Grünes Licht als Stoppsignal in der Zelle
Optogenetik. Heimische Forscher setzen erstmals grünes Licht ein, um Zellvorgänge zu steuern: Es stoppt bestimmte Signalwege, die im Dunklen aktiv sind. Die Ergebnisse sind auch für die Onkologie wichtig, um Krebszellen zu hemmen und Resistenzbildungen zu
„Wir sind die Ersten, die grünes Licht für eine optogenetische Steuerung verwenden“, sagt Stephanie Kainrath, Dissertantin am Institute of Science and Technology (IST) Austria bei Klosterneuburg. Die Gruppe von Harald Janovjak hat bereits Erfahrung mit den herkömmlichen OptogenetikWerkzeugen, die rotes oder blaues Licht nutzen, um das Verhalten von Zellen zu steuern.
Meist wird damit in genetisch modifizierten Zellen ein bestimmter Vorgang eingeschaltet, wenn das Licht darauf scheint. „Doch zu viel Licht tut den Zellen nicht gut“, sagt Kainrath. Phototoxie heißt es, wenn zu viel Licht den Zellen schadet. Daher kam das Team auf die Idee, einen Rezeptor zu entwickeln, der genau umgekehrt reagiert: Er soll bei Dunkelheit aktiv sein und nur dann abgeschaltet werden, wenn Licht dazukommt.
Dass genau Grün als Farbe für das Stoppsignal gewählt wurde, entspricht zwar nicht unserem Verständnis aus dem Straßenverkehr, aber das stört die Forscher nicht. Die Anregung kam aus der Krebsforschung – Partner in dem Projekt ist die St. Anna Kinderkrebsforschung in Wien. Als Inspiration diente das Phänomen der Onkogenabhängigkeit: Ein Tumor braucht ein bestimmtes Signal oder Molekül unbedingt, um wachsen zu können. Jeder Tumor hat normalerweise ganz viele Mutationen: solche, die den programmierten Zelltod ausschalten, solche, die hypersensibel auf Wachstumssignale reagieren, um ewig zu wachsen, und viele mehr.
Zellen sind „süchtig“
„Weil Krebszellen durch viele unterschiedliche Mutationen entarten, ist die Frage, wieso man trotzdem oft mit einem einzigen Medikament die Krebszellen töten kann“, so Kainrath. Die Erklärung ist wohl, dass einer dieser veränderten Signalwege der wichtigste für die Krebszellen ist, und sie genau nach diesem „süchtig“sind.
Das nennt man Onkogenabhängigkeit, und zur Therapie zielen Mediziner meist auf das eine Signal ab, von dem der Krebs abhängig ist. Stoppt man dieses im Körper, kann man den Tumor stoppen. „Doch es gibt auch Zellen, die es überleben, wenn man diesen Weg hemmt. Sie bilden Resistenzen. Das können wir nun untersuchen: Was passiert, wenn man den Zellen, die auf etwas süchtig sind, dieses Signal entzieht?“, sagt Kainrath. Anstatt eines Medikaments, das den Signalweg stoppen soll, kommt das grüne Licht zum Einsatz, um den „Entzug“einzuleiten.
So genau wie Laserpointer
„Der Vorteil der Optogenetik ist: Wir können mit Licht sehr genau arbeiten, räumlich und zeitlich.“Wie mit einem Laserpointer kann das Licht in einzelne Zellen oder in Teile davon gelenkt werden. „So genau geht das mit Medikamenten nicht.“Und im zeitlichen Rahmen zeigten sie, dass es nur wenige Minuten dauert, zwischen dem Anschalten des grünen Lichts und dem Abschalten des Signalwegs.
In Zukunft kann so untersucht werden, was in Zellen passiert, die auch dann weiterleben, wenn das grüne Licht den Signalweg stoppt: Wodurch kompensieren diese Zellen den Wegfall des „Süchtigmachers“und wie bilden sie Resistenzen? „Das Gute an unserem Werkzeug ist, dass man auch die Intensität beeinflussen kann: Wie mit einem Dimmer kann man steuern, wie stark das Lichtsignal in der Zelle wirken soll“, sagt Kainrath.
Als erste Lebewesen, in denen das Konzept überprüft wurde, dienten Zebrafische. Sie sind sehr klein und haben einen fast durchsichtigen Körper. „In der Embryonalentwicklung werden dieselben Signalwege genützt, die auch bei Krebs eine Rolle spielen“, sagt Kainrath. Die Forscher ließen eine Gruppe von Zebrafischen in einer dunklen Kammer heranwachsen und eine andere in grünem Licht.
Im Dunklen alles normal
Tatsächlich kam es im Dunklen zu einer Überdosis des Wachstumssignals, sodass die Tiere eine typische Entwicklungsstörung aufwiesen. Die Kontrollgruppe im grünen Licht entwickelte sich normal. Denn hier stoppte das Licht die Überproduktion des Signals. Die Hoffnung ist, dass durch das optogenetische Werkzeug nun erforscht werden kann, wie entartete Signalwege in Tumoren mit anderen Signalen zusammenwirken, um Resistenzen besser vorhersagen und bessere Therapien entwickeln zu können. (vers)