Die Presse

Die Straße ist nicht genug

- VON TIMO VÖLKER

Land Rover führt den Discovery in moderne Zeiten. Manche von Fans geliebte Eigenart bleibt dabei auf der Strecke.

Manche Dinge erfahren erst in der Nachbetrac­htung ihre gerechte Würdigung. Nicht so im Fall der nun ausgelaufe­nen vierten Generation des Land Rover Discovery: Das Auto verkaufte sich umso besser, je älter es wurde. Dass es sich um einen besonders charismati­schen Vertreter der Gattung handelte, kann also kaum als Geheimtipp bezeichnet werden – das vergangene Jahr steht als bislang erfolgreic­hstes der ganzen Baureihe in den Büchern. Und das, obwohl der Neue erwartbar alles besser können würde.

Aber vielleicht mit etwas weniger Eigenart. Für Spleens haben aber speziell anglophile Käufer traditione­ll eine gewisse Schwäche. Beispiel? Der boxförmige gläserne hintere Aufbau des alten Discovery, der ans Papamobil erinnert und die Heckklappe schroff abfallen lässt wie die Eigernordw­and – nicht wahnsinnig aerodynami­sch, aber mit hoher Raumausbeu­te bei aufrechter Statur. Oder überhaupt die asymmetris­ch zweigeteil­te Heckklappe – die gibt’s beim Neuen nur als funktionsl­oses Zitat.

Familie auf der Klappe

Diese typisch britische, romantisch­e Idee von der Landschaft­sbeobachtu­ng oder dem Picknick, während man vom Regen geschützt auf der Klappe sitzt, die lebt immerhin in einer Notlösung fort – einer inneren Heckklappe.

Die lässt sich aus dem Laderaum elektrisch absenken, sobald die große Klappe hochgefahr­en ist. Mit einer maximalen Traglast von 300 kg schultert sie eine ganze Familie, sollte sich die dort zusammenku­scheln. Fair enough!

Was uns weniger gefällt, sind die scharfen, ungeschütz­ten Ecken der umgreifend­en Heckklappe – dass diese aus Kunststoff besteht, trägt zur Gewichtser­sparnis bei, würde Kopfverlet­zungen beim Herunterfa­hren aber kaum mindern. Letztes Wort zur Heckpartie: Die säulenarti­g angeordnet­en Leuchten sind vergleichs­weise banalen, quer gezeichnet­en gewichen.

Im Kern hat sich der Disco radikal geändert. Statt des im Offroad-Gewerbe üblichen Leiterrahm­ens hebt nun eine Alu-Karosserie mit Einzelrada­ufhängung den Fahrkomfor­t, während sich das Fahrzeugge­wicht um bis zu 480 kg verringert hat. Der alte Disco reichte schon an die zweidreivi­ertel Tonnen, eine stilistisc­he Meisterlei­stung, dass man ihm das nicht angesehen hat. Mit effektiv um die 2,2 Tonnen hat die neue Generation in moderne Sphären gefunden, jedenfalls nach SUVMaßstäb­en. Patente Fahrwerksk­omponenten wie doppelte Querlenker tragen ein Übriges zu gemessener Agilität bei, wie wir auf ersten Testfahrte­n überprüfen konnten. Abzweigung verpasst? Fest auf die Bremse, scharf einlenken, es geht sich trotzdem noch aus. Undenkbar im alten Disco.

Sportlich will der Neue nicht sein. Komfortabe­l ist er, und wesentlich geräumiger, weil das Pack- aging dramatisch besser ist. Wird er als Siebensitz­er genutzt, bleibt allerdings trotzdem nur Platz für leichtes Handgepäck.

Bis zu neun USB-Anschlüsse

Die Passagiere können sich dafür multimedia­l nach Belieben zerstreuen, es gibt bis zu neun USBTankste­llen an Bord und natürlich einen WLAN-Hotspot.

Die aerodynami­sch ausgefeilt­e Karosserie schneidet einstweile­n geräuschar­m durch den Fahrtwind, auch bei 200 km/h auf deutscher Autobahn fühlte sich der große Wagen sicher und kontrollie­rt an. Im Sinne des Spritverbr­auchs ist freilich ein geringeres Reisetempo angeraten. Zwei Dieselmoto­ren in drei Leistungss­tufen (Vierzylind­er mit 180 und 240 PS, V6 mit 258 PS) werden in unseren Breiten die erste Wahl sein. Mit dem 340 PS starken V6-Benziner enteilt der Familienge­ländewagen, 1989 als goldene Mitte zwischen dem knorrigen Defender und dem noblen Rover ersonnen, vollends in Luxusgefil­de.

Dass die Offroadqua­litäten nicht gelitten haben, ist sozusagen Ehrensache für Land Rovers Ingenieure. Kein Wert, sei es Rampenoder Böschungsw­inkel, liegt unter jenem der Vorgängers, die Wattiefe hat sich auf bis zu 900 mm verbessert – auch dank einer Motorbelüf­tung, die wie schon im Range Rover seitlich auf Höhe der Motorhaube inhaliert.

Allradantr­ieb, nunmehr in zwei Varianten angeboten, ist immer dabei, die optionale Luftfederu­ng obligat, um alle Möglichkei­ten auszureize­n, nicht nur im Gelände. Auch wenn es beispielsw­eise darum geht, den Laderaum abzusenken und zum Fünfuhrtee auf der Heckklappe zu bitten.

 ??  ??
 ?? [ Werk ] ?? Kein Papamobil mehr: Der Discovery der fünften Generation ist auch hinten windschnit­tig, das Heck fällt nicht mehr schroff ab. Dessen Asymmetrie ist nur noch angedeutet.
[ Werk ] Kein Papamobil mehr: Der Discovery der fünften Generation ist auch hinten windschnit­tig, das Heck fällt nicht mehr schroff ab. Dessen Asymmetrie ist nur noch angedeutet.

Newspapers in German

Newspapers from Austria