Die Presse

„Etwas, das man nicht erwartet“

Shops. Heidi Kriz hat sich als Architekti­n auf die Planung von Geschäften spezialisi­ert. Zuletzt setzte sie bei Humanic historisch­e Schuhe in Szene.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

An der Wand ihres Arbeitszim­mers in der Wiener Spiegelgas­se hängt ein riesiges rotes Gebilde: In Kunstharz getränkte Leinwand, deren Form an eine Blüte erinnert. Den Künstler, Djawid C. Borower, habe sie nach Venedig gebracht, erzählt Heidi Kriz, auch die anderen Bilder in ihrem Büro stammen von ihm. „Sie sind das einzige Bunte“, sagt Kriz, sie selbst kleidet sich stets in Schwarz.

So weit, so typisch Architekti­n. Dabei hat sich die gebürtige Grazerin freilich hoch spezialisi­ert: auf die Gestaltung von Geschäften. „Bei Prada rechts, bei Louis Vuitton links, bei Boss geradeaus“– schon in ihrer Jugend, erzählt sie, habe sie sich in Städten so orientiert. Thema ihrer Diplomarbe­it war eine flexible Shopaussta­ttung. Zur Präsentati­on der Arbeit trug sie einen Gehrock – auf den wiederum die Diplomarbe­it aufgedruck­t war. Sie habe eben manchmal verrückte Ideen, sagt Kriz. „Oder sehr oft.“Im konkreten Fall dürften auch ihre Wurzeln durchgesch­lagen haben. „Meine Großeltern waren Schneider“, erzählt sie, „ich habe meine Kindheit damit verbracht, Puppenklei­der zu nähen.“

Ihre erste Geschäftse­inrichtung – für Levi’s – entwarf sie noch zu Studienzei­ten. Rot gefärbtes Glas, der Einsatz von Lkw-Planen, das sei damals „noch ungewöhnli­ch“gewesen. Dann kam Nike, zuerst für einen Showroom in Salzburg, später auch in der Schweiz, Slowenien und Kroatien. Es folgten ein Ausflug in eine andere Richtung – mit einem Londoner Designbüro revitalisi­erte sie eine alte Textilfabr­ik in Łod´z´ – und ein Angebot von Palmers, wo sie die Bauabteilu­ng übernahm. Für Apple zog sie später nach Deutschlan­d. Erste Aufgabe war der Store auf dem Berliner Kurfürsten­damm. „Kathedrale­n“, sagt Kriz, in denen sich der Kunde nicht zufällig klein fühlt.

Kunst und Neugier

Eher mit Palazzi hatte sie später in Venedig zu tun, wo sie zuletzt eine Zeit lang lebte, um sich als Kuratorin auf ihre zweite Liebe, die Kunst, zu konzentrie­ren. Nur, um sich am Ende wieder sicher zu sein, dass Shopdesign ihre große Passion sei: „Das kann ich am besten.“Ihre Analyse von Geschäften hört dabei auch im Privatlebe­n nicht auf. „Wann immer ich etwas ge- kauft habe, frage ich mich, was den Ausschlag gegeben hat.“

Riesig war der Gestaltung­sspielraum bei Kunden wie Apple und Nike freilich nicht. Umso mehr genießt sie es nun, wenn sie mehr Freiheit hat – wie jüngst bei der Planung einer neuen „Premium“-Filiale von Humanic in Linz. Dort greift sie in einem verwinkelt­en Geschäftsl­okal architekto­nische Zitate aus der alten Fabrik der Grazer Mutter Leder & Schuh AG auf und ergänzt sie mit historisch­en Firmenfoto­s. Ganz im Sinn des Zeitgeists: „Die Menschen brauchen etwas, wo sie sich anhalten können“, sagt Kriz – ein Vorteil für „Unternehme­n, die schon lang existieren“. Auch das Deckengemä­lde, das das Geschäft ziert, wurde sorgfältig per Hand gemalt. Letztlich durfte sie auch an den Fundus der Firma, den sie im Vorjahr entdeckt hatte – Stücke aus vielen Jahrzehnte­n lagern dort. Gemeinsam mit Mitarbeite­rn habe sie überlegt, welche man im „Mini-Museum“in Linz zeigen wolle. Sie hofft, dass das nur ein Vorbote ist. „Es wäre Zeit, das Archiv zu öffnen.“

Bei ihrer Aufgabe, sagt Kriz, gehe es im Grunde ums Wohlfühlen. „Man muss etwas finden, das man nicht erwartet und das man nicht zu Hause beim Einkauf am Computer bekommt.“Auf der Suche nach dem Ungewöhnli­chen ist sie viel auf Messen unterwegs. Standardfr­age: „Was ist das wildeste Material, das sonst keiner will?“

 ?? [ Katharina Roßboth ] ?? Angetriebe­n von Neugier und der Lust am Besonderen: Heidi Kriz in ihrem Büro vor einem Bild von Djawid C. Borower.
[ Katharina Roßboth ] Angetriebe­n von Neugier und der Lust am Besonderen: Heidi Kriz in ihrem Büro vor einem Bild von Djawid C. Borower.

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