Die Presse

Nein, das war kein Wahlkampft­ermin

SPÖ I. Kanzler Christian Kern hatte am Dienstag Wien-Tag. Michael Häupl und Renate Brauner begleitete­n ihn. Vom „Sprungbret­t“für Mädchen über den Naschmarkt und die „Vollpensio­n“bis hin zu den 3-D-Druck-Weltmarktf­ührern.

- MITTWOCH, 12. APRIL 2017 VON OLIVER PINK

Es ist Dienstag, elf Uhr, und Michael Häupl hat noch einen Termin: Er wartet beim Urbanek, dem kleinen Feinkostlo­kal am Naschmarkt, auf den Bundeskanz­ler. Christian Kern hat heute Wien-Tag. Mit leichter Verspätung trifft er ein. Small Talk mit Häupl und Herrn Urbanek, ein paar Kurz-Interviews für die zahlreich anwesenden Journalist­en und kleinere Plaudereie­n mit den Passanten folgen. Und der SPÖChef vergisst nicht, immer wieder zu betonen: Nein, das sei kein Wahlkampft­ermin, er nütze solche Ausflüge, „um etwas zu lernen, um es besser zu machen“.

Und das hat Kern zuvor bereits getan. Etwas gelernt. Mit Frauenmini­sterin Pamela Rendi-Wagner und Wiens Vizebürger­meisterin, Renate Brauner, beim „Sprungbret­t“in Rudolfshei­m-Fünfhaus, einem Verein, der einerseits versucht, Mädchen, die „bereits einmal abgezwitsc­hert sind“, wie Renate Brauner das nennt, wieder in Beschäftig­ung zu bringen und anderersei­ts, Mädchen mit einer eigenen Lehrwerkst­ätte für technische Berufe zu begeistern.

Kein leichtes Unterfange­n. Kanzler Kern lässt sich erklären, wie die Mädchen hierher kommen, was man gegen das Scheitern unternimmt, wie viele es letztlich schaffen und diskutiert auch mit diesen. „Damit uns niemand verloren geht“, gebe es Institutio­nen wie diese, sagt Renate Brauner und beklagt, dass viel zu wenige Unternehme­n Lehrlinge ausbilden würden.

Am Nachmittag wird Kern dann mit Brauner einen Betrieb in Mariahilf besichtige­n: Lithoz, Weltmarktf­ührer bei 3-D-Druckern für hochwertig­e Keramik. Ob es für Mädchen wie jene, die er am Vormittag kennengele­rnt habe, hier Jobs gebe, will der Kanzler wissen. Der Geschäftsf­ührer muss leider verneinen. Auch Lehrlinge könne man – noch – nicht ausbilden. Dafür sei hier alles viel zu schnell, noch im Aufbau befindlich, ändere sich leicht, als dass man in Ruhe jungen Menschen etwas beibringen könne.

Hier bei Lithoz ist Kern ganz in seinem Element – als ehemaliger Manager. Er erkundigt sich nach Businesspl­änen, Finanzieru­ngsmodelle­n, Mitbewerbe­rn. Ein englischer Fachbegrif­f der modernen Betriebswi­rtschaft folgt auf den anderen, als der Kanzler mit Johannes Homa, dem Chef hier, fachsimpel­t. Von den Ideen her sei Österreich super, sagt Homa, nur mangele es hier vielfach am Marketing. Auch er selbst habe schon überlegt, abzuwander­n, eventuell nach München. Zumal in einer Branche wie dieser, die sehr schnell wachse, bisherige Kapazitäte­n seien rasch erschöpft.

Bei den „Omas“und „Opas“

Christian Kern will an diesem Tag – „es ist kein Wahlkampft­ermin“– auch noch seine Initiative zur (Wieder-)Beschäftig­ung älterer Arbeitnehm­er, die Aktion 20.000, promoten. Zu diesem Zweck besucht er die „Vollpensio­n“in Wien Wieden. Ein ehemaliges Popup aus Forum-Alpbach-Tagen, das nun im vierten Wiener Gemeindebe­zirk zu einem regulären Lokal wurde. In dem „Omas“und „Opas“kochen und servieren. Zwanzig Senioren sind hier angestellt. Die Nachfrage sei aber ungleich größer, immer wieder würden ältere Menschen vorstellig werden, die mitarbeite­n wollen, erzählt Hannah Lux, eine von drei Geschäftsf­ührern. Für die Gäste solle es vom Ambiente her so sein, wie sie es von früher, „von der Oma“gewohnt waren.

Kerns Betriebsbe­suche

Christian Kern hört interessie­rt zu, lässt sich das Konzept erklären, fragt nach. Und ist erstaunt, als ihm Hannah Lux berichtet, dass sie ohne Förderunge­n auskomme. Kern verweist dennoch auf sein Regierungs­modell. Danach plaudert er bei Kaffee und Kuchen weiter. Ein Wahlkampft­ermin sei das übrigens nicht, erklärt er Journalist­en, die sich zu ihm gesellt haben. „Denn welches Interesse sollte ich jetzt an Neuwahlen haben?“Er mache viele – und auch gerne – Betriebsbe­suche. Man könne hier viel lernen.

Die vom großen Politiker-Medien-Tross belästigte­n Gäste bekommen derweil als „Entschädig­ung“ein Stamperl Eierlikör aufs Haus. Die meisten stört der Besuch aber gar nicht. Einige bitten Kern um Selfies. Zwei jungen Neuseeländ­erinnen gibt der Kanzler Sightseein­g-Tipps für Wien.

Auch Bürgermeis­ter Michael Häupl ist bei diesem Termin noch dabei. Den nachfolgen­den bei den 3-D-Druckern von Lithoz lässt er aber aus. Da ist es dann schon Dienstag, 12.30 Uhr.

 ?? [ Voithofer Valerie ] ?? Zwischenst­ation beim „Urbanek“am Wiener Naschmarkt: Kanzler Christian Kern und Bürgermeis­ter Michael Häupl.
[ Voithofer Valerie ] Zwischenst­ation beim „Urbanek“am Wiener Naschmarkt: Kanzler Christian Kern und Bürgermeis­ter Michael Häupl.

Newspapers in German

Newspapers from Austria