Warum Trump die Kriegstrommel rührt
Syrien. Nach dem tödlichen Giftgasangriff in der Provinz Idlib droht der US-Präsident dem syrischen Regime. Doch wie wahrscheinlich ist ein Militärschlag?
Der Horror in Syrien schockiert die Welt. Nach dem Giftgasangriff auf die Stadt Khan Sheikhoun in der Provinz Idlib bilden die westlichen Staaten eine neue Front gegen Syriens Machthaber, Bashar al-Assad. Die USA, Frankreich und Großbritannien fordern im UN-Sicherheitsrat, den Giftgasangriff zu verurteilen. Russland deckt hingegen nach wie vor das Regime in Damaskus. US-Präsident Donald Trump benennt ganz klar Assad als Verantwortlichen für den Einsatz chemischer Waffen, der Dutzende Menschen das Leben gekostet hat. Und er droht mit Konsequenzen. Ein US-Militärschlag gegen das syrische Regime scheint so nahe wie zuletzt im August 2013, als nach einem Giftgasangriff in einem Vorort von Damaskus Barack Obamas berühmte „rote Linie“überschritten worden war. Damals machte Obama in letzter Minute einen Rückzieher. Im Gegenzug wurde eine Abrüstung die syrischen C-Waffenbestände versprochen.
Was sind die Motive der USA, Russlands, der Europäer und Bashar al-Assads?
USA
Noch vor ein paar Tagen hatte US-Außenminister Rex Tillerson angedeutet, dass ein Rücktritt Assads keine Priorität mehr für Washington habe. Nun aber scheint vieles, wenn nicht alles anders. Denn jetzt redet auch Donald Trump von roten Linien, die Assad überschritten habe. Im Weltsicherheitsrat unterscheiden sich die erregten Wortgefechte seiner UN-Botschafterin mit der russischen Seite in nichts mehr von ihrer Vorgängerin unter Obama. Sogar ein militärisches Vorgehen der USA gegen Assad steht plötzlich im Raum.
Drei Gründe sprechen für einen Militärschlag. Erstens könnte Trump den Giftgasangriff in Idlib gleichsam als einen persönlichen Affront auffassen, als eine bewusste Machtdemonstration Assads. Wenn der USPräsident den ohnmächtigen Eindruck vermeiden will, dass Assad völlig freie Hand in Syrien hat, dann ist er fast gezwungen, ein martialisches Zeichen zu setzen.
Zweitens dürften die USA zum Schluss gekommen sein, im Gegensatz zu Russland über einen zu geringen militärischen Fußabdruck in Syrien zu verfügen, um die Zukunft des Landes entscheidend mitbestimmen zu können. Nach dieser Lesart brächten sich die Amerikaner mit begrenzten Raketenangriffen stärker zurück ins blutige syrische Endspiel. Denn danach könnte die amerikanische Verhandlungs- und Einschüchterungsposition gestärkt sein, auch um den Preis einer vorübergehenden Verschlechterung der Beziehungen zu Moskau.
Und drittens dürfte Trump angesichts des spektakulären Fehlstarts seiner Regierung auch innenpolitisch einen Militärschlag ganz gut gebrauchen können.
Assad-Regime
Das Regime in Damaskus zeigt sich bisher trotz aller Drohungen wenig beeindruckt. Assad fühlt sich als Sieger, sein Machterhalt scheint nicht mehr in Gefahr. Warum aber könnte er dann einen solchen provokanten Giftgaseinsatz befohlen haben, den er offiziell vehement bestreitet? Wie schon bei dem Sarin-Massaker 2013 in Ghouta geht es Damaskus vor allem um eines – zu demonstrieren, dass der Bruch humanitärer Tabus ohne Folgen bleibt und sich fundamentale internationale Normen heutzutage ohne Probleme durchlöchern lassen. Die Vereinten Nationen haben durch den syrischen Bürgerkrieg mehr Schaden genommen als durch jeden anderen Konflikt zuvor. Und auch Trumps plötzliche Drohungen könnten letzten Endes genauso folgenlos bleiben wie die Rote-Linie-Rhetorik seines Vorgängers Obama. Denn sollte die US-Armee etwa syrische Fliegerhorste bombardieren, wäre eine direkte Konfrontation mit Russland nicht mehr ausgeschlossen.
Russland
Nicht zuletzt wegen der Gefahr einer solchen Eskalation dürfte auch im Kreml der Zorn über Assad wachsen, den Moskau dieser Tage einmal mehr gegen die globale Empörung verteidigen muss. Abrücken von seinem skrupellosen Verbündeten kann Russland nicht, weil es in Syrien eine feste strategische Machtbastion etablieren möchte. Doch die Zweifel wachsen, wie viel Einfluss der Kreml auf das syrische Regime wirklich hat. Denn Assads Untat in Khan Sheikhoun zerstört die frischen Hoffnungen auf eine Entspannung mit den USA unter Donald Trump. Und sie bringt die mühsame Kooperation mit der Türkei bei den Waffenstillstandsgesprächen in Astana in Gefahr.
Europäer
Europa will sich offenbar militärisch weitgehend heraushalten. Stattdessen hat man sich in Brüssel darauf verlegt, die Kriegsgegner mit Milliarden für den Wiederaufbau zur Vernunft bringen zu wollen. Die Zahlungen sollen den Anreiz dafür schaffen, ernsthaft in Genf zu verhandeln und sich auf eine Post-Assad-Machtstruktur für die Nachkriegszeit zu einigen. Doch Assad lehnt das Milliarden-Junktim der Europäer ab. Und er kalkuliert, dass diese am Ende auch ohne Bedingungen zahlen – um den Flüchtlingsdruck zu mindern.