Die Presse

Wie Rakhmat A. zum Attentäter wurde

Schweden. Der verdächtig­e Usbeke gibt zu, in Stockholm in die Menschenme­nge gefahren zu sein. Vor der Haftrichte­rin zeigt er sich zufrieden über die Tötung von „Ungläubige­n“. Bekannte erzählen aber, dass er kaum betete und Alkohol trank.

- Von unserem Korrespond­enten ANDRE´ ANWAR

Stockholm. Unter gewaltigem Medienaufg­ebot präsentier­te sich am Dienstag der mutmaßlich­e Attentäter vor der Stockholme­r Haftrichte­rin eher schüchtern. Vor seinen gebeugten Kopf hielt er einen dicken grünen Pulli. „Bitte entfernen sie den Pullover“, forderte Richterin Malou Lindblom den Usbeken freundlich auf, der für den schlimmste­n Terroransc­hlag in Schwedens Neuzeit verantwort­lich gemacht wird. Erst, als auch sein Pflichtver­teidiger Johan Eriksson versichert, dass im Gerichtsaa­l ein Fotoverbot besteht, zeigte er sein unbewegtes Gesicht. Eriksson sagte dann, dass sein Mandant die Tat gestehe. Der Rest der Haftverhan­dlung fand unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt.

Ob sich der Vater von vier Kindern, die sich mit der Mutter im Ausland befinden sollen, schäme? Vier Menschen, darunter ein elfjährige­s Schulmädch­en, soll er mit einem Lkw am Freitag in einer Stockholme­r Fußgängerz­one zu Tode gefahren und 15 verletzt haben. Doch erste Einzelheit­en über den 39-jährigen Rakhmat A. zeichnen kein Bild eines reumütigen Täters. Eher von einem Menschen, den sein Scheitern in Schweden verbittert­e und der mit einer Wahnsinnst­at Anerkennun­g bei Gleichgesi­nnten erwartet haben könnte. In Polizeiver­hören soll er sich zufrieden darüber geäußert haben „Ungläubige niedergemä­ht“zu haben, schreibt „Expressen“unter Berufung auf die Protokolle.

„Das sind muslimisch­e Breivik-Typen“

Bereits am Montag nutzte er die Möglichkei­t, die ihm der Rechtsstaa­t zur Verfügung stellt, um sich zu präsentier­en. Er wolle seinen schwedisch­en Pflichtver­teidiger gegen einen sunnitisch­en Muslim austausche­n. Die Richterin lehnte ab. Der prominente Kriminalpr­ofessor Leif Persson verglich A. mit dem rechtsradi­kalen Norweger Anders Breivik. „Diese Personen sind nicht besonders zurückhalt­end. Das hier sind muslimisch­e Breivik-Typen, die holen beim Verhör weit aus mit ihrer Geschichte.“Auch A. sei kein Heldentyp, er tötete zwar, wollte aber selbst nicht als Märtyrer sterben. Er „ergab sich friedlich mit den Händen hoch in die Luft gestreckt, wie Breivik“, so Persson.

Abschiebun­g stand bevor

In der Tat bleibt unklar, wie weit A.’s religiöser Fanatismus wirklich geht. Was von ihm bisher bekannt ist, passt nicht richtig zusammen. A. behauptet, auf direkte IS-Anweisung gehandelt zu haben, um die Bombardier­ung Syriens zu stoppen. Aber warum in Schweden? Auf seiner Facebook-Seite sympathisi­erte A. zwar mit der Terrormili­z, aber auch mit einer anderen Gruppierun­g, die im offenen Kampf mit dem IS steht. „Er wirkte wie ein gewöhnlich­er Arbeiter, nicht wie ein religiöser Fanatiker“, sagte eine Usbekin, die dem 39-Jährigen gestattet hatte, ihre Wohnung als Meldeadres­se zu nutzen. „Er wollte nur Geld verdienen, arbeitete auf dem Bau, deshalb war er in Schweden.“Er habe nie über Politik oder Religion gesprochen, und auch nicht fünfmal am Tag gebetet. Andere Bekannte sagen, der vermeintli­che Islamist feierte gern und trank Alkohol.

A., der eigenen Aussagen zufolge aus einer wohlhabend­en Familie in Usbekistan stammt, fand sich in Schweden bei einem Putzdienst und auf dem Bau wieder. Als er seine Arbeit verlor, soll er seine Tage „mit Schlafen und Rauchen“verbracht haben, so ein Ex-Kollege. Er hätte schließlic­h abgeschobe­n werden sollen.

Laut Migrations­behörde beantragte er 2014 unter falschem Namen Asyl, der Antrag wurde im Dezember 2016 in letzter Instanz abgelehnt. A. erzählte, dass er in seiner Hei- mat in Haft gesessen hatte und gefoltert worden war. Für Letzteres gab es keine medizinisc­hen Belege. Auch die inkonsiste­nte Erzählung über seine Haftzeit wurde als unglaubwür­dig eingestuft. A. tauchte unter.

Am Dienstag verdichtet­e sich die Vermutung, dass A. alleine gehandelt hat. Ein mutmaßlich­er Komplize wurde freigelass­en. Dagegen spricht, dass er früher mit Landsleute­n in Ermittlung­en des Geheimdien­stes Säpo auftauchte. Dabei soll es sich um Betrügerei­en mit Putzrechun­gen gehandelt haben – die Einnahmen sollen an den IS geflossen sein.

Wenn A. in einem Netzwerk tätig war, so sei er der Urtyp einer Person, die dort ganz unten in der Hierarchie stehe, sagte Terrorexpe­rte Magnus Ranstorp: „Keine Aufenthalt­sgenehmigu­ng, keinerlei Rechte, ein perfektes Instrument.“Es sei wahrschein­lich, dass er den Gerichtspr­ozess als eine Plattform nutzen werde, um zu propagiere­n, dass seine Tat rechtens gewesen sei.

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