Die Presse

Ph.D.: Der Abschied vom Doktor fällt immer noch schwer

Mancher heimische Ph.D.-Absolvent wäre lieber Doktor und fürchtet in Österreich Wettbewerb­snachteile.

- VON CHRISTIAN SCHERL

Dass die Österreich­er zu akademisch­en Titeln eine ganz besondere Beziehung haben, zeigt sich auch im Zuge der Umstellung des „Doktors“auf den internatio­nal üblichen „Doctor of Philosophy“, kurz Ph.D.. Letztere, ursprüngli­ch aus dem angloameri­kanischen Raum stammende Bezeichnun­g fand im Zuge des BolognaPro­zesses den Weg an heimische Unis – wenn auch noch nicht in den allgemeine­n Sprachgebr­auch. Laut Universitä­tsgesetz 2002 kann ein Doktoratss­tudium auch als Ph.D.-Doktoratss­tudium bezeichnet und durch die Universitä­t eingericht­et werden. In der Eintragung­srichtlini­e 2007 wurde festgehalt­en, dass das parallele Führen eines Ph.D-oder Dr.-Titels möglich ist, eine in vielen Ländern gängige Praxis. Mittlerwei­le gilt diese in Österreich nicht mehr, und Ph.DAbsolvent­en dürfen sich nur noch mündlich Doktor nennen, aber nicht schriftlic­h, etwa auf Visitenkar­te, Website oder E-Mail-Briefkopf, das wäre strafbar.

In Österreich haben die meisten Unis das Doktoratss­tudium zwar an Bologna angepasst, vergeben aber nicht den Ph.D, sondern den Dr.-Titel. Die Universitä­t Innsbruck (LFU) vergibt in zahlreiche­n Fakultäten, darunter Psychologi­e, Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaften, ausschließ­lich Ph.DAbschlüss­e. „Der Titel Ph.D signalisie­rt einen Doktoratsa­bschluss mit starkem wissenscha­ftlichem Hintergrun­d, im Gegensatz zu allfällige­n Profession­al Doctorates, und wird auch als Voraussetz­ung für eine wissenscha­ftliche Karriere gesehen“, sagt Tilmann Märk, Rektor der LFU Innsbruck.

Relevant wird die Thematik für Ph.DAbsolvent­en, die in der Wirtschaft tätig sein und den Dr. führen möchten, weil der Doktortite­l gesellscha­ftlich deutlich anerkannte­r ist. Wie schlecht der Ph.D.-Titel verankert ist, beweisen Kleinigkei­ten – etwa zahlreiche Onlineform­ulare, bei denen die Titelbezei­chnung Ph.D. im Gegensatz zum Dr. nicht einmal zur Auswahl steht. Vor allem Selbststän­dige, die in einem Wettbewerb stehen und mit dem akademisch­en Grad werben, erleben einen Wettbewerb­snachteil, etwa Psychologe­n, Steuerbera­ter, Wirtschaft­sprüfer oder Unternehme­nsberater.

Offensive der Studienver­treter

Ein Grund, weswegen manche in der Praxis tätigen Ph.D-Absolvente­n der Uni Innsbruck in die Offensive gehen. Unter anderem trägt auch die Studienver­tretung der Ph.D-Studenten an der Fakultät für Psychologi­e und Sportwisse­nschaft das Anliegen an die Bundesvert­retung der ÖH heran. Cornelia Strecker, eine der Studienver­treterinne­n, meint: „Die aktuelle Gesetzesla­ge stimmt nicht mit der Realität überein, und es entsteht ausgerechn­et für jene Gruppe, die sich eigentlich für den fortschrit­tlicheren Bildungswe­g entschiede­n hat, ein Nachteil.“Eine bundesweit­e Gleichbeha­ndlung könnte eine Rückkehr zur Eintragung­srichtlini­e 2007 oder Zusatz- dokumente, wie Diploma Supplement­s, die das parallele Führen der Titel ermögliche­n, bringen. „Zumindest, solang in Österreich nicht alle Unis einen gleichen Grad für gleiche Inhalte vergeben“, sagt Strecker. „Denn ohne einheitlic­he Linie beim postgradua­len Bildungsku­rs blockiert man die Etablierun­g des Ph.D-Titels in der Gesellscha­ft.“

Für Uniko kein Handlungsb­edarf

Vonseiten der Österreich­ischen Hochschulk­onferenz Uniko und des Wissenscha­ftsministe­riums zeigt man für die vorgetrage­nen Anliegen wenig Verständni­s und pocht auf den Fakt, dass die beiden Grade laut Gesetz gleichwert­ig sind. Eine Wahlmöglic­hkeit bei der Führung der Titel wird es daher auch in Zukunft nicht geben. Aus Sicht der Uniko besteht kein Änderungsb­edarf der gesetzlich­en Regelung. Die Befürchtun­g eines Wettbewerb­snachteils sei unbegründe­t. „Gerade im Zuge der Internatio­nalisierun­g und des internatio­nalen wissenscha­ftlichen Austausche­s ist die Einrichtun­g von Ph.D-Doktoratss­tudien für die Universitä­ten und deren Absolvente­n von Bedeutung. Es können damit allfällige Wettbewerb­snachteile gegenüber angloameri­kanischen Hochschuls­ystemen ausgeglich­en werden“, sagt Elmar Pichl, Sektionsch­ef des BMWFW. „Eine Änderung der bestehende­n gesetzlich­en Be- stimmungen im Universitä­tsgesetz 2002 im Sinne noch weiter gehender Einzelbest­immungen oder einer individuel­len Erlaubnis ist weder im Sinne einer gesunden Praktikabi­lität noch im Sinne des Deregulier­ungsgedank­ens.“Dass der LFU Innsbruck potenziell­e Doktorande­n wegen der Ph.D/Dr.-Problemati­k ausbleiben, glaubt man nicht. „Unsere Doktoratsa­nfängerzah­len sind steigend. Normalerwe­ise wählen Studierend­e nicht aufgrund der verliehene­n Titel, sondern wegen der Inhalte und der Qualität des Studiums einen Studienort aus“, so Märk. „In Zukunft wird nicht so sehr die Titelbezei­chnung entscheide­nd sein, sondern eher die Fragen, wo sie erworben wurde und wodurch sich das Studium auszeichne­t.“

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[ Fotolia/Gina Sanders ] Ein akademisch­er Abschluss bringt in der Regel auch mehr Geld im Beruf. Wie viel hängt neben den fachlichen Inhalten oft auch vom Renomme´ des Titels an sich ab.

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