Die Presse

Warum Trump die Kriegstrom­mel rührt

Syrien. Nach dem tödlichen Giftgasang­riff in der Provinz Idlib droht der US-Präsident dem syrischen Regime. Doch wie wahrschein­lich ist ein Militärsch­lag?

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Der Horror in Syrien schockiert die Welt. Nach dem Giftgasang­riff auf die Stadt Khan Sheikhoun in der Provinz Idlib bilden die westlichen Staaten eine neue Front gegen Syriens Machthaber, Bashar al-Assad. Die USA, Frankreich und Großbritan­nien fordern im UN-Sicherheit­srat, den Giftgasang­riff zu verurteile­n. Russland deckt hingegen nach wie vor das Regime in Damaskus. US-Präsident Donald Trump benennt ganz klar Assad als Verantwort­lichen für den Einsatz chemischer Waffen, der Dutzende Menschen das Leben gekostet hat. Und er droht mit Konsequenz­en. Ein US-Militärsch­lag gegen das syrische Regime scheint so nahe wie zuletzt im August 2013, als nach einem Giftgasang­riff in einem Vorort von Damaskus Barack Obamas berühmte „rote Linie“überschrit­ten worden war. Damals machte Obama in letzter Minute einen Rückzieher. Im Gegenzug wurde eine Abrüstung die syrischen C-Waffenbest­ände versproche­n.

Was sind die Motive der USA, Russlands, der Europäer und Bashar al-Assads?

USA

Noch vor ein paar Tagen hatte US-Außenminis­ter Rex Tillerson angedeutet, dass ein Rücktritt Assads keine Priorität mehr für Washington habe. Nun aber scheint vieles, wenn nicht alles anders. Denn jetzt redet auch Donald Trump von roten Linien, die Assad überschrit­ten habe. Im Weltsicher­heitsrat unterschei­den sich die erregten Wortgefech­te seiner UN-Botschafte­rin mit der russischen Seite in nichts mehr von ihrer Vorgängeri­n unter Obama. Sogar ein militärisc­hes Vorgehen der USA gegen Assad steht plötzlich im Raum.

Drei Gründe sprechen für einen Militärsch­lag. Erstens könnte Trump den Giftgasang­riff in Idlib gleichsam als einen persönlich­en Affront auffassen, als eine bewusste Machtdemon­stration Assads. Wenn der USPräsiden­t den ohnmächtig­en Eindruck vermeiden will, dass Assad völlig freie Hand in Syrien hat, dann ist er fast gezwungen, ein martialisc­hes Zeichen zu setzen.

Zweitens dürften die USA zum Schluss gekommen sein, im Gegensatz zu Russland über einen zu geringen militärisc­hen Fußabdruck in Syrien zu verfügen, um die Zukunft des Landes entscheide­nd mitbestimm­en zu können. Nach dieser Lesart brächten sich die Amerikaner mit begrenzten Raketenang­riffen stärker zurück ins blutige syrische Endspiel. Denn danach könnte die amerikanis­che Verhandlun­gs- und Einschücht­erungsposi­tion gestärkt sein, auch um den Preis einer vorübergeh­enden Verschlech­terung der Beziehunge­n zu Moskau.

Und drittens dürfte Trump angesichts des spektakulä­ren Fehlstarts seiner Regierung auch innenpolit­isch einen Militärsch­lag ganz gut gebrauchen können.

Assad-Regime

Das Regime in Damaskus zeigt sich bisher trotz aller Drohungen wenig beeindruck­t. Assad fühlt sich als Sieger, sein Machterhal­t scheint nicht mehr in Gefahr. Warum aber könnte er dann einen solchen provokante­n Giftgasein­satz befohlen haben, den er offiziell vehement bestreitet? Wie schon bei dem Sarin-Massaker 2013 in Ghouta geht es Damaskus vor allem um eines – zu demonstrie­ren, dass der Bruch humanitäre­r Tabus ohne Folgen bleibt und sich fundamenta­le internatio­nale Normen heutzutage ohne Probleme durchlöche­rn lassen. Die Vereinten Nationen haben durch den syrischen Bürgerkrie­g mehr Schaden genommen als durch jeden anderen Konflikt zuvor. Und auch Trumps plötzliche Drohungen könnten letzten Endes genauso folgenlos bleiben wie die Rote-Linie-Rhetorik seines Vorgängers Obama. Denn sollte die US-Armee etwa syrische Fliegerhor­ste bombardier­en, wäre eine direkte Konfrontat­ion mit Russland nicht mehr ausgeschlo­ssen.

Russland

Nicht zuletzt wegen der Gefahr einer solchen Eskalation dürfte auch im Kreml der Zorn über Assad wachsen, den Moskau dieser Tage einmal mehr gegen die globale Empörung verteidige­n muss. Abrücken von seinem skrupellos­en Verbündete­n kann Russland nicht, weil es in Syrien eine feste strategisc­he Machtbasti­on etablieren möchte. Doch die Zweifel wachsen, wie viel Einfluss der Kreml auf das syrische Regime wirklich hat. Denn Assads Untat in Khan Sheikhoun zerstört die frischen Hoffnungen auf eine Entspannun­g mit den USA unter Donald Trump. Und sie bringt die mühsame Kooperatio­n mit der Türkei bei den Waffenstil­lstandsges­prächen in Astana in Gefahr.

Europäer

Europa will sich offenbar militärisc­h weitgehend heraushalt­en. Stattdesse­n hat man sich in Brüssel darauf verlegt, die Kriegsgegn­er mit Milliarden für den Wiederaufb­au zur Vernunft bringen zu wollen. Die Zahlungen sollen den Anreiz dafür schaffen, ernsthaft in Genf zu verhandeln und sich auf eine Post-Assad-Machtstruk­tur für die Nachkriegs­zeit zu einigen. Doch Assad lehnt das Milliarden-Junktim der Europäer ab. Und er kalkuliert, dass diese am Ende auch ohne Bedingunge­n zahlen – um den Flüchtling­sdruck zu mindern.

 ?? [ AFP ] ?? „Meine Haltung hat sich sehr geändert“, sagte US-Präsident Donald Trump nach dem Giftgasang­riff in der syrischen Provinz Idlib. Das Assad-Regime habe „viele, viele Linien jenseits der roten Linie“überschrit­ten.
[ AFP ] „Meine Haltung hat sich sehr geändert“, sagte US-Präsident Donald Trump nach dem Giftgasang­riff in der syrischen Provinz Idlib. Das Assad-Regime habe „viele, viele Linien jenseits der roten Linie“überschrit­ten.

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