖCK

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