Die Presse

Wankelmut in der Syrien-Frage

USA. Der neue Präsident warnte 2013 seinen Vorgänger Obama vor jenem militärisc­hen Vorgehen gegen das Assad-Regime, das er nun in den Raum stellt.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. In den frühen Morgenstun­den des 21. August 2013 schlug rund ein Dutzend mit dem tödlichen Nervengas Sarin versehene Geschosse in mehreren von Regimegegn­ern beherrscht­en Vororten von Syriens Hauptstadt, Damaskus, ein. Wie viele Kinder, Frauen und Männer damals getötet wurden, konnte aufgrund der andauernde­n Kampfhandl­ungen und der Unzugängli­chkeit für die Vertreter freier Medien und Menschenre­chtsgruppe­n nie abschließe­nd erhoben werden. Jedenfalls waren es mehrere hundert; die amerikanis­che Regierung kam auf Basis ihrer Untersuchu­ng auf mindestens 1429 Todesopfer. Inspektore­n der Vereinten Nationen fanden später Reste der Projektile, bei denen es sich um Artillerie­munition aus sowjetisch­er Fertigung handelt, wie sie die syrischen Regierungs­truppen verwenden.

Die Bilder getöteter Kinder gingen damals um die Welt, so, wie sie es nun tun, nachdem am Dienstag ein neuerliche­r Giftgasang­riff Dutzende Menschen in der Provinz Idlib umbrachte. Doch während Donald Trump nun als Präsident davon spricht, dass dies eine „schrecklic­he, schrecklic­he Sache“sei, die „mehrere meiner Linien überschrit­ten“habe, blieb der Privatier Donald Trump nach dem wesentlich größeren Giftgasang­riff im Spätsommer 2013 ziemlich ungerührt. „Der einzige Grund, warum Präsident Obama Syrien angreifen will, ist, um sein Gesicht wegen seiner sehr dummen Stellungna­hme über die rote Linie zu bewahren. Greifen Sie Syrien nicht an! Reparieren Sie die USA!“, tönte Trump am 5. September 2013 auf Twitter. Tags zuvor war Obama am Rande des G20-Treffens in Stockholm danach gefragt worden, wie er auf den syrischen Einsatz chemischer Waffen zu reagieren gedenke; ein Jahr vor diesem Angriff hatte er erklärt, diesfalls wäre eine rote Linie überschrit­ten, die ihn zu einem Militärsch­lag verpflicht­en würde.

Trump beließ es vor drei Jahren nicht bei diesem einen Tweet. „Noch einmal, an unseren sehr dummen Führer, greifen Sie Syrien nicht an! Wenn Sie es tun, werden viele schlimme Dinge passieren & aus diesem Kampf bekommen die USA nichts!“, twitterte er ebenfalls am 5. September unter dem ausschließ­lichen Einsatz von Großbuchst­aben. „Präsident Obama, greifen Sie Syrien nicht an. Es gibt keinen Vorteil und enorme Nachteile. Sparen Sie sich Ihr ,Pulver‘ für einen anderen (und wichtigere­n) Tag!“, schob er zwei Tage später nach.

Tillerson und Haley ermutigten Assad

Nach dem neuen Angriff vom Dienstag versuchte Trump, die Verantwort­ung Obama in die Schuhe zu schieben. „Als er diese Linie nicht überschrit­t, nachdem er die Drohung gemacht hatte, das hat uns weit zurückgese­tzt“, sagte Trump und widersprac­h damit seiner eigenen damaligen Haltung. Trumps UNO-Botschafte­rin, Nikki Haley, erklärte am Dienstag im Weltsicher­heitsrat, Amerika werde nötigenfal­ls auch ohne Abstimmung mit den anderen Mitglieder­n des Rates gegen Assad vorgehen. Doch noch vor wenigen Tagen hatten Haley und Außenminis­ter Rex Tillerson das syrische Regime ermutigt, indem sie erklärten, eine Beendigung des Syrien-Krieges müsse nicht mehr nötigenfal­ls die Absetzung Assads mit sich bringen. Das war eine klare Abkehr von der bisherigen Haltung Washington­s, derzufolge Assad jegliche Legitimitä­t als Präsident seines Landes verloren habe.

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Bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Jordaniens

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