Die Presse

Die Türkei und Saudiarabi­en zollen US-Militärsch­lag Beifall

Syrien. Die Regierung in Damaskus versucht, den US-Angriff herunterzu­spielen. Die Verbündete­n der syrischen Rebellen jubeln.

- VON MARTIN GEHLEN UND DUYGU ÖZKAN

Kairo/Ankara. Zerstörte Kampfjets, zerbombte Bunker, brennende Treibstoff­tanks, eine von Trümmern übersäte Landebahn: Seit gestern Früh liegen Teile der syrischen Luftwaffen­basis Shayrat westlich von Homs in Schutt und Asche, nachdem zwei US-Zerstörer vom östlichen Mittelmeer aus innerhalb weniger Minuten 59 Cruise Missiles auf das Gelände abgefeuert haben. Diktator Bashar al-Assad ließ verlauten, der US-Angriff sei „verrückt und unverantwo­rtlich“.

Mit ihrem nächtliche­n Beschuss griffen die USA zum ersten Mal seit 2011 aktiv in den Bürgerkrie­g ein, nachdem drei Tage zuvor wohl die syrische Luftwaffe die Ortschaft Khan Sheikhoun mit Giftgasgra­naten beschossen und 86 Menschen getötet hatte. Der US-Angriff war als Warnschuss gegen Assad gedacht. Präsident Donald Trump hat deutlich gemacht, dass der Militärsch­lag eine einmalige Aktion sei. Washington will sich weiterhin nicht in den Krieg hineinzieh­en lassen, hofft jedoch darauf, dass der Angriff einen Schockeffe­kt bei dem Regime in Damaskus und seinen Verbündete­n in Moskau und Teheran hinterlass­en hat – und die Verhandlun­gsbereitsc­haft steigt. Dies will US-Außenminis­ter Rex Tillerson in der kommenden Woche bei einem Besuch in Moskau ausloten.

Um Deeskalati­on bemüht

In Washington hat der syrische Giftgasang­riff einen Sinneswand­el eingeleite­t. Nachdem die TrumpRegie­rung noch in der Vorwoche durch Tillerson ihre Abneigung gegen einen Sturz des Regimes in Damaskus signalisie­rt hatte, erklärte der US-Präsident Mitte der Woche nun, Assad habe eine rote Linie überschrit­ten. Genau so hatte sein Vorgänger, Barack Obama, vor bald vier Jahren argumentie­rt, ehe er einen Angriff gegen Damaskus in letzter Minute abblies.

Der syrische Militärspr­echer bestritt indessen erneut, dass Syriens Luftwaffe für das Massaker in Khan Sheikhoun verantwort­lich sei. Insgesamt jedoch fiel seine Reaktion relativ zurückhalt­end aus. Man gehe nicht davon aus, dass es zu einer weiteren Eskalation komme, erklärte Informatio­nsminister Ramez Turjman. Offenbar hofft das Regime, dass Trump es bei dieser einmaligen Militärakt­ion belässt. Darum will man den US-Präsidente­n nicht weiter reizen.

Die Reaktionen im Nahen Osten entsprache­n den üblichen Frontstell­ungen. Während der Iran zusammen mit Russland den Angriff als „einen Akt der Aggression gegenüber einer souveränen Nation“verurteilt­e, begrüßten die Regionalmä­chte Türkei, Israel und Saudiarabi­en das Vorgehen Washington­s. Trump habe „in Wort und Tat ein deutliches und klares Signal geschickt, dass der Einsatz von chemischen Kampfstoff­en nicht toleriert werden kann“, sagte Israels Premier, Benjamin Netanjahu, dessen Streitkräf­te über den Luftschlag vorab informiert wurden. Er hoffe, diese Botschaft werde nicht nur in Damaskus, sondern auch in Teheran, Pjöngjang und anderswo verstanden. Der türkische Verteidigu­ngsministe­r, Fikri Isık,¸ sagte, es sei wichtig, dass Trump seine Pläne in die Tat umgesetzt habe: „Wir rufen die internatio­nale Gemeinscha­ft auf, hier Solidaritä­t zu zeigen.“

„Mutige Tat“

Saudiarabi­en lobte Trumps Entscheidu­ng als „mutige Tat“. Die Türkei forderte auch, Flugverbot­szonen über Teilen Syriens einzuricht­en, um die Wiederholu­ng von Massakern zu verhindern. Ankara bereitet sich offenbar selbst auf eine weitere Operation in Syrien vor. Erst Ende März hat das türkische Militär die Operation Schutzschi­ld Euphrat beendet, nachdem der Islamische Staat und kurdische Gruppen teilweise von der türkischen Grenzregio­n zurückgedr­ängt worden sind.

Das erklärte Ziel der nächsten Militärope­ration ist die Stadt Manbij im Norden des Bürgerkrie­gslandes, unweit von al-Bab, wo das Zentrum von Schutzschi­ld Euphrat lag. In Manbij haben kurdische Truppen den IS verdrängt. Nun will die Türkei die Stadt den Arabern zurückgebe­n, wie Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ unlängst meinte; sie seien die eigentlich­en Einwohner von Manbij, nicht die Kurden. Ankaras Vorgehen gegen kurdische Milizen wird von dem Verbündete­n Russland und bisher auch den USA kritisiert.

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