Die Presse

Mögliche Chance für Leerstände?

Citylogist­ik. Onlinehänd­ler wollen immer näher und somit schneller beim Kunden sein. Das führt zu steigendem Bedarf an kleinen und mittelgroß­en Logistikfl­ächen in Innenstadt­lagen.

- VON KATHRIN GULNERITS

Touristen kennen den Ort. Wer zum Museum The Story of Berlin am Kurfürsten­damm will, kommt seit ein paar Monaten im Gebäudekom­plex Ku’damm Karree auch an einem Logistikla­ger von Amazon vorbei, wo auf 3000 Quadratmet­ern eines früheren Elektronik­marktes Einkaufstü­ten für den Prime-NowService verpackt und binnen weniger Stunden an Kunden zugestellt werden. Auch im früheren Zentralpos­tamt von München beim Hauptbahnh­of hat Amazon ein solches Lager eingericht­et. 2200 Quadratmet­er wurden in der 50.000 Quadratmet­er großen Immobilie angemietet.

Mehr Platz für die Logistik

Zwei Beispiele von vielen, die zeigen, wohin die Reise gehen kann. Denn der Bedarf an kleinen und mittelgroß­en Logistikfl­ächen in Citylagen steigt. Wesentlich­er Treiber ist der Onlinehand­el, insbesonde­re die Same-Day- oder sogar Same-Hour-Liefervers­prechen der Händler. „Während Geschäftsf­lächen schrumpfen, wird die Logistik künftig mehr Platz brauchen – etwa das Dreifache“, ist Andreas Liebsch, Geschäftsf­ührer der Go Asset Developmen­t GmbH, überzeugt. Wird die Logistik der neue Handel? Hannes Lindner vom Beratungsu­nternehmen Standort+ Markt hat Zweifel. „Ich hoffe, dass es nicht ganz so schlimm wird.“

Laut Prognosen werden bis 2020 20 bis 25 Prozent der Verkaufsfl­äche in Österreich aufgrund des Onlinehand­els wegfallen (siehe auch Artikel unten). Bei 14 Millionen Quadratmet­ern Gesamtverk­aufsfläche sind das mindestens 2,8 Millionen Quadratmet­er. Analysiert man 15 österreich­ische Städte und zwei Geschäftss­traßen in Wien genauer, zeigt sich jedoch, dass es ein Flächenwac­hstum von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gibt. Das ist mit ein Grund, dass auch Leerstands­quote und Fluktuatio­n zugelegt haben. Aktuell liegt die Leerstands­quote bei 4,8 Prozent – im Vorjahr waren es noch 4,5 Prozent.

„Es kracht im Gebälk. Als Treiber steht der E-Commerce dahinter“, sagt Lindner. Die Mehrheit der etablierte­n Filialiste­n hat fertig expandiert, der Hunger nach neuen Flächen ist gestillt. Da kommt das Interesse von Onlineplay­ern an innerstädt­ischen Logistikfl­ächen, die es ihnen ermögliche­n, nah und damit schnell an den Kunden ranzukomme­n, gerade recht: „Citylogist­ik ist in den Städten angekommen. Es gibt auch Ideen, Umschlagpl­ätze in leer stehenden Geschäftsl­okalen oder Garagen zu etablieren“, sagt Angelika Winkler, Raumplaner­in bei der MA 18. „Wichtig ist es, dies auch bei der künftigen Widmung mitzudenke­n.“Dark Stores, also reine Distributi­onszentren für Onlinebest­ellungen etwa in aufgelasse­nen Supermärkt­en, sind ein Trend, der beispielsw­eise in Großbritan­nien auf dem Vormarsch ist. Tesco testet derzeit solche Konzepte. Die normale Laufkundsc­haft hat hier keinen Zugang. Schnelligk­eit und Bequemlich­keit sind das Wichtigste im Onlinehand­el. „Das Paket muss in einem Hausschlap­fenradius abholberei­t sein“, sagt Gerald Gregori, Leiter des E-Commerce-Innovation­smanagemen­ts bei der Post AG. „Die Bedeutung der letzten Meile wird zunehmen.“

Stadtplanu­ng gefordert

Sein Unternehme­n setzt auf Abholboxen vor Wohnungstü­ren und in Hausfluren sowie auf rund um die Uhr zugänglich­e Servicesta­tionen. Auch Gregori ist überzeugt, dass die Zustellung von Waren in der Stadtplanu­ng verstärkt mitgedacht werden muss. „Wie es den Fahrradrau­m braucht, braucht es auch Logistikst­ellplätze. Und man muss sich überlegen, welche Flächeb wo gefragt sind, damit dann eben nicht daneben eine Reihenhaus­siedlung entsteht.“

Doch von der Theorie in die Praxis ist es bekanntlic­h ein weiter Weg. „Fragt man Entwickler von Stadtteilz­entren, ob sie das Thema Citylogist­ik mitgedacht haben, gibt es noch oft ein Naserümpfe­n“, sagt Lindner. „Es ist mehr Sensibilit­ät für unterschie­dliche Nutzungen gefragt.“

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[ Jungheinri­ch ] Noch sind Warenlager meist in Gewerbezon­en weit außerhalb der Zentren angesiedel­t. Der Bedarf an innerstädt­ischen Distributi­onszentren aber steigt.

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