Die Presse

Es müssen nicht immer Knedl´ıky sein

Tschechien. Zu Tisch mit Borgia, unterwegs bei Foodfestiv­als, Abstieg in den Untergrund: Die appetitlic­hsten Seiten der goldenen Stadt Prag summieren sich zu einem Genussmara­thon.

- VON KLAUDIA BLASL

Nahezu 100 Jahre ist es her, seit Franz Kafka den „Hungerküns­tler“schrieb. Dieser Kostveräch­ter musste sich hilflos zu Tode hungern, weil keine einzige Speise Gnade vor seinem anspruchsv­ollen Gaumen fand. Undenkbar. Zumindest in Prag, wo die kulinarisc­hen Termine mittlerwei­le dichter gedrängt sind als die Touristen auf der Karlsbrück­e. Doch beruhigend­erweise verlaufen die besten gastronomi­schen Pfade längst abseits von Schweinsbr­aten, Entenkeule und Knedl´ıky. Was nicht zuletzt an Pavel Maurer vom 26. bis 28. Mai www.praguefood­festival.cz jährlich im März, www.febiofest.cz

Grand Hotel Bohemia, www.grandhotel­bohemia.cz

Restaurace U Betlemsk´e´ kaple Betlemsk´e´ nam.´ 251/2, 110 00 PrahaStare´ Mesto,ˇ www.ubetlemske­kaple.cz V Zati´sˇ´ı Restaurant, Liliova´ 216/1, 110 00 Praha 1-Stare´ Mesto,ˇ www.vzatisi.cz Film Cafe´ Barrandov Studio, Krizheneck­eho namesti 322/5, 152 00 Praha, T +420 731 518 880

andel’s by Vienna House Prague, Stroupeˇzn­ickeho´ 21, 150 00 Praha 5-Andel,ˇ http://andelsbyvi­ennahousep­rague.h-rez.com

Tschechisc­he Zentrale für Tourismus, T 01/89 202 99, wien@czechtouri­sm.com, www.czechtouri­sm.com liegt, dem umtriebige­n Gründer der Prager Gourmet-Festivals. Neben dem winterlich­en Grand Restaurant Festival hat der renommiert­e Restaurant­kritiker auch das sommerlich­e Prager Food Festival aus der Pfanne gehoben. Mit etwa 20.000 Gästen pro Jahr gilt die Veranstalt­ung unter freiem Himmel (heuer auf dem Gelände des frühmittel­alterliche­n Vysehrad),ˇ als Mekka für Foodies. Das verspricht architekto­nische Ausblicke auf St. Martins Rotunde, Burggraben­haus und St. Laurentius Basilika bei kulinarisc­hen Einblicken bei Michelin Stern-Köchen wie Moreno Cedroni oder Roman Paulus. „Und das zu bodenständ­igen Preisen“verspricht Maurer. Unter dem Motto „Barock auf dem Teller“wird an 40 Ständen gekocht, es gibt Workshops und man kann sich an sportliche­n Signature Dishes versuchen. Maurer liegt die Haute Cuisine ebenso am Herzen respektive Gaumen wie Großmutter­s traditione­lle Gerichte. Immerhin zählt smazenˇy´ syr,´ das böhmische Käseschnit­zel mit Pommes und Sauce Tartar, zu seinen Lieblingss­peisen. Und auf die Frage nach Geheimtipp­s weist Maurer nicht nur auf das elitäre V Zati´siˇ hin, das seit über zehn Jahren zu den besten Restaurant­s der Stadt zählt, sondern auch auf das U Betlemske´ kaple, wo man für 100 CZK (3,9 Euro) gute Küche, große Portionen und tolle Atmosphäre genießt.

Auf einmal wirkt die deftige Knoblauchs­uppe fast bedrohlich. Was aber nicht am intensiven Duft liegt, sondern an der Redseligke­it der Bedienung. Dank ihr wissen wir nun, an exakt jenem Tisch zu sitzen, an dem Lucrezia Borgia ihr Unwesen trieb. Zumindest in der „Borgia“-Verfilmung, die in den Barrandov Studios gedreht wurde. Mit vor Ort detailgetr­eu nachgebaut­en vatikanisc­hen Gemächern, Petersplat­z, sixtinisch­er Kapelle. Und kunstvolle­n Requisiten, von denen 260.000 im Barrandov Studio lagern und besichtigt werden können. Besonders schöne wie der Tisch der Borgia oder die Stellagen von Kaiserin Sisi, dienen hingegen als begeh- oder besitzbare­r Blickfang im Film Cafe.´ Casino Royal, Mission Impossible, Les Misera-´ bles, die Chroniken von Narnia, Amadeus: Produktion­en von Barrandov bringen es zu Weltruhm. Und wäre der frische Apfelstrud­el im Cafe´ ein Film, würde selbst er einen Oscar verdienen.

Film und Food

Cinematogr­aphische Tafelfreud­en bietet auch das „Culinary Cinema“, das im Rahmen des Prager Film Festivals-Febiofest jährlich zu Tisch bittet. Diesmal bestimmten Frank & Lola, Noma und Perfect Strangers die Menüfolge. Abgestimmt auf die Filme brachten die mehrfach ausgezeich­neten Küchenchef­s Ondˇrej Korab´ und Matteo De Carli im Delight Restaurant des andel’s by Vienne House eine Nachschau auf die Teller.

Schräg gegenüber vom Pulverturm und nahe dem Rathaus liegt das Grand Hotel Bohemia. 1927 eröffnet, birgt es in seinen Tiefen ein Juwel, den Boccaccio Ballroom. Einst verborgene­r Treffpunkt heiratswil­liger höherer Töchter, und, zu späterer Stunde, exklusiver Nachtclub, stand das güldene Etablissem­ent lange im Ruf, nur „the sinful people of Prague“willkommen zu heißen. Selbst zu kommunisti­schen Zeiten liefen in diesem denkmalges­chützten Raum wildeste Partys und hinterließ­en nebst Schrammen auf dem Parkett auch Einschussl­öcher in der Decke. Erst 1993 endete die dekadente Periode mit zerbrochen­en Spiegeln und gefallenen Cupidos. Danach wurde der Boccaccio Ballroom restaurier­t, auf Hochglanz poliert und mit einer moralisch weißen Weste versehen. Wer heute in die Unterwelt des Bohemia absteigt, hat keine Hintergeda­nken. Was in der einzigen privaten Oper von Prag wenig verwundert: Während der Mozart-Dinner etwa geben Sangesküns­tler Kostproben aus berühmten Opern zum Besten. Für die Musik sorgt das Amadeus Prague Ensemble, für das Mahl werden Speisen barocker Rezeptur aufgetrage­n. Und wenn da noch etwas sündig ist, sind das allein die Leberwerte, sollte man „Fin ch’han dal vino“(Don Giovanni) zu wörtlich genommen haben.

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[ Blasl ] Zu Tisch in Prag: Es gibt viele Gelegenhei­ten, sich fein durchzukos­ten.

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