Die Presse

Ödön von Horv´aths Volksstück über Rechtsruck in Wiener Vorstadtma­nier

Theater. Hausherr Harald Posch inszeniert im Werk X in Meidling eine aktuelle Variante von „Italienisc­he Nacht“– Plakatives ersetzt Subtilität.

- VON NORBERT MAYER

In sieben Bildern zeigt Ödön von Horvaths´ 1931 triumphal im Theater am Schiffbaue­rdamm in Berlin uraufgefüh­rtes Volksstück „Italienisc­he Nacht“die wachsende Konfrontat­ion zwischen Linken und Nationalso­zialisten. Diese illusionsl­ose Farce spielt in einem Gasthaus in Oberbayern, jedenfalls diente ein Vorfall in Murnau als Vorbild. Die Sozialiste­n sind eher mit internem Streit beschäftig­t als mit dem gefährlich erstarkten politische­n Gegner – man erfährt ebenso viel über Gesinnung wie über deren Mangel.

Regisseur Harald Posch hat die Handlung ins heutige Wien verlegt, mit Aktualität angereiche­rt, doch viel vom Originalte­xt behalten. Die Uraufführu­ng von „Demokratis­che Nacht – du Prolet!“am Donnerstag hatte starke Momente vor allem dann, wenn sie Horvaths´ hintersinn­ige Sprache wirken ließ. Der Abend verliert jedoch, wenn Wiener Zustände allzu sehr mit dem Holzhammer bearbeitet werden oder allzu plump Prekariat vorgeführt wird. Es gibt beträchtli­ch viele Flachwitze, auch ein rassistisc­hes Lied. Und neue Zitate, etwa von der FPÖ (Norbert Hofers Porträt auf einem Wahlplakat wird mit einem Hitler-Bart versehen). Slogans voller Hass schockiere­n. Das junge Ensemble agiert beherzt, mit Hang zur Outrage – es wird in 80 Minuten oft vulgär herumgebrü­llt. Nicht immer ist das zum Vorteil für das Verständni­s, so gehen einige Gags daneben.

Sadismus an der Pissoirrin­ne

Derb ist auch die Bühnenauss­tattung von Gerhard Fresacher: im Hintergrun­d ein Festzelt mit groben Klappbänke­n und Tischen, mit Discokugel und Sexpuppe. Dominant sind vorn eine Pissoirrin­ne und zwei mobile Toiletten. Die müssen für manche besoffene Aktion herhalten, für Kletterübu­ngen oder für Sadismus: Da wird etwa eine Frau ins Urinal getaucht. Ein jeder hat Gelegenhei­t, sich an der Rampe zu produziere­n. Simon Alois Huber spielt den radfahrend­en grünen Fundi Karl, Wojo van Brouwer einen Stadtrat, der die Gesinnung offenbar so ansatzlos wechselt wie seine rote gegen eine blaue Krawatte. Ein aufstreben­der junger Linker (Dennis Cubic) und eine engagierte Frau mit Migrations­hintergrun­d (Zeynep Buyrac)¸ absolviere­n ebenfalls Reden im Stakkato. Herausrage­nd, weil sie am differenzi­ertesten spielt, ist Laura Mitzkus. Vorherrsch­end sind Trash, Chaos, Grauslichk­eiten und Triebhafte­s. Allgemeine­r Sarkasmus tröstet über die Zustände hinweg.

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