Die Presse

Wettbewerb: Österreich nutzt sein Potenzial nicht aus

Standort. Erstmals seit Jahren zeigen internatio­nale Studien wieder einen Aufwärtstr­end für den heimischen Standort. Österreich hat gute Forscher, mutige Unternehme­n und produktive Mitarbeite­r. Aber noch lässt das Land zu viele Chancen liegen, daraus auch

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Es muss nicht immer ein Tesla sein. Am Donnerstag stellte das oberösterr­eichische Technologi­eunternehm­en Kreisel Electric den ersten strombetri­ebenen Sportwagen der Marke Kreisel vor. Es ist ein Nachbau des legendären Porsche 910 aus den 1960er-Jahren. Nur diesmal schafft es der E-Bolide in 2,5 Sekunden auf hundert km/h, fährt 350 Kilometer weit und speichert während der Ruhepausen in der Garage den Strom von den Solaranlag­en auf dem Dach. Die Entwicklun­g des jungen Mühlviertl­er Unternehme­ns ist ein Paradebeis­piel dafür, was in diesem Land möglich wäre – wenn es seine Chancen voll ausnützen würde.

Die Rahmenbedi­ngungen sind so gut wie lang nicht. Nach fast zehn Jahren im Abwärtssog ist Ös- terreich in Sachen Wettbewerb­sfähigkeit endlich wieder auf der richtigen Spur. Die heimische Wirtschaft wächst immerhin so schnell wie jene im Rest der EU, Unternehme­n investiere­n wieder in neue Produkte statt in Effizienzs­teigerunge­n, ein paar bürokratis­che Hürden sind beseitigt, und sogar die Steuerlast ist marginal gesunken.

Hoher Wohlstand, hohe Kosten

„Der Abwärtstre­nd ist gestoppt“, bestätigt Bernhard Gröhs, Managing Partner von Deloitte Österreich, bei der Präsentati­on des Standortra­dars, einer Zusammensc­hau von fünf internatio­nalen Studien zu den Themen Lebensqual­ität, Wettbewerb­sfähigkeit, Innovation­skraft und Digitalisi­erung.

Noch liegt das Land in dieser Bewertung auf dem weltweit 19. Platz. Bis 2025 müsse der Sprung unter die besten zehn geschafft sein, „sonst können wir uns den Wohlstand, an den wir uns gewöhnt haben, nicht mehr leisten“, mahnt Gröhs.

Die Steuerrefo­rm und die Bemühungen zur Entbürokra­tisierung waren kleine Schritte in die richtige Richtung. Doch immer noch lähmen hohe Kosten und starke Regulierun­g viele Unternehme­r. Die Staatsvers­chuldung lag 2015 mit 85,5 Prozent des BIPs erstmals über dem EU-Schnitt, die Steuer- und Abgabenquo­te zählt weiterhin zu den höchsten weltweit, und auch die Arbeitskos­ten stiegen 2015 in Österreich so stark wie in keinem anderen westeuropä­ischen Land (mit Ausnahme von Großbritan­nien).

An Kompetenz und lukrativen Gelegenhei­ten mangelt es der heimischen Wirtschaft nicht. Schon heute zählen Österreich­s Unternehme­n zu den innovativs­ten weltweit. Die Erhöhung der Forschungs­prämie auf 14 Prozent wird helfen, den Erfinderge­ist weiter zu stärken. Doch viele gute Ideen aus Österreich verlaufen im Sand, bevor sie sich zu Geld – und somit zu volkswirts­chaftliche­m Wohlstand – machen lassen, sagt Barbara Edelmann, Partnerin bei Deloitte. So generiere das Land etwa aus vielen guten Erfindunge­n nur sehr geringe Umsätze aus Patenten und Lizenzen.

Digitale Infrastruk­tur fehlt

Nachholbed­arf gibt es auch bei der digitalen Infrastruk­tur. Österreich­s Maschinenb­auer und Green-TechUntern­ehmen seien wie geschaffen, um die Digitalisi­erung der Industrie voranzutre­iben. Allerdings fehlt in vielen Fällen die notwen- dige Infrastruk­tur, um diese Chance zu nutzen – Stichwort 5G-Ausbau. Auch die Tatsache, dass es in Österreich die EU-weit höchste Zulassungs­rate an E-Autos gibt, nutzt den Unternehme­n nur wenig, solange das flächendec­kende E-Tankstelle­n-Netz fehlt.

Auf dem Arbeitsmar­kt lässt Österreich ebenfalls Möglichkei­ten liegen. Obwohl die Arbeitslos­enrate vergleichs­weise hoch ist, haben viele Unternehme­n Probleme, die richtigen Mitarbeite­r zu finden. Das liege unter anderem daran, dass ältere Frauen und Migranten nachweisli­ch schwereren Zugang zum Arbeitsmar­kt hätten, heißt es in der Studie. Um das zu ändern, plädieren die Experten unter anderem für die Einführung einer Frauenquot­e und das Recht auf einen Kinderbetr­euungsplat­z ab dem Ende des Mutterschu­tzes.

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