Wenn Wörter einwandern Vom Umgang mit Fremdem
Lebende Sprachen. Tag für Tag wimmelt es in der „Presse“von Fremdwörtern. Ärgerlich dann, wenn sie unbedacht verwendet werden.
Kaum habe ich obige zwei Sätze geschrieben, gestehe ich einen Absturz bei einem unfreiwilligen Selbsttest ein: Der zweite Satz hat in der Urfassung gelautet: „Ärgerlich, wenn sie unreflektiert verwendet werden.“Das wäre nicht falsch und sogar treffend und würde jeder Kritik standhalten. Doch das deutsche Wort unbedacht sagt genauso viel aus. Für „unreflektiert“wird eine ganze Latte von Synonymen (schon wieder ein Fremdwort!) zur Wahl gestellt: kopflos, planlos, unkritisch, wirr, unüberlegt. Unterschiede in der Bedeutung sind erkenn-, aber nicht messbar.
Die Massenzuwanderung fremder Wörter schwillt an, hat aber jahrhundertelange Tradition, außerdem sterben viele Fremdwörter auch unauffällig aus. Jedermann kennt Minarette, Kebabs, und nicht nur die Gföhler wissen, was ein Stupa ist. Sehr oft gibt es sprachlich eine „Integration“. Es sei „alles präzise getimt“, steht in der „Presse“(25. 3.). Schreibt man das so, oder sollte dem Englischen ein Tribut mit Abschlag gezahlt werden? Dann käme wohl „getimed“heraus. Der „Duden“empfiehlt getimt. Vielen Fremdwörtern wird nämlich die deutsche Grammatik aufgezwungen. Dann wird recycelt und downgeloadet. Die Sportseiten scheinen ohne Cups, Capitals, Beachvolleyball, Keepers und Play-off-Siege nicht auszukommen. Ich freue mich aber, dass die Redakteure das Hahnenkammrennen noch nicht ins Englische übersetzt haben.
Mit dem Computer überrollte die verbale Migrationswelle alle Welt. In dem Fall hatte es der amerikanische Wirtschaftsimperialismus sprachlich bequem. Lächerli- che Versuche, Eindringlinge durch Erfindung neuer deutscher Wörter abzuwehren, sind fast immer gescheitert. Die Pyramiden heißen noch immer nicht „Spitzgebäude“, die Mumien nicht „Dörrleichen“.
In die Politik dringen viele Ausdrücke der Soziologen ein, im Economist wird die fremdwörtliche Wirtschaftsfachsprache zurechtgehämmert. Wenn ein Unternehmen eine Sparte „auslagert“, wäre das schon klar genug, aber viel eher wird im bildungssprachlichen Wohlklang „outgesourct“. Im Film-, Society- und Eventzirkus kennt die Fremdwörtersucht keinen Halt, viele Importprodukte sterben aber rasch wieder aus.
„Die Presse“-Redaktion in Gegenwart und Vergangenheit verdächtige ich, dass sie den im Fremdwörterrausch verborgenen Generationenbruch übersieht oder ignoriert. Was da aus der Sprache der Jüngeren und urbanen AHS-Kulturen angespült wird, setzt sich manchmal sogar durch, ist aber nicht unbedingt