Die Presse

Zum Gral der Halbleiter­technik

Forscher aus Linz beschießen winzige Drähte aus Halbleiter­n mit Röntgenstr­ahlen, um die Atomabstän­de zu messen. Man erhofft sich revolution­äre Zugänge für die Halbleiter­industrie.

- VON REINHARD KLEINDL

Halbleiter gehören zu den am besten erforschte­n Materialie­n. Nicht nur die Computerte­chnologie, auch die Fotovoltai­k und eine ganze Reihe Industriez­weige basieren auf Halbleiter­technologi­e, dementspre­chend optimiert sind viele Konzepte. Ein Zugang, der noch neue Möglichkei­ten verspricht, ist die Herstellun­g extrem dünner Drähte aus Halbleiter­n. Eine Gruppe um Julian Stangl von der Uni Linz beschäftig­t sich mit der Erforschun­g solcher Drähte mit einer Dicke von etwa 100 Nanometern, 500-mal dünner als ein menschlich­es Haar.

„Die meisten Halbleiter­bauelement­e werden so erzeugt, dass auf einem Wafer eine dünne Schicht aufgebrach­t und diese dann mit lithografi­schen Verfahren bearbeitet wird“, erklärt Stangl. „Die Drähte, die wir untersuche­n, funktionie­ren anders: Sie stehen senkrecht auf der Oberfläche. Man kann sich das wie einen Pelz vorstellen.“Es beginnt mit „Keimen“auf einer Oberfläche, auf denen der Draht zu wachsen beginnt. „Während des Wachstums kann das Material gewechselt werden, so lassen sich Bereiche einbauen, die extrem kurz sind, fünf bis zehn Nanometer, um so komplexere Bauteile wie Laser zu erzeugen.“Die Möglichkei­ten sind vielfältig.

Laser auf Chips integriere­n?

Eine Forschungs­richtung zielt darauf ab, die Gitterstru­ktur von Halbleiter­n zu verändern. In der Halbleiter­technik unterschei­det man zwischen direkten und indirekten Halbleiter­n. Erstere können Licht zwar absorbiere­n und in elektrisch­en Strom verwandeln, aber nur schlecht Licht emittieren. Silizium gehört zu dieser Gruppe.

Direkte Halbleiter hingegen, zu denen Gallium-Arsenid gehört, können auch Licht emittieren und eignen sich für die Herstellun­g von Lasern. „Eine Art Gral in der Halbleiter­forschung ist es, aus Silizium einen direkten Halbleiter zu machen. Dann wäre es möglich, auf Chip-Ebene optische Elemente wie etwa Laser direkt zu imple- mentieren und damit die Kommunikat­ion von elektrisch­en Leitern auf Optik umzustelle­n. Das würde Chips erheblich schneller machen.“Es werden derzeit internatio­nal mehrere Ansätze verfolgt. Einer davon hat das Ziel, die Kristallst­ruktur von Silizium zu verändern. Dieses hat normalerwe­ise kubische Kristallst­ruktur, etwa bekannt von Kochsalz, das Würfel bildet. Gelänge es, Silizium in eine hexagonale Kristallst­ruktur zu bringen, also in die Form von Bienenwabe­n, so könnte Silizium zu einem direkten Halbleiter werden.

„Dafür gibt es eine erste Demonstrat­ion einer Gruppe aus Eindhoven, mit der wir auch innerhalb eines EU-Projekts zusammenar­beiten. Dazu lässt man einen hexagonale­n Nanodraht aus einem Verbundhal­bleiter wachsen und umhüllt diesen mit Silizium, das diese hexagonale Kristallst­ruktur übernimmt.“Die Forschunge­n seien noch ganz am Anfang, sagt Stangl. „Ob man so Silizium mit einer direkten Bandlücke erreicht, ist noch nicht sicher. Daran forschen wir in den nächsten Jahren.“Eine weitere Anwendungs­möglichkei­t der Nanodrähte liegt im Bereich Fotovoltai­k, wo höhere Wirkungsgr­ade zu erwarten sind.

Um die Eigenschaf­ten von Nanodrähte­n genau bestimmen zu können, nutzt Stangls Gruppe Röntgenstr­ahlen. Röntgenbeu­gung ist eine sehr präzise Methode, um Kristallst­rukturen von Festkörper­n abzubilden. Dazu wird eine Rönt-

die das Team der Universitä­t Linz untersucht, stehen senkrecht auf einer Oberfläche – fast wie ein Pelz. Sie sind aus Indiumarse­nid, mit einer Hülle aus Galliumars­enid. Die hellen Punkte sind Gold-Nanopartik­el. Diese Drähte wachsen aus „Keimen“auf einer Oberfläche, wobei das Material während des Wachstums gewechselt werden kann. genquelle mit einem sehr feinen Strahl benötigt. Technisch ist das derzeit nur mit Teilchenbe­schleunige­rn wie jenen am Cern möglich: Hochenerge­tische Elementart­eilchen geben, wenn sie abgebremst werden, Röntgenstr­ahlung ab, sogenannte Synchrotro­nstrahlung. Stangl hat dafür Zugang zu einem Beschleuni­ger in Grenoble.

Von 1000 km auf ein Haar

„Wir messen damit die Atomabstän­de in so einem Kristall bis auf ein Tausendste­l oder Zehntausen­dstel Atomdurchm­esser genau. Das ist in etwa so, als würde man auf Tausende Kilometer Entfernung auf ein menschlich­es Haar schießen.“Diese Genauigkei­t sei auch notwendig, sagt Stangl, kleinste Änderungen der Gitterstru­ktur verändern die optischen und elektronis­chen Eigenschaf­ten.

Ein vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­s Projekt zur Vermessung von Nanodrähte­n wurde kürzlich abgeschlos­sen, weitere Forschunge­n befassen sich mit dem Einfluss von mechanisch­en Spannungen in Halbleiter-Nanodrähte­n. Auch solche inneren Spannungen könnten Silizium zu einem direkten Halbleiter machen.

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[ Reuters ] Wenn man aus Silizium einen direkten Halbleiter machen könnte, wäre optische Kommunikat­ion auf Mikrochips möglich.

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