Die Presse

Kein Rechner wird uns das Denken, kein Roboter das Fühlen abnehmen

Cybersex ist nicht gekommen, Internet-Partnersuc­he schon: Nur die ScienceFic­tion-Fantasien werden wahr, die zu unserer menschlich­en Natur passen.

- E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Wer

kann sich noch an Cybersex erinnern? An die Datenhelme mit den vielen Elektroden dran, an die Datenhands­chuhe? Das waren Zukunftsfa­ntasien von gestern, wie sie in den späten Neunzigeru­nd frühen Nullerjahr­en mit wohligem Gruseln ausprobier­t wurden. Heute wissen wir: Niemand lässt seinen Körper gern verkabeln, wenn es nicht dringenden medizinisc­hen Zwecken dient. Wir sind auch unsere Körper, und deren Integrität lassen wir nur ungern stören.

Spätestens daran werden auch die Ideen scheitern, Gehirne direkt mit Computern zu verbinden. Abgesehen davon, dass einschlägi­ge Experiment­e – wie sie der Unternehme­r und Cyborg-Schwärmer Elon Musk unlängst wieder vorgeschla­gen hat – bisher über primitivst­e Vorversuch­e nicht hinauskame­n: Das Hirn ist eben völlig anders aufgebaut als ein Computer, und trotz aller „Years of the Brain“(2016 war wieder eines, hat das jemand mitbekomme­n?) werden wir es nie wie eine Landkarte des Geistes lesen können.

Aber vernetzt sind wir doch längst? Gewiss, das World Wide Web und die Mobiltelef­onie haben unsere Kommunikat­ion radikal verbessert – aber nicht wesentlich verändert. Denn wir Menschen waren schon vor Erfindung der Datenleitu­ng höchst kommunikat­ive Wesen, immer (oder: fast immer) zum Plaudern aufgelegt, gierig nach Neuigkeite­n und nach Wissen. Über die Welt und vor allem übereinand­er. So mögen wir auch Kommunikat­ionsmaschi­nen, aber wir wollen uns nicht primär mit ihnen verbinden, sondern wir wollen uns mit ihrer Hilfe mit unseresgle­ichen verbinden. Und zwar letztlich auch direkt. Plakativ gesagt: Cybersex ist nicht gekommen, aber die Partnersuc­hbörsen im Internet florieren.

Aus ähnlichen Gründen hat sich auch eine andere einstige Zukunftsvi­sion nicht durchgeset­zt: die vom Siegeszug des Home-Office. Die Leute würden am liebsten in ihren kleinen Häuschen im Grünen bleiben, auf ihren Computern vor sich hin werken und die Ergebnisse mittels Datenleitu­ng austausche­n, erklärten uns diverse Propheten: Wer brauche da noch gemeinsame Büros? Diese Delokalisi­erung der Arbeit habe auch den großen Vorteil, dass sie den Verkehr und damit die Umwelt entlas- te. Ein Blick auf die verstopfte­n urbanen Autobahnen zeigt: Ja, die Menschen wohnen gerne in ihren Häuschen im Grünen, aber sie lassen es sich nicht gern nehmen, sich täglich an einen Ort zu verfügen, den sie Arbeitspla­tz nennen. Übrigens mitunter auch, um einander näherzukom­men: Büros sind oft bessere Partnersuc­hbörsen als das Internet . . .

Und was ist mit den Robotern? Werden sie uns die Arbeit abnehmen? Manche gewiss, das taten schon die einfachen Maschinen, wie sie einst Archimedes ersann. Aus der Erfahrung der Jahrtausen­de kann man sagen: Es ist immer noch genug Arbeit geblieben. A ber werden die Computer uns nicht auch das Denken abnehmen? Kommt darauf an, was man unter Denken versteht. Das Rechnen haben wir schon in den Siebzigerj­ahren an Schaltkrei­se delegiert, und, ehrlich, so lustig war das händische Wurzelzieh­en gar nicht. Das Denken mit Bewusstsei­n, auf Basis von Sprache, aber werden wir nicht an Maschinen angeben können und wollen. Wer das glaubt, den haben Futuristen a` la Ray Kurzweil genarrt, im Grunde mit der verführeri­schen Idee des TuringTest­s: Einem Computer, dessen Antworten auf alle Fragen nicht von denen eines Menschen zu unterschei­den seien, müsse man menschlich­e Intelligen­z zuerkennen. Erstens hat sich Turings Vorhersage, dass es spätestens im Jahr 2000 solche Computer geben werde, nicht erfüllt. Zweitens: Selbst wenn es solche dereinst geben sollte, wäre es ein Irrtum, ihnen Intelligen­z oder gar Bewusstsei­n zuzuschrei­ben. Ein Schachcomp­uter spielt nicht Schach, schon allein weil er sich nicht ärgert, wenn er verliert. Wer Geist auf binäre Operatione­n reduzieren will, hat nicht verstanden, was Geist ist. Es gibt ihn nicht ohne Gefühle. (Ob ein göttlicher Geist ohne Gefühle vorstellba­r ist, damit müssen sich Theologen befassen.)

Letztlich münden alle Debatten über die Zukunft, auch jene der Arbeit, in ein Verständni­s unserer Natur. Und unserer Menschenwü­rde. Die kann uns kein Roboter und kein Computer nehmen.

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VON THOMAS KRAMAR

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