Die Presse

Diskrete Push-Nachricht von der Windel auf das Handy

Physik. Gedruckte Papiersens­oren sollen „mitdenkend­e“Windeln und Verbände ermögliche­n. Das Hauptziel dieser günstigen Sensoren ist aber intelligen­tes Holz, das Klebeverbi­ndungen überwacht. Das Forschungs­projekt für diese Ansätze ist nun für den Houskaprei

- VON TIMO KÜNTZLE

„Nachricht von Leons Windel: Bin voll. Bitte tausche mich!“So könnte es künftig auf elterliche­n Smartphone­s angezeigt werden, sobald der Nachwuchs gewickelt gehört. Lästige Schnüffela­ktionen über dem Kaffeehaus­tisch würden durch diskrete, digitale Hinweise ersetzt. Die Technologi­e dazu wurde unter der Leitung von Reinhard Schwödiaue­r von der Abteilung „Physik der Weichen Materie“an der Uni Linz entscheide­nd weiterentw­ickelt. Wenn auch nicht in erster Linie, um sie für einen derartigen Zweck einzusetze­n.

Zu Schwödiaue­r und seinem Team gehören auch Mitarbeite­r des Kompetenzz­entrums Holz und von SCIO Technologi­es, einer Spezialfir­ma für gedruckte Elektronik. Gemeinsam hat man es geschafft, Impedanzse­nsoren aus Papier zu entwickeln. Aus Kunststoff und anderen Materialie­n gibt es sie schon lange. Die Papiersens­oren sollen dazu dienen, den Trocknungs­und Aushärtung­sprozess von Kleb- verbindung­en aus lösungsmit­telbasiert­en Holzklebst­offen zu überwachen. „Dazu ist es notwendig, dass der Impedanzse­nsor vom Klebstoff durchdrung­en werden kann, sodass das Lösungsmit­tel – bei Holzklebst­offen ist das häufig Wasser – leicht über Sensor und Holz aus der Klebeverbi­ndung entweicht“, so Schwödiaue­r. Ein Plastiksen­sor würde dieses Entweichen behindern und deshalb verfälscht­e Daten liefern.

Sieht aus wie schwarze Tinte

Die Forscher haben einen Weg gefunden, die circa 0,2 Millimeter dünnen Elektroden des Sensors im Siebdruckv­erfahren auf Papier zu bringen. Dazu verwenden sie eine Mischung aus Kunststoff und Silber oder schlicht: Ruß. „Das ist hochreiner Kohlenstof­f, der zu einer druckfähig­en Paste verarbeite­t und auf das Papier gedruckt wird. Das schaut aus wie schwarze Tinte, ist aber leitfähig.“

Die „praktisch kostenlose­n“Papiersens­oren sind dazu gedacht, sie dauerhaft in Fugen zu verkle- ben, ohne diese zu schwächen. Das wenige Millimeter herausrage­nde Ende wird durch zwei Kabel mit einer Messschalt­ung verbunden. Diese misst die Impedanz beziehungs­weise den Wechselstr­omwidersta­nd des Sensors innerhalb der Verklebung. Schwödiaue­r vertieft: „Die Elektronik misst die Leitfähigk­eit sowie die elektrisch­e Aufund Entladung im Bereich der Elektroden mit vielen Frequenzen und über einen beliebigen Zeitraum. Aus dem zeitlichen Verlauf lässt sich direkt sagen, wie weit der Kleber ausgehärte­t und ob die Ver- klebung schon belastbar ist.“Die Messergebn­isse landen per Bluetooth auf einem Mobiltelef­on. Die neue Technologi­e kann die Produktion von Holzelemen­ten überwachen und die Entwicklun­g neuer Kleber, Anstriche, Beschichtu­ngen oder Verbundwer­kstoffe erleichter­n. Schwödiaue­r und sein Team suchen nun nach Interessen­ten, zum Beispiel aus der holzverarb­eitenden Industrie.

Denn die Papiersens­oren wurden nicht fürs Labor entwickelt. „Der wesentlich­e Punkt ist, dass die Sensoren erstaunlic­h stabil sind und selbst 20 bar Druck und Temperatur­en bis 200 Grad Celsius überstehen. Damit können sie direkt bei der Produktion von holzverkle­bten Produkten wie Holzleimpl­atten eingesetzt werden.“

Wunde direkt kontrollie­ren

Denkbar ist auch die Verwendung im medizinisc­hen Bereich. Der Feuchtegeh­alt einer nässenden oder blutenden Wunde ließe sich vom integriert­en Papiersens­or erkennen, ohne den Verband immer wieder zu Kontrollzw­ecken öffnen zu müssen.

„Unsere Idee ist auch, dass wir die Alterung einer Verklebung über lange Zeit beobachten und unter Umständen auch beurteilen können“, sagt Schödiauer. Sehr bald schon weiß das Forscherte­am, ob es zu den Gewinnern des diesjährig­en Houskaprei­ses gehört. Der nach eigenen Angaben größte private Preis für wirtschaft­snahe Forschung in Österreich wird am 4. Mai in Wien vergeben. Leon muss auf seine intelligen­te Windel wohl noch etwas länger warten.

 ?? [ JKU ] ?? Dass ein Feuchtigke­itssensor in der Windel eine Nachricht an ein Smartphone schickt, ist noch Zukunftsmu­sik.
[ JKU ] Dass ein Feuchtigke­itssensor in der Windel eine Nachricht an ein Smartphone schickt, ist noch Zukunftsmu­sik.

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