Warum Bruno Kreisky der „Mater Austriae“seine Reverenz erwies
Innovative Geisteshaltung strömte von außen in das Land der Kaiserin, und diese wusste die Quellen der Reformen und der Aufklärung zu nutzen.
Es reizt, im heurigen Jubiläumsjahr dem am Dienstag erschienenen Quergeschrieben von Kurt Scholz über Maria Theresias Berater zwei oder drei Fußnoten als Ergänzungen anzufügen. Wobei einbekannt sei, dass ich darin als Absolvent des Theresianums, der von der Kaiserin 1746 gegründeten Schule, der ich noch mehr verdanke als viele andere Theresianisten, Partei bin.
Zumal der von Kurt Scholz zurecht lobend hervorgehobene Joseph von Sonnenfels von 1766 bis 1784 Kameral- und Polizeiwissenschaft, wir würden heute sagen Finanzwesen und Verwaltungslehre, am Theresianum unterrichtete. Und der Sohn von Gerard van Swieten, des Begründers der Wiener Medizinischen Schule und Reorganisators der Wiener Universität, Gottfried van Swieten drückte ab Gründung des Theresianums sechs Jahre lang dort die Schulbank.
Leider wird das Wirken Gottfried van Swietens viel zu wenig gewürdigt. Neben seiner Tätigkeit als Diplomat auf verschiedenen Gesandtschaftsposten in Brüssel, Paris, Warschau, Berlin war er langjähriger Präfekt der Hofbibliothek und unter Joseph II. Mitglied der HofStudienkommission. Er unterstützte mit Begeisterung die liberalen Reformen des Kaisers, vor allem die Schließung von fast tausend Klöstern, die aus Josephs klarer Sicht – heute vermisst man diese bei vielen Politikern – nichts anderes als „Quellen des Aberglaubens und des religiösen Fanatismus“waren.
Van Swieten setzte sich vehement für die Abschaffung der Zensur ein, bemühte sich um die Einführung eines Urheberrechtes, das es in England bereits seit 1709 gab, und war als musikalischer Enthusiast vor allem ein unermüdlicher Förderer der in Wien wirkenden Komponisten. Mozart wurde durch ihn auf die Werke von Johann Sebastian Bach aufmerksam gemacht; für Haydns Oratorien schrieb er in Zusammenarbeit mit dem Tonsetzer die Texte; die sich abzeichnende große Karriere Beethovens in Wien leitete er ein. Auch dilettierte er als Musiker. Haydn beurteilte seine Symphonien wenig schmeichelhaft, aber si- cher zutreffend „so steif wie ihn selbst“. Eben ein typischer Theresianist.
Kurt Scholz schrieb zurecht, dass Österreichs Glanzzeit unter Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph leider rasch verblasste. Gottfried van Swieten erlebte es als einer der ersten, weil er schon unter Josephs Bruder Leopold in Ungnade fiel. Und noch düsterer wurde es unter Leopolds Sohn Franz, dem knorrigen Monarchen, der nur Bewahrung im Sinn hatte und den nur ihm wirklich Gutgesinnte einen in seiner Sammler- und Gärtnerleidenschaft verbohrten Grantler nennen. Doch es mag müßig sein, darüber zu klagen. Viel interessanter ist es zu erforschen, aus welchen Quellen die Glanzzeit Österreichs zwischen 1740 und 1790 hervorging.
Es mag damit zu tun haben, dass von außen innovative Geisteshaltung ins Land herein strömte: Prinz Eugen, der nicht nur einer der größten Feldherrn aller Zeiten, sondern auch ein Intellektueller ersten Ranges war, kam von Savoyen. Franz Stephan, Maria Theresias geliebter Gatte, dessen Einfluss und hohe Bildung im Allgemeinen zu wenig geschätzt werden, kam von Lothringen.
Joseph von Sonnenfels war ein mit brillantem Wissen gesegneter Enkel des Landesrabbiners von Brandenburg. Gerard van Swieten musste als Katholik von den Niederlanden weg nach Wien ziehen – und dies sind nur einige von vielen Beispielen.
Das Beispiel van Swietens mag bezeichnend sein: Der Vater Gerard kann nach der Einladung von Maria Theresia, in Österreich zu wirken, seine sich in Leiden angeeignete Haltung als Reformer und als Aufklärer hier zur Geltung bringen. Und der Sohn Gottfried profitiert bereits von einer theresianischen Einrichtung, die im Sinne der Berater der Kaiserin geführt wird.
Es mag diese kluge Politik gewesen sein, weshalb, wie Kurt Scholz schrieb, Bruno Kreisky „der habsburgischen Mater Austriae seine Reverenz“erwies.