Mit Fünfzig schon auf dem Abstellgleis
Altersbeschäftigung. In kaum einem anderen westeuropäischen Land wird das Problem der Altersarbeitslosigkeit so ambitionslos bekämpft wie in Österreich. Hier könnten die Sozialpartner einmal ihre Existenzberechtigung beweisen.
Der Arbeitsmarkt hat sich zuletzt ein wenig stabilisiert, aber eine wirklich große Problemgruppe gibt es noch: Wer älter als 50 ist und seinen Job verliert, hat kaum noch Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Der Weg über Langzeitarbeitslosigkeit in die Altersarmut ist damit vorgezeichnet.
Kein Wunder, dass die Regierung die Bekämpfung dieses Phänomens sozusagen zu einer ihrer Kern-Aufgaben gemacht hat. Allerdings stellen Maßnahmen wie die jüngst kreierte Aktion 20.000, also de facto die vorübergehende Anstellung von 20.000 Langzeitarbeitslosen bei der öffentlichen Hand, für die Betroffenen zwar eine Erleichterung dar, sind insgesamt aber viel zu passiv aufgesetzt. Vor allem aber: Sie werden das Problem nicht lösen.
Das liegt in Österreich wesentlich tiefer. Altersarbeitslosigkeit ist zwar kein spezifisch alpenländisches Problem, aber es gibt nur wenige Länder, wo es so gravierend ist. Wir haben im EU-Vergleich eine insgesamt weit überdurchschnittliche Beschäftigungsquote, bei der Beschäftigung von 55- bis 64-Jährigen liegen wir aber (siehe obige Grafik) blamablerwei- se recht deutlich unter dem EUSchnitt. Da spielen wir in einer Liga mit Spanien, Ungarn und Polen. Und: Während die Altersarbeitslosigkeit in Deutschland seit Jahren zurückgeht, steigt sie bei uns relativ kräftig weiter.
Wir haben es also hier mit einem Phänomen zu tun, das von der allgemeinen Arbeitsmarktsituation in Österreich abgekoppelt ist. Und zwar in negativer Hinsicht.
Das hat einen klaren Grund: Der Arbeitsmarkt ist, im Gegensatz zu erfolgreichen nordeuropäischen Ländern, auf das vermehrte Auftreten älterer Arbeitssuchender nicht vorbereitet. Es gibt die Altersarbeitsplätze nicht – und es gibt auch noch keine erkennbare Bereitschaft, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen.
Daran ist allerdings weniger die Regierung schuld, es sind vielmehr die Sozialpartner. Diese leben noch immer in der Welt des vorigen Jahrzehnts, als der stillschweigende Arbeitnehmer-Arbeitgeberpakt noch funktionierte, das Problem per Frühpensionierung der Allgemeinheit umzuhängen. Die öffentliche Hand und ihre Unternehmen (Bahn, Post und Telekom) haben mit Einverständnis praktisch aller Parlamentsparteien und der Ge- werkschaft ihren Personalabbau fast ausschließlich per„ betriebsbedingter Pensionierung“betrieben– und damit weitgehend erst das Pensionsf in anzierungs problem geschaffen, zu dessen Bekämpfung sie jetzt ausrücken.
Und in der Privatwirtschaft hat ein stillschweigender Pakt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern dafür gesorgt, dass typische Probleme mit älteren Mitarbeitern (zu teuer, nachlassende Leistungsfähigkeit) auf Kosten Dritter per Frühpension gelöst wurden. Seit diese Wege verstopft sind, finden sich frühere Anwärter auf die Frühpension eben in der Arbeitslosenstatistik wieder.
Dieses Problem lässt sich mit der Anstellung von Arbeitslosen bei der öffentlichen Hand nicht lösen. Da müssen die Sozialpartner ran. Und zwar so: Gewerkschaften und Unternehmerverbände haben auf die Mentalität ihrer Schäfchen einzuwirken, um unhaltbare Vorurteile abzubauen. Wenn in Schweden drei Viertel und in Deutschland zwei Drittel aller 55- bis 64-Jährigen noch zur Arbeit gehen (in Österreich sind es mickrige 46,3 Prozent), dann lässt sich das hierzulande sorgsam gepflegte Vorurteil, dass über Fünfzigjährige für den Arbeitsmarkt mangels Können und Wollen kaum noch brauchbar sind, nicht aufrecht erhalten. Die Sozialpartner haben sich über eine realitätsnähere Ausgestaltung von Kollektivverträgen (etwa bei der Gestaltung der Lebenslohnkurven, die derzeit vor allem ältere Angestellte schnell zu teuer machen) zu unterhalten. Und über die Gestaltung von altersgerechten Arbeitsplätzen und Karriereverläufen. Da kann man ruhig in Skandinavien und neuerdings auch in Deutschland abkupfern, dort funktioniert das schon. Die Sozialpartner haben sich auch über permanente Qualifizierungsmaßnahmen (lebenslanges Lernen) mehr Gedanken zu machen. Damit fällt dann das Argument weg, Ältere seien wegen ver- alteten Wissens oder zu geringer Flexibilität nicht mehr einstellbar. Und sie haben ihre bestehenden Initiativen in Sachen Krankheitsprävention deutlich zu verstärken.
Man muss hier, wie gesagt, die Welt nicht mehr neu erfinden. Das alles funktioniert in vielen Ländern schon hervorragend. In Österreich leider noch nicht. Die Anstellung von Arbeitslosen beim Staat, wie das die Aktion 20.000 vorsieht, kann als vorübergehende Akutmaßnahme zwar durchaus argumentierbar sein. Sie unterscheidet sich in einem Punkt aber nicht von der Frühpensionierung: Sie löst das Problem nicht einmal ansatzweise, sondern verschiebt es nur.
Jetzt sollten einmal die Sozialpartner beweisen, dass sie noch Existenzberechtigung besitzen. Dass es in Schweden nur einen sehr geringen Unterschied zwischen den Beschäftigungsquoten von Alten und Jungen gibt, während in Österreich Welten dazwischenliegen, ist jedenfalls eine Schande, für die sich vor allem Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen genieren sollten.