Was weiß Häupl über Ludwig, was wir nicht wissen?
Wiens Bürgermeister zeigt vor, wie man seinen Abgang gerade nicht vollzieht. Er will sich in die Nachfolgefrage nicht einmischen. Damit tut er es erst recht.
E in kleiner Tipp für Michael Häupl: Der Wiener Bürgermeister sollte in Anlehnung an Paul Watzlawicks Bestseller „Anleitung zum Unglücklichsein“ein Buch verfassen. Die Chancen, einen Verleger zu finden, dürften als relativ hoch einzuschätzen sein. Häupl könnte ja, wenn er seine jüngst intern geäußerte Ankündigung wahr macht, zeitnah nach der Nationalratswahl abzutreten (und wer würde daran zweifeln?), als Altbürgermeister über etwas mehr Wochenfreizeit verfügen.
So ungefähr ab sagen wir einmal Dienstagmittag könnte er dann anhand seines Fallbeispiels in der Wiener SPÖ eine Gebrauchsanleitung zum missglückten Rückzug schreiben. Denn dass er seine Übergabe an einen Nachfolger gründlich vergeigt hat, dürfte dem Wiener Bürgermeister mittlerweile wohl auch selbst bewusst geworden sein.
Während im Linzer Landhaus also am Donnerstag Josef Pühringer unter Tränen das Amt des Landeshauptmanns an seinen langjährigen – man nennt das auch außerhalb der Besuchszeiten von Prinz Charles gerne so – Kronprinzen Thomas Stelzer übergeben durfte, musste sich Häupl wieder von Fragen nerven lassen, wann und wie er seine Nachfolge zu regeln plane. Stelzer war der von Pühringer in Oberösterreich aufgebaute und protegierte Wunschkandidat genau so wie Johanna Mikl-Leitner, Wolfgang Sobotka könnte sicher vieles darüber erzählen, in Niederösterreich die Wunschnachfolgerin Erwin Prölls war. Er sei kein Erbhofbauer, meinte Häupl am Donnerstag zugegeben nicht ganz unoriginell am Rande einer der nicht mehr zu zählenden Fest- und Eventeröffnungen auf dem Rathausplatz.
Schon, schon, aber auch in Wien gibt es für alle, deren Sicht nicht durch ideologische Scheuklappen gefährlich eingeschränkt ist, längst so etwas wie einen logischen Nachfolger an der Spitze der Wiener SPÖ: Michael Ludwig. Die mittlerweile freiwillig, so die offizielle Sprachregelung (und wieder: Wer würde daran zweifeln?), aus der Wiener Stadtpolitik ausgeschiedene Sonja Wehsely hatte nie eine reale Chance, bei einem Parteitag eine Mehrheit als Nachfolgerin Michael Häupls zu erhalten. Auch wenn das rote Frauennetzwerke ein wenig anders sehen mögen.
Doch kommen wir zurück zu Michael Ludwig. Der hat als Wohnstadtrat bei Übernahme des schweren Erbes seines Vorgängers, eines gewissen Werner Faymann, bei Wiener Wohnen bella figura gemacht. Dass dort noch immer hinsichtlich Effizienz und Transparenz Luft nach oben ist, soll um der Wahrhaftigkeit willen nicht verschwiegen werden. Ludwig wäre es aber zuzutrauen, der Wiener SPÖ eine Breite zurückzugeben, die verloren gegangen ist, und ohne die Christian Kern seinen Sessel im Kanzleramt wohl räumen muss. I nteressant, dass Michael Häupl intern versichert hat, sich in die Nachfolgedebatte nicht einmischen zu wollen. Das ist nicht nur keine Empfehlung für den Mann, der seit einem Jahrzehnt an seiner Seite arbeitet. Das ist geradezu als Misstrauensvotum gegen Michael Ludwig zu verstehen. Denn indirekt spornt Michael Häupl damit jene an, die Michael Ludwig als einen Rechtsverbinder (oh mein Gott!) sehen und in semisektiererischen Zirkeln von einem prononciert linken Kandidaten fantasieren.
Was weiß also Michael Häupl über Michael Ludwig, was wir nicht wissen? Weshalb unterstützt der Bürgermeister nicht offensiv dessen Kandidatur, die der Floridsdorfer Bezirkschef für den Tag X angekündigt hat? Von welchen Zweifeln ist Michael Häupl geplagt? Oder weiß er zu gut, dass der Riss in der Partei zu tief ist, um überhaupt noch eine einigermaßen geordnete und stilvolle Machtübergabe zu ermöglichen?
Doch vielleicht ist alles viel einfacher. Michael Häupl könnte nur daran gelegen sein, Maria Vassilakou einen letzten Freundschaftsdienst zu verweigern. Driftet die SPÖ mit Ludwig nicht noch weiter nach links, sondern rückt zur Mitte, eröffnet sich für die Grünen ein Wählersegment, was ein unverhofftes Geschenk für Vassilakou wäre. Aber wahrscheinlich funktioniert es in der Politik wie im wirklichen Leben: Die Wahrscheinlichkeit, dass Entscheidungen rational getroffen werden, wird überbewertet.
Wien. Nun hat nach Josef Pühringer (ÖVP) und Erwin Pröll (ÖVP) mit Michael Häupl (SPÖ) nun auch der letzte große Landesfürst entschieden, wie er seine Nachfolge regeln möchte: nämlich gar nicht.
Häupl hat verlautbart, sein Amt „zeitnah“nach der nächsten Nationalratswahl übergeben zu wollen. Nachfolgeempfehlung will er keine abgeben. Er wolle niemandem die Krone aufsetzen, man werde das dann in den Gremien entscheiden, sagte er. Was betont demokratisch klingt, bedeutet, dass Häupl eine zerstrittene Partei hinterlässt, die sich dann auf einen Kandidaten einigen muss. Bisher ist weder klar, wer das dann verhandeln soll – noch wer diese Kandidaten sein werden. Einer, der sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den Bürgermeisterposten bewerben wird, ist Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Zu seinen Unterstützern zählen Vertreter der Bezirke 11, 13, 15, 17, 19, 21, 22 und 23. Sie versuchen seit Monaten, Druck auf Häupl auszuüben, damit dieser sein Amt abgibt.
Czernohorszky als linker Liebling
Der andere SPÖ-Flügel rund um Finanzstadträtin Renate Brauner und Sozialstadträtin Sandra Frauenberger wird Ludwig zwar mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit nicht unterstützen – ein Gegenkandidat wurde bisher aber auch nicht genannt.
In diesem Lager, vor allem bei den Jungen und der linken Basis, kristallisiert sich immer mehr der Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky als Wunschkandidat heraus. Der 40-Jährige gilt als Verbinder und ist sehr beliebt in allen Lagern. Man erhofft sich darum, für ihn eine Mehrheit bekommen zu können. Davon abgesehen, dass Czernohorszky bisher keine Ambitionen zeigt, sich als Häupl-Nachfolger anzubieten, hätte seine Kandidatur einige Haken: Czernohorszky konnte zwar als Gemeinderat jahrelang politische Erfahrung sammeln – Mitglied der Stadtregierung ist er aber erst seit wenigen Monaten. Was schon das zweite Problem aufwirft: Er müsste zuerst positioniert werden. Dafür ist die Zeit aber knapp – vor allem, wenn die Nationalratswahlen in diesen Herbst vorgezogen werden sollten. Während sich das Ludwig-Lager also schon aufgestellt hat, und eine Mehrheit hinter sich wissen will, reklamiert die noch unschlüssige Gegenseite diese ebenfalls für sich.
Welcher Flügel nun wirklich mehr Rückhalt hat, ist schwer messbar – denn auch die einzelnen Bezirke sind nicht so geschlossen, wie deren Vertreter gern behaupten. Dass die Gräben bis in die unterste Ebene gehen, war atmosphärisch in den vergangenen Monaten spürbar und wird durch die Ergebnisse der Bezirksparteiwahl teils bestätigt. Diese finden alle zwei Jahre statt und werden aktuell in mehreren Bezirken abgehalten.
Manche Bezirke waren diszipliniert: So wurden etwa Brauner und Frauenberger in ihrem Heimatbezirk Margareten mit 87 und 95,6 Prozent gewählt. Der Bezirk gilt historisch als kritisch, beide konnten ihr Wahlergebnis im Vergleich zum letzten Mal verbessern. In der Leopoldstadt wurde nach dem Ausscheiden von Sonja Wehsely aus der Stadtregierung der ehemalige Bezirksvorsteher und jetzige Gemeinderat Gerhard Kubik zum neuen Parteichef gewählt – der Bezirk gilt als links. Liesing und Favoriten zählen zum Ludwig-Lager und stehen hinter ihren Chefs. Nationalratspräsidentin Doris Bures (Liesing) und Kathrin Gaal (Favoriten) beka- men eine sehr hohe Zustimmung mit weit über 90 Prozent. Auch Simmering gilt als Ludwig-affin. Dort ist der Nationalrat Harald Troch Parteichef – der nur 71 Prozent bekam. Es gab aus Protest Streichungen sowie lautstarke Streitereien. Noch mehr eskalierte die Situation im dritten Bezirk, der als Unterstützer des linken Flügels gilt. Gemeinderat Ernst Woller schloss sich aber den HäuplKritikern an und wurde mit nur 51 Prozent und Schreiduellen dafür abgestraft.
Verselbstständigte Basis
Auch Hernals ist nicht geschlossen: Dort ist der Nationalratsabgeordnete Josef Cap Chef – er war mit den Häupl-Kritikern vor zwei Wochen beim Bürgermeister zum Krisengespräch. Er wurde von Bezirksgenossen mit einer Unterschriftenliste aufgefordert, in diesen Belangen künftig in seinem Namen, aber nicht in dem des Bezirks zu sprechen.
Das alles zeigt nicht nur, dass der Konflikt in der zweiten und dritten Reihe angekommen ist, sondern auch, dass er sich immer mehr verselbstständigt. Kadergehorsam funktioniert immer weniger. Und so ist es fraglich, ob der vereinbarte Friede zwischen Häupl und seinen Kritikern nicht nur die Ruhe vor dem Sturm ist – und es trotzdem am 29. April zu unkontrollierten Proteststreichungen kommt – obwohl die Chefs beider Lager angekündigt hatten, einen harmonischen Parteitag zu bevorzugen.