Mögliche Chance für Leerstände?
Citylogistik. Onlinehändler wollen immer näher und somit schneller beim Kunden sein. Das führt zu steigendem Bedarf an kleinen und mittelgroßen Logistikflächen in Innenstadtlagen.
Touristen kennen den Ort. Wer zum Museum The Story of Berlin am Kurfürstendamm will, kommt seit ein paar Monaten im Gebäudekomplex Ku’damm Karree auch an einem Logistiklager von Amazon vorbei, wo auf 3000 Quadratmetern eines früheren Elektronikmarktes Einkaufstüten für den Prime-NowService verpackt und binnen weniger Stunden an Kunden zugestellt werden. Auch im früheren Zentralpostamt von München beim Hauptbahnhof hat Amazon ein solches Lager eingerichtet. 2200 Quadratmeter wurden in der 50.000 Quadratmeter großen Immobilie angemietet.
Mehr Platz für die Logistik
Zwei Beispiele von vielen, die zeigen, wohin die Reise gehen kann. Denn der Bedarf an kleinen und mittelgroßen Logistikflächen in Citylagen steigt. Wesentlicher Treiber ist der Onlinehandel, insbesondere die Same-Day- oder sogar Same-Hour-Lieferversprechen der Händler. „Während Geschäftsflächen schrumpfen, wird die Logistik künftig mehr Platz brauchen – etwa das Dreifache“, ist Andreas Liebsch, Geschäftsführer der Go Asset Development GmbH, überzeugt. Wird die Logistik der neue Handel? Hannes Lindner vom Beratungsunternehmen Standort+ Markt hat Zweifel. „Ich hoffe, dass es nicht ganz so schlimm wird.“
Laut Prognosen werden bis 2020 20 bis 25 Prozent der Verkaufsfläche in Österreich aufgrund des Onlinehandels wegfallen (siehe auch Artikel unten). Bei 14 Millionen Quadratmetern Gesamtverkaufsfläche sind das mindestens 2,8 Millionen Quadratmeter. Analysiert man 15 österreichische Städte und zwei Geschäftsstraßen in Wien genauer, zeigt sich jedoch, dass es ein Flächenwachstum von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gibt. Das ist mit ein Grund, dass auch Leerstandsquote und Fluktuation zugelegt haben. Aktuell liegt die Leerstandsquote bei 4,8 Prozent – im Vorjahr waren es noch 4,5 Prozent.
„Es kracht im Gebälk. Als Treiber steht der E-Commerce dahinter“, sagt Lindner. Die Mehrheit der etablierten Filialisten hat fertig expandiert, der Hunger nach neuen Flächen ist gestillt. Da kommt das Interesse von Onlineplayern an innerstädtischen Logistikflächen, die es ihnen ermöglichen, nah und damit schnell an den Kunden ranzukommen, gerade recht: „Citylogistik ist in den Städten angekommen. Es gibt auch Ideen, Umschlagplätze in leer stehenden Geschäftslokalen oder Garagen zu etablieren“, sagt Angelika Winkler, Raumplanerin bei der MA 18. „Wichtig ist es, dies auch bei der künftigen Widmung mitzudenken.“Dark Stores, also reine Distributionszentren für Onlinebestellungen etwa in aufgelassenen Supermärkten, sind ein Trend, der beispielsweise in Großbritannien auf dem Vormarsch ist. Tesco testet derzeit solche Konzepte. Die normale Laufkundschaft hat hier keinen Zugang. Schnelligkeit und Bequemlichkeit sind das Wichtigste im Onlinehandel. „Das Paket muss in einem Hausschlapfenradius abholbereit sein“, sagt Gerald Gregori, Leiter des E-Commerce-Innovationsmanagements bei der Post AG. „Die Bedeutung der letzten Meile wird zunehmen.“
Stadtplanung gefordert
Sein Unternehmen setzt auf Abholboxen vor Wohnungstüren und in Hausfluren sowie auf rund um die Uhr zugängliche Servicestationen. Auch Gregori ist überzeugt, dass die Zustellung von Waren in der Stadtplanung verstärkt mitgedacht werden muss. „Wie es den Fahrradraum braucht, braucht es auch Logistikstellplätze. Und man muss sich überlegen, welche Flächeb wo gefragt sind, damit dann eben nicht daneben eine Reihenhaussiedlung entsteht.“
Doch von der Theorie in die Praxis ist es bekanntlich ein weiter Weg. „Fragt man Entwickler von Stadtteilzentren, ob sie das Thema Citylogistik mitgedacht haben, gibt es noch oft ein Naserümpfen“, sagt Lindner. „Es ist mehr Sensibilität für unterschiedliche Nutzungen gefragt.“