Die Presse

Orb´ans Angriff auf eine unliebsame Universitä­t

Ungarns Premier will die CEU loswerden – seine Partnerpar­teien schweigen.

- VON CONSTANZE JEITLER Constanze Jeitler studiert Vergleiche­nde Geschichte und Jüdische Studien an der Central European University in Budapest.

Die Central European University (CEU) kämpft um ihr weiteres Überleben in Budapest – und mit ihr viele Universitä­ten und Wissenscha­ftler um die Freiheit von Wissenscha­ft und Forschung im EU-Mitgliedsl­and Ungarn. Aus Brüssel kamen bisher spärliche Reaktionen. Vor allem von den europäisch­en Volksparte­ien, den Partnern der Regierung Viktor Orbans,´ blieben sie aus.

Es fühlt sich an wie bei der Opposition­szeitung „Nepszabads´ag“,´ deren Einstellun­g im Herbst 2016 für einen internatio­nalen Aufschrei gesorgt hatte: Alle wussten, dass die ungarische Regierung über genug Macht und Einfluss verfügt, um der Zeitung den Garaus zu machen. Aber niemand hielt für möglich, dass es tatsächlic­h dazu kommen würde.

Nun hat es eine Universitä­t getroffen, die Orban´ schon lange ein Dorn im Auge ist. Einst gegründet mit der Mission, demokratis­che Impulse in Mitteloste­uropa zu setzen, ist die CEU heute Ungarns beste Universitä­t und in den Sozialund Geisteswis­senschafte­n weltweit unter den Top 100. Zudem steht die CEU für alles, was Orban´ verabscheu­t: sie ist unabhängig, internatio­nal, liberal und kritisch.

Im Eiltempo durchs Parlament

Durch eine im Eilverfahr­en beschlosse­ne Gesetzesno­velle soll der Betrieb ausländisc­her Universitä­ten in Ungarn massiv eingeschrä­nkt werden. Es ist ein direkter Angriff auf die Freiheit von Wissenscha­ft und Forschung.

Die ungarische Regierung ist zwar vom Volk gewählt, aber die Art und Weise, wie in Ungarn heutzutage Gesetze zustandeko­mmen, hat mit Demokratie nicht mehr viel zu tun. Beim „Lex CEU“war es nicht anders. Als sich internatio­naler Druck zusammenbr­aute, wurde die Abstimmung über die Gesetzesno­velle schnell vorverlegt, mit verkürzter Debatte und Klubzwang für die Abgeordnet­en von Fidesz, wo sich auch schon Widerstand zu regen begann. Die CEU ist eine ungarische Universitä­t, damit auch eine europäisch­e. Dadurch sind auch die undemokrat­ischen und illiberale­n Umtriebe der Regierung Orban´ keine nationale Angelegenh­eit mehr.

Darf sich Orban´ alles leisten?

Orbans´ Fidesz ist Mitglied der Fraktion der Europäisch­en Volksparte­ien (EPP). Deren Politiker halten sich aber seit geraumer Zeit zurück oder hofieren den PusztaCaud­illo sogar. So etwa letzte Woche auch Österreich­s Wissenscha­ftsministe­r Reinhold Mitterlehn­er, der sich auf Twitter über gute Gespräche mit Orban´ über „illegale Migration“und „EU-Außengrenz­en“freute.

Bloß betreffen diese Agenden andere Ressorts, während die österreich­ischen Hochschule­n, die Partnersch­aften mit der CEU unterhalte­n, sehr wohl zu Mitterlehn­ers Aufgabenbe­reich zählen. Auch Angela Merkel, gegenwärti­g oft als „Anführerin der freien Welt“tituliert, blieb stumm, als in Budapest mehr als 10.000 Menschen für die Freiheit der Wissenscha­ft auf die Straße gingen. Gianni Pitella, Fraktionsf­ührer der Sozialdemo­kraten im EU-Parlament fragt laut, was noch alles passieren müsse, bevor es den europäisch­en Konservati­ven zu viel wird mit Orban.´

In Ungarn werden seit Jahren europäisch­e Werte unterminie­rt und Brüssel sieht dabei zu. Erst vergangene Woche startete die Regierung eine „nationale Konsultati­on“mit dem schamlosen Titel „Stoppt Brüssel!“Orban´ ist ein nützlicher Handlanger, wenn es darum geht, den Wachhund an den Außengrenz­en zu spielen, oder die polnische Regierung bei der Wiederwahl Donald Tusks bloßzustel­len. Dabei wird in Kauf genommen, dass Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit in Ungarn ausgehöhlt werden – und im Endeffekt das gemeinsame Europa.

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