Wie organisiert man am besten eine joblose Gesellschaft?
Analyse. Die Politik ist auf den durch Roboterisierung verursachten gesellschaftlichen Wandel nicht vorbereitet.
Wien. Wie viele Jobs wird die digitale Revolution kosten? Zehn Prozent? 50 Prozent? Oder mehr? Und wie viele neue Jobs werden entstehen? Eine viel zitierte Studie des Beratungsunternehmens McKinsey sagt, dass langfristig gerade einmal 21 Prozent der bestehenden Jobs halbwegs sicher sind. Vor allem Arbeitsplätze, die viel Expertise und überdurchschnittliche Kreativität voraussetzen, sind relativ schwer automatisierbar, solange die Leistung künstlicher Intelligenz nicht halbwegs an die des menschlichen Gehirns herankommt. Alles andere kann aber von Maschinen besser und billiger ausgeführt werden.
Nicht sofort, aber die Entwicklung geht sehr schnell voran. Auch in Bereichen, die bis vor Kurzem noch als sicher galten. In den USA sind schon Restaurants ohne Servierpersonal in Betrieb, in Japan wird mit humanoiden Pflegerobotern experimentiert, in den Minen des Bergbaukonzerns Rio Tinto fahren Lkw ohne Fahrer, vor Norwegen kreuzen die ersten selbstfahrenden Schiffe ohne Besatzung im Testbetrieb, in Krankenhäusern beginnen Analyseprogramme bei bildgebenden Diagnoseverfahren den Radiologen langsam den Rang abzulaufen.
Wer glaubt, dass die damit verbundenen Arbeitsplätze durch neu entstehende in größerem Ausmaß kompensiert werden können, weil das in industriellen Revolutionen „immer so war“, sollte noch einmal über den Begriff „autonome Maschine“nachdenken.
Einfach gesagt: Der Pferdekutscher wird durch neue Technologie nicht mehr Lastwagenfahrer, sondern der Lastwagen fährt dann allein. Und intelligente Maschinen können natürlich auch andere intelligente Maschinen produzieren und programmieren. Davon sind wir nicht mehr weit entfernt.
Das Problem: Viele dieser Entwicklungen sind noch nicht in das Bewusstsein der Politik vorgedrungen. Und es besteht die Gefahr, dass diese beim Tempo der Entwicklung unvorbereitet getroffen wird – und damit enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Verwerfungen riskiert.
„Die Job-Ökonomie, in der der Großteil der Menschen einer geregelten Arbeit in einem vertraglichen Arbeitsverhältnis nachgeht, ist nach nur 200 Jahren praktisch zu Ende“, sagt der austro-amerikanische Ökonom und Ex-IAEA-Diplomat Bill Price, den es nach der Pensionierung nach Wien verschlagen hat und der hier in seinem „Council for a 21st Century Progressive Economy“eine erstaunliche Expertenrunde aus UniProfessoren, Top-Sozialpartnern und Wirt- schaftsfachleuten auf die Beine gestellt hat. In diesem Kreis werden Themen offen diskutiert, die in der Tagespolitik noch von ideologischen Killerphrasen wie etwa „Maschinensteuer“überlagert sind.
Zum Beispiel diese: Wenn zwar nicht die Arbeit, aber die traditionellen Jobs ausgehen – wie organisiert und bezahlt man dann eine wachsende „Freelance Economy“, bei der Grenzen zwischen derzeit bezahlter und derzeit unbezahlter Arbeit verschwimmen?
Wenn die traditionellen menschlichen Arbeitsplätze verschwinden, wie finanziert man dann Staaten und Sozialsysteme, die derzeit überwiegend an der Besteuerung menschlicher Arbeit hängen?
Wenn es durch lernfähige Maschinen zu einer Entkopplung von Produktivität und menschlicher Qualifikation kommt, wie stellt man dann die derzeit genau auf diese Kopplung ausgerichteten Bildungsinhalte auf die neue gesellschaftliche Situation um? Wenn humanoide Roboter immer menschenähnlicher werden oder gar durch Implantate Zwitterwesen aus Mensch und Maschine entstehen, welche rechtlichen Konsequenzen hat das? Welche Rechte haben in einem solchen System intelligente Maschinen, wie sind die Mensch-Maschine-Relationen organisiert, und unter welchen Umständen darf man diesen Maschinen sozusagen den Stecker ziehen?
Das klingt alles nach Science-Fiction, wird beim Tempo der Entwicklung aber schneller Realität werden, als wir glauben. Mit traditioneller Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ist in diesem Umbruch nichts zu machen. Es wird also Zeit, dass die Diskussion aus Expertenzirkeln in die reale Politik herausfindet. Die Jobs werden nicht morgen schon verschwunden sein. Aber man sollte auf den absehbaren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruch, der nicht aufzuhalten ist und auch nicht aufgehalten werden sollte, einfach vorbereitet sein.