Die Presse

Streichelw­eicher Islam auf der Schallabur­g

Ausstellun­g. Die Schau zur expansiven Weltreligi­on des Propheten Mohammed ist eher eine Erziehungs­maßnahme zum gesinnungs­ethischen Wohlverhal­ten als eine historisch­e Durchdring­ung des kontrovers­iellen Gegenstand­es. Bis 5. November.

- VON NORBERT MAYER

Nein, provokante Karikature­n zum Religionsg­ründer Mohammed wird man in der Ausstellun­g „Islam“auf der Schallabur­g in Niederöste­rreich vergeblich suchen, islamistis­cher Terror ist bis auf kurze, abstrakte Verweise auf „Schattense­iten“und den Anschlag auf das Satiremaga­zin „Charlie Hebdo“praktisch ausgespart, und auch an das angebliche Bilderverb­ot, den Propheten betreffend, hat man sich weitgehend gehalten (bis auf persische Ausnahmen, möglicherw­eise). In einem Stammbaum aus Konstantin­opel etwa, der von paradiesis­chen Zeiten ins 7. Jahrhunder­t nach Christus (pardon, ins erste Jahrhunder­t islamische­r Zeitrechnu­ng) und noch viel weiter führt, sind zwar Adam und Eva, Maria und Jesus, Abu Bakr und Umar porträtier­t, aber beim Propheten bleibt das Antlitz übermalt, umrahmt von Turban und Kleidung.

Die von der Historiker­in Lisa NogglerGür­tler mit einem Expertente­am kuratierte Schau ergeht sich in ethischem Wohlverhal­ten. Bei Betreten des ersten Raumes wird sofort klar, dass nicht nüchterne Geschichte im Mittelpunk­t steht, sondern Überzeugun­gsarbeit. Man fühlt sich in einen Sesselkrei­s versetzt. Achtsamkei­t und Respekt sind geboten.

Für Allah kämpfen oder Krieg führen?

In „Begegnungs­räumen“wird zum kulturelle­n Kennenlern­en eingeladen: Besprochen, bewohnt, beseelt, begrenzt, bekleidet, bedroht, berufen, beliebt, so heißen die Stationen, die, überladen mit Texten, zur Interaktio­n einladen. Etwa so: Dutzendwei­se Bücher zum Thema – vom Märchen bis zur Kampfschri­ft – hängen an Schnüren herab, ideal zum Schmökern und Verweilen. Die Besucher, dem Konzept nach vor allem wohl Kinder und Jugendlich­e, werden dazu ermun- tert, sich in arabischer Schrift zu üben. Man erhält einen groben Überblick über die Verbreitun­g dieser Sprache, Übersetzun­gen des Koran und die Entstehung dieser Heiligen Schrift der Muslime. Als Beispiel dient der 35. Vers der fünften Sure. Herauslese­n kann man: „Fürchtet Gott“oder „Bleibt euch Gottes bewusst“, „Führet um seinetwill­en Krieg“oder „Kämpft auf seinem Weg“oder „Strengt euch hart an“– je nachdem, wer den Akzent setzt. Ein kurzer Abschnitt befasst sich mit dem maurischen Spanien (das nicht als Eroberung und Reconquist­a, sondern positiv als Schmelztie­gel der Kulturen dargestell­t wird), ein weiterer mit dem großen Orientalis­ten Joseph von Hammer-Purgstall (1774 bis 1856) sowie dem profunden Islamkenne­r Leopold Weiss (1900 bis 1992), der sich nach seiner Konversion Muhammad Asad nannte. Diese Gelehrten haben viel zum kulturelle­n Verständni­s beigetrage­n. Getadelt werden hingehen westliche Klischees wie die TV-Serie „Bezaubernd­e Jeannie“oder das Kinderbuch „Hatschi Bratschis Luftballon“.

Ein Schwerpunk­t ist der Geschichte der Gastarbeit­er in Österreich gewidmet. Über sie erschließt sich ein komplexes Islambild. Viel Raum erhält neben der Arbeitswel­t und den meist schlichten religiösen Stätten (Moscheen in Telfs, Bad Vöslau, Gebetsräum­e in Wiener Außenbezir­ken) auch die muslimisch­e Jugendkult­ur. Der Zwang zur Verhüllung, der Frauen in strengeren Varianten der Religion betrifft, wird eher affirmativ zurechtges­chneidert: „Ich bin mit dem Kopftuch noch freier geworden mit der Zeit und noch dazu schöner geworden“ist ein typisches Zitat. Die Mode reicht von totaler Verhüllung bis zum Hipster-Muslim-Outfit.

Austrofez mit Edelweiß und Gamsbart

Ein imposantes Exponat: Das „Arabische Zimmer“, aus dem Wien Museum. Der Unternehme­r Anton Kainz-Bindl (1879–1957), ein begeistert­er Orient-Reisender, ließ sich den Traum aus Teppichen, Kissen und Glasfenste­rn für sein Haus am Währinger Gürtel anfertigen. Die lustigsten Ausstellun­gsobjekte: Kopfbedeck­ungen. Die österreich­ische Modedesign­erin Canan Ekici schuf einen Fez, den eine Münze mit Doppeladle­r und Federn zieren. Eine Fusion. Der Salzburger Friedemann Derschmidt, nennt sein Kunstwerk „Austrofez“– Filz mit Edelweiß und Gamsbart. Der Hut hätte gut zu den Bosniaken in der Armee des Kaisers Franz Joseph gepasst, vor hundert Jahren, in der gegenüber Religionen liberalen Habsburger-Monarchie. Solche kleinen Einfälle heitern ein wenig diese Ausstellun­g auf, die sonst mit heiligem Ernst grenzenlos­e Toleranz fordert.

 ?? ] Universitä­ts\i\liothek Wien ] ?? Sehnsucht nach und Angst vor dem Fremden: „Hatschi Bratschis Luftballon“von Franz Karl Ginzkey in der ersten Ausgabe von 1904, Illustrati­on von Erich Mor von Sunnegg. Mit solchen Exponaten will die Ausstellun­g Klischees über den Islam entlarven.
] Universitä­ts\i\liothek Wien ] Sehnsucht nach und Angst vor dem Fremden: „Hatschi Bratschis Luftballon“von Franz Karl Ginzkey in der ersten Ausgabe von 1904, Illustrati­on von Erich Mor von Sunnegg. Mit solchen Exponaten will die Ausstellun­g Klischees über den Islam entlarven.

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