„Mutwillig herbeigeführte Explosion“
Polen. Sieben Jahre nach dem Unglück von Smolensk wollen der Chef der Regierungspartei, Jaroslaw Kaczynski,´ und seine Anhänger neue Hinweise auf eine Verschwörung gefunden haben.
Warschau. Ewa und Wojtek stehen seit mehr als zwölf Stunden vor dem Präsidentenpalast in der Warschauer Altstadt. „Wir mussten einfach hin, das ist unsere moralische Verantwortung“, erklärt Ewa. Auch ihr Ehemann hatte für die Trauerfeierlichkeiten der Absturzopfer von Smolensk vor sieben Jahren extra frei genommen. Ein offizieller Feiertag ist der 10. April noch nicht, doch die Gedenkfeiern sind bereits staatlich. Hunderte von Polizisten sichern die Straßen zum Präsidentenpalast, vor dem sich in den späten Abendstunden wieder das Kabinett der rechtsnationalen Regierungschefin Beata Szydło versammelt hat. Auftreten soll Jaroslaw Kaczyn´ski, der Zwillingsbruder des damals mit 95 weiteren Passagieren und Crewmitgliedern verunglückten Staatspräsidenten, der als Chef der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“(PiS) heute alle Fäden in der Hand hält.
Am Morgen hatte er nach einer Messe und einem Trauermarsch vor dem Präsidentenpalast schweigend seines geliebten Zwillingsbruders und dessen Ehefrau Maria gedacht. Umso größer sind nun die Erwartungen. „Wir wissen inzwischen, dass es zu Explosionen gekommen ist, die mutwillig auf eine spezielle Weise herbeigeführt wurden“, beginnt Kaczyn´ski seine Rede voller Anspielungen gegen dunkle Mächte, die sich vor sieben Jahren gegen Polen verschworen haben. „Das sind keine Spekulationen, sondern wissenschaftliche Experimente, Computersimulationen höchster Klasse“, behauptet er. Seine Rede und die Feierlichkeiten werden im Staats-TV live gesendet.
Pilotenfehler als Hauptursache
Zu ganz anderen Schlüssen kam Polens staatliche Untersuchungskommission für Luftfahrtsunfälle im Sommer 2011. Demnach sind Pilotenfehler die Hauptursache für den Absturz des Präsidentenflugzeugs beim Landeanflug im dichten Neben auf den westrussischen Militärflughafen Smolensk-Nord am 10. April 2010. Eine Mitschuld trägt laut dieser Untersuchung auch der russische Tower, da er den Landeversuch bei derart schlechten Wetterbedingungen nicht grundsätzlich verboten hatte.
Eine nach dem PiS-Wahlsieg neu zusammen gestellte, staatliche Untersuchungskommission legt einen anderen Hintergrund nahe. In einem nun präsentierten vorläufigen Zwischenbericht hieß es, der Tower in Smolensk habe der Präsidentenmaschine mutwillig falsche Angaben gemacht. Dann sei es noch in der Luft zu mehreren Explosionen gekommen, die nicht durch einen technischen Defekt ausgelöst worden sein konnten. Bereits anderthalb Sekunden vor dem Aufprall in einem Waldstück sei bereits die Hydraulik ausgefallen, sagt die neue Untersuchungskommis- sion unter der Leitung des sich sehr vorsichtig ausdrückenden Wacław Berczyn´ski.
Der in den USA ausgebildete polnische Ingenieur hatte sich vor 2010 nicht auf Flugzeugabstürze spezialisiert, war allerdings auch schon Mitglied der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Absturz der Präsidentenmaschine gewesen, der nur PiSMitglieder angehörten. Bereits diese PUK hatte eine Anschlagshypothese favorisiert, dafür jedoch keine schlüssigen Beweise vorgelegt. Laut Berczyn´ski ist nun „etwas mehr als die Hälfte“der Arbeit getan. Das Wort „Bombenattentat“nahm er nicht mehr in den Mund. Es müsste noch weiter geforscht werden.