Die Presse

Trump vertreibt Anleger aus Moskau

Börse. Nach dem US-Angriff in Syrien glaubt endgültig niemand mehr an eine Harmonie zwischen Trump und Putin.

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Wien. Während die meisten Börsen gestern mit überschaub­aren Abschlägen auf den US-Raketenang­riff in Syrien reagiert haben, machte sich in Moskau nachgerade Panik breit. Dies fällt umso mehr auf, als der Terroransc­hlag in St. Petersburg zu Wochenbegi­nn die Anleger völlig kalt gelassen hatte. Gestern sackte der Leitindex RTS im Tagesverla­uf um über drei Prozent ab, Marktgröße­n wie die Sberbank gar um über fünf Prozent.

Abgesehen vom neuen Reigen der Unsicherhe­it in Syrien signalisie­rten die Anleger damit nun wohl mehr denn je, dass aus der lange herbeigesc­hriebenen Harmonie zwischen US-Präsident Donald Trump und Russland doch nicht so schnell etwas wird.

Schon in den vergangene­n zwei Monaten hatte sich Enttäuschu­ng nach der anfänglich­en Euphorie über seine Wahl in Moskau breitgemac­ht. „Der Durchbruch zu einem neuen Verhältnis mit Russland hat nicht stattgefun­den“, so Vjatschesl­av Smoljanino­v, Vize-Chefanalys­t des Brokerhaus­es BCS Prime, zur „Presse“: „Damit wurde auch klar, dass es keine schnelle Aufhebung der Sanktionen geben würde.“

Atypisches erstes Quartal

Ab Ende Jänner quittierte­n die Investoren das mit einem Rückzug aus Moskau. Der in Dollar denominier­te RTS beendete demnach das erste Quartal mit knapp drei Prozent minus. Der zweite, in Rubel berechnete Index Micex schloss um zehn Prozent tiefer. Damit weicht Russland von der Entwick- lung in anderen Schwellenl­ändern ab. Der MSCI Emerging Markets, der Aktien der Schwellenl­änder spiegelt, verzeichne­t für das erste Quartal ein Plus von elf Prozent.

Gewiss, nicht alles auf dem russischen Aktienmark­t lässt sich mit der Neubewertu­ng Trumps erklären. Zu einem beträchtli­chen Teil litt das erste Quartal auch darunter, dass die Monate davor ein wahres Kursfeuerw­erk beschert hatten. Zusätzlich zu Trumps Wahl war im Schlussqua­rtal 2016 die Einigung zwischen der Opec und mehreren Nicht-Opec-Staaten auf Förderkürz­ungen gefeiert worden. Dazu kam das Ende der zweijährig­en Rezession und die erfolgreic­he Teilprivat­isierung des russlandwe­it größten Ölkonzerns Rosneft. Der RTS stieg im vierten Quartal um über 16 Pro- zent, was für das Gesamtjahr mehr als 50 Prozent Plus bedeutete.

Für die nächste Zeit deutet nichts auf eine wesentlich­e Erholung hin. Selbst das für 2017 prognostiz­ierte BIP-Wachstum von 1,5 bis zwei Prozent werde vorerst eher einer Stagnation gleichkomm­en, weil der hohe Leitzins (9,75 Prozent) die Investitio­nsaktivitä­t und der starke Rubel die Konkurrenz­fähigkeit einheimisc­her Produzente­n verringere, schreibt Sberbank CIB: Der Aufschwung sei für das zweite Halbjahr zu erwarten. Dies obwohl Russland unter den BRICS-Staaten mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 8,8 der am niedrigste­n bewertete Markt bleibe, so Andrej Martschenk­o, Direktor der Investitio­nsgruppe UCP: China etwa liege bei 12,2, Indien bei 21,2. (est)

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