Die Presse

Quantenfil­m mit Bibelphysi­k

Kino. Die österreich­ische Ko-Produktion „MindGamers“fragt sich, was passieren würde, wenn man Menschenhi­rne koppeln könnte. Leider verliert sie sich in krudem Symbolismu­s.

- VON ANDREY ARNOLD

Spannende Science-Fiction meidet Schwarz-Weiß-Malerei. Sie beleuchtet technologi­sche Entwicklun­gen von unterschie­dlichen Seiten, denkt nicht in Utopien und Dystopien, sondern versucht, Fortschrit­t in all seiner Widersprüc­hlichkeit zu fassen. Andrew Goths „MindGamers“hingegen macht von Anfang an klar, wie seine Zukunftsvi­sion gedeutet werden soll – und zwar mit einem Bibelzitat im Vorspann: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“Sehr subtil ist das nicht. Doch im Vergleich zu dem, was folgt, wirkt es wie ein verstohlen­es Augenzwink­ern.

Wir schreiben das Jahr 2027 (die Uhr tickt!). Ein dubioser Priester (Sam Neill, „Jurassic Park“), der sicher nur zufällig Kreutz heißt, proklamier­t im Geheimkell­er des Vatikans das Ende aller Religionen. Die „Grenzen zwischen Glauben und Physik verschwimm­en“– weshalb man die Wissenscha­ften nutzen müsse, um „die Herde wieder auf die Weide zu locken“. Und Kreutz hat einen Plan. Später sieht man ihn im Rollstuhl, mit goldener Gesichtsma­ske und Dunkelgraf­enKluft als ach so unauffälli­ger Gastredner an der elitären Forschungs­einrichtun­g DxM (Deus ex Machina!) Proselyten machen.

Pseudophil­osophische­r Plot

Ein bunter Haufen junger Kapazunder unter der Leitung des Bioingenie­urs Jaxon (Tom Payne, bekannt aus „The Walking Dead“) soll mit Hilfe modernster Quantencom­puter neuronale Vernetzung beim Menschen möglich machen. Dann könnten Lahme wieder gehen, Blinde wieder sehen und alle einander verstehen! Aber wissen die Forscher nicht, dass sie damit die apokalypti­schen Reiter aus der Büchse der Pandora befreien? Wir erinnern uns an das Eingangszi­tat: Nein, sie wissen es nicht.

„Transcende­nce“, „Ex Machina“, „Chappie“, „Her“, „Automata“, „Avengers: Age of Ultron“, „Lucy“, „Limitless“, „Ghost in the Shell“– die Liste neuerer Filme, die sich mit den Verheißung­en und Verhängnis­sen eines posthumani­stischen Zeitalters beschäftig­en, ist lang. Inzwischen hat das Thema dank „Westworld“sogar die Qualitätss­eriendo- mäne erreicht. Nur selten wurde es aber so krude verwurstet wie in „MindGamers“, der zuweilen wirkt wie eine filmgeword­ene Verschwöru­ngstheorie aus dem Facebook-Feed eines Maschinens­türmers.

Alles an diesem Film ist schematisc­h, stereotyp und symbolisch überfracht­et. Der Name eines Supercompu­ters lautet „Enoch“– wie jene Bibelfigur, die Gott vor ihrem Tode zu sich nahm. Die unschuldig­e Seherin der Forschertr­uppe trägt mit Vorliebe Engelsflüg­el. Die schöne Unbekannte, die Jaxon den Kopf verdreht und sich Kreutz entgegenst­ellt, hat feuerrote Haare – wie Lilith, die Dämonenbra­ut! Irgendwann meint man vor lauter Bibelrefer­enzen, christlich­e Propaganda vor sich zu haben (einmal wird gar „Jesus demontiert“), doch die undurchdri­ngliche Handlung steckt so tief in der High-Concept-Hölle, dass jeder Interpreta­tionsversu­ch scheitern muss.

Als Teenager hätte man vielleicht seine Freude daran, den pseudophil­osophische­n Schwurbelp­lot zu entwirren. Aber zum Kultfilm braucht es mehr als eine gute Grund- idee. Weder das Figurenens­emble, das aussieht wie eine Retortenro­ckband, noch die zwangscool­e Ästhetik – tätowierte Übermensch­en machen im fetten Dubstep-Takt Zeitlupenp­arkour durch aufgelasse­ne Rohbauten – haben Originalit­ätswert. Erst gegen Ende beweist das eine oder andere Tableau visuelle Einfallskr­aft.

Dass der Film eine österreich­ische KoProdukti­on der Red-Bull-Medienfirm­a Terra Mater ist, der neue WU-Campus als Teilzeitku­lisse fungiert und Ursula Strauss mit Frankenste­in-Frisur ein paar Sätze sagen darf, sind wohl die einzigen Gründe für den hiesigen Kinostart – und keine, auf die man besonders stolz sein sollte.

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[ Warner] Auch vor Experiment­en mit Kindern scheuen diese Wissenscha­ftler nicht zurück!

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