Die Straße ist nicht genug
Land Rover führt den Discovery in moderne Zeiten. Manche von Fans geliebte Eigenart bleibt dabei auf der Strecke.
Manche Dinge erfahren erst in der Nachbetrachtung ihre gerechte Würdigung. Nicht so im Fall der nun ausgelaufenen vierten Generation des Land Rover Discovery: Das Auto verkaufte sich umso besser, je älter es wurde. Dass es sich um einen besonders charismatischen Vertreter der Gattung handelte, kann also kaum als Geheimtipp bezeichnet werden – das vergangene Jahr steht als bislang erfolgreichstes der ganzen Baureihe in den Büchern. Und das, obwohl der Neue erwartbar alles besser können würde.
Aber vielleicht mit etwas weniger Eigenart. Für Spleens haben aber speziell anglophile Käufer traditionell eine gewisse Schwäche. Beispiel? Der boxförmige gläserne hintere Aufbau des alten Discovery, der ans Papamobil erinnert und die Heckklappe schroff abfallen lässt wie die Eigernordwand – nicht wahnsinnig aerodynamisch, aber mit hoher Raumausbeute bei aufrechter Statur. Oder überhaupt die asymmetrisch zweigeteilte Heckklappe – die gibt’s beim Neuen nur als funktionsloses Zitat.
Familie auf der Klappe
Diese typisch britische, romantische Idee von der Landschaftsbeobachtung oder dem Picknick, während man vom Regen geschützt auf der Klappe sitzt, die lebt immerhin in einer Notlösung fort – einer inneren Heckklappe.
Die lässt sich aus dem Laderaum elektrisch absenken, sobald die große Klappe hochgefahren ist. Mit einer maximalen Traglast von 300 kg schultert sie eine ganze Familie, sollte sich die dort zusammenkuscheln. Fair enough!
Was uns weniger gefällt, sind die scharfen, ungeschützten Ecken der umgreifenden Heckklappe – dass diese aus Kunststoff besteht, trägt zur Gewichtsersparnis bei, würde Kopfverletzungen beim Herunterfahren aber kaum mindern. Letztes Wort zur Heckpartie: Die säulenartig angeordneten Leuchten sind vergleichsweise banalen, quer gezeichneten gewichen.
Im Kern hat sich der Disco radikal geändert. Statt des im Offroad-Gewerbe üblichen Leiterrahmens hebt nun eine Alu-Karosserie mit Einzelradaufhängung den Fahrkomfort, während sich das Fahrzeuggewicht um bis zu 480 kg verringert hat. Der alte Disco reichte schon an die zweidreiviertel Tonnen, eine stilistische Meisterleistung, dass man ihm das nicht angesehen hat. Mit effektiv um die 2,2 Tonnen hat die neue Generation in moderne Sphären gefunden, jedenfalls nach SUVMaßstäben. Patente Fahrwerkskomponenten wie doppelte Querlenker tragen ein Übriges zu gemessener Agilität bei, wie wir auf ersten Testfahrten überprüfen konnten. Abzweigung verpasst? Fest auf die Bremse, scharf einlenken, es geht sich trotzdem noch aus. Undenkbar im alten Disco.
Sportlich will der Neue nicht sein. Komfortabel ist er, und wesentlich geräumiger, weil das Pack- aging dramatisch besser ist. Wird er als Siebensitzer genutzt, bleibt allerdings trotzdem nur Platz für leichtes Handgepäck.
Bis zu neun USB-Anschlüsse
Die Passagiere können sich dafür multimedial nach Belieben zerstreuen, es gibt bis zu neun USBTankstellen an Bord und natürlich einen WLAN-Hotspot.
Die aerodynamisch ausgefeilte Karosserie schneidet einstweilen geräuscharm durch den Fahrtwind, auch bei 200 km/h auf deutscher Autobahn fühlte sich der große Wagen sicher und kontrolliert an. Im Sinne des Spritverbrauchs ist freilich ein geringeres Reisetempo angeraten. Zwei Dieselmotoren in drei Leistungsstufen (Vierzylinder mit 180 und 240 PS, V6 mit 258 PS) werden in unseren Breiten die erste Wahl sein. Mit dem 340 PS starken V6-Benziner enteilt der Familiengeländewagen, 1989 als goldene Mitte zwischen dem knorrigen Defender und dem noblen Rover ersonnen, vollends in Luxusgefilde.
Dass die Offroadqualitäten nicht gelitten haben, ist sozusagen Ehrensache für Land Rovers Ingenieure. Kein Wert, sei es Rampenoder Böschungswinkel, liegt unter jenem der Vorgängers, die Wattiefe hat sich auf bis zu 900 mm verbessert – auch dank einer Motorbelüftung, die wie schon im Range Rover seitlich auf Höhe der Motorhaube inhaliert.
Allradantrieb, nunmehr in zwei Varianten angeboten, ist immer dabei, die optionale Luftfederung obligat, um alle Möglichkeiten auszureizen, nicht nur im Gelände. Auch wenn es beispielsweise darum geht, den Laderaum abzusenken und zum Fünfuhrtee auf der Heckklappe zu bitten.