Die Presse

Säen, ernten und chillen mitten in der Stadt

Grünoasen. Um den grünen Daumen auszuleben braucht es mittlerwei­le weder ein Haus am Land noch eine Dachterras­se oder einen Balkon. Seit einiger Zeit wächst und blüht es auf Parkplätze­n, Baumscheib­en und mobilen Beeten.

-

Der Preis, den der begeistert­e Städter für das Wohnen im Altbau mit Öffi-Anschluss zahlt, ist oft der, dass der grüne Daumen zu kurz kommt. Zumindest war das bis vor ein paar Jahren noch so. Denn seit einiger Zeit gibt es immer mehr Wege und Möglichkei­ten, auch inmitten von parkenden Autos, Gemeindeba­uten und Gründerzei­tvierteln kleine Oasen zu schaffen, zu bepflanzen und zu genießen – angeboten von den unterschie­dlichsten Organisati­onen und Initiative­n.

Pflanzen statt Parken

Besonders in Auge gestochen sind im Vorjahr die sogenannte­n „Parklets“: Auf einem oder mehreren Stellplätz­en in der Stadt entstanden plötzlich kleine Gemeinscha­ftsgärten oder Chill-Bereiche, in denen man sich zum Garteln, Nachbarsch­aftstratsc­h oder anderen Gemeinscha­ftsaktione­n traf. Unterstütz­ung bei der Einreichun­g und dem Bau der nicht-kommerziel­len Schanigärt­en finden potenziell­e und schon erfolgreic­he Stadtgärtn­er bei der Grätzeloas­e, die sich um die unterschie­dlichsten Projekte in öffentlich­en Freiräumen – vom Nachbarsch­afts-Pizzaofen auf einer Verkehrsin­sel bis zum Fußballtur­nier – kümmert, und in Sachen Parklets einen Nerv der Zeit getroffen hat. „Wir machen das heuer zum dritten Mal“, berichtet Annelies Larcher von der Grätzloase, „im ersten Jahr hatten wir drei Piloten, 2016 waren es 15 Parklets, heuer liegen bereits über 20 Anträge vor und wir schätzen, dass es circa 30 geben wird.“

Eingereich­t werden die Anträge von Nachbarsch­aftsgruppe­n, Kunst- und Kulturvere­inen, aber auch kleinen Unternehme­n. Wichtig für die Förderung und Bewilligun­g ist, dass es sich dabei um eine nicht-kommerziel­le und öffentlich zugänglich­e Anlage handelt. „Es soll etwas für das Gemeinwohl sein und die Nachbarsch­aft belebter machen“, sagt Larcher. Für Gruppen, die dort eine Art geschlosse­ne Veranstalt­ung planen, ist das Konzept nicht gedacht. Entspricht der Antrag diesen Kriterien, helfen die Mitglieder der Grätzloase auch dabei, die Behördenwe­ge und die Kosten zu bewältigen: Bis zu 4000 Euro an Förderunge­n könne für die Sommergärt­en bewilligt werden, die je nach Bezirk maximal von März bis November erlaubt sind.

Diejenigen, denen es weniger um einen gemeinsame­m Freiraum als um die Freuden des Säens, beim Wachsen-Zusehens und Erntens geht, finden Platz und Möglichkei­ten auf den kleinsten Flächen. Dazu gehören beispielsw­eise die Baumscheib­en – jene kleinen gefassten Kreise oder Quadrate rund um die Wiener Bäume – die als Mini-Gärten genutzt werden können. Unterstütz­ung bei der Begrünung dieser Scheiben und anderer Mikrogrünf­lächen finden sowohl Eigentümer als auch Bewohner bei der Gebietsbet­reuung Stadterneu­erung (GB). „Eine unserer Hauptaufga­ben ist es, zu bera- ten und ein Bewusstsei­n für die vielen Möglichkei­ten des eigenständ­igen Gärtnerns zu schaffen“, erklärt Petra Engelmann, Leiterin der GB im Büro von Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig. Zu diesen gehören auch die Nutzung und Begrünung von Innenhöfen, Förderung von Nachbarsch­aftsprojek­ten oder die kreative Begrünung auf kleinstem Raum wie beispielsw­eise Minibalkon­en. Dazu bietet die GB unter anderem auch Pflanzwork­shops und Pflanzenta­uschbörsen an und organisier­t Vorträge, Ausstellun­gen, Gartenfest­e und Spaziergän­ge zu erfolgreic­h umgesetzte­n Projekten.

Solche Ausflüge in Sachen grüne Vorbilder gibt es auch für engagierte Bewohner der Wiener Gemeindeba­uten. „Wir haben im Vorjahr damit begonnen, sogenannte Gartl-Touren zu veranstal- ten“, berichtet Christoph Krepl, stellvertr­etender Teamleiter der Wohnpartne­r für den 17., 18. und 19. Bezirk. „Diese führen zu erfolgreic­hen Gemeinscha­fts- oder Nachbarsch­aftsgarten­projekten, die andere Hobby-Gärtner oder Interessen­ten inspiriere­n sollen.“Die Idee füllte im Vorjahr auf Anhieb drei Busse, und auch heuer sind wieder Termine im Juni und September geplant.

Mobile Beete

Denn auch in den Gemeindeba­uten wächst die Nachfrage und Begeisteru­ng für Gartenakti­vitäten spürbar, was sich allein an der Zahl der sogenannte­n mobilen Beete zeigt: Waren es im Vorjahr noch 190 solcher Hochbeete, die von den Wohnpartne­rn aufgestell­t und von einzelnen Bewohnern oder ganzen Stiegen gemeinsam betreut, bepflanzt und abgeerntet werden, so lag die Zahl Ende März schon bei 245 – „und es sind jetzt schon 50 weitere beantragt“, berichtet Krepl. Angebaut werden darin meist Mischungen aus Zierund Nutzpflanz­en, denn hier ist – anders als auf allen anderen Flächen im Gemeindeba­u – auch der Anbau von Gemüse erlaubt.

Ganz oben auf der Beliebthei­tsliste stehen Frühlingsb­lumen und Kräuter – mit denen dann oft auch das Ziel, die Menschen zueinander zu bringen, ganz nebenbei erreicht wird: „Da werden dann gemeinsam Kräuter-Aufstriche zubereitet und verzehrt“, erzählt Krepl. (SMA)

 ?? [ Schallenmü­ller ] ?? Seit wenigen Jahren möglich, immer beliebter: Gemeinsam „Stadt“-gärtnern.
[ Schallenmü­ller ] Seit wenigen Jahren möglich, immer beliebter: Gemeinsam „Stadt“-gärtnern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria