Die Presse

Der IWF sorgt sich um unser Kuchenstüc­k

Die große Einkommens­ungleichhe­it stört selbst den Währungsfo­nds.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ass der Anteil der Lohnkosten am Volkseinko­mmen seit vielen Jahren kontinuier­lich sinkt, ist nicht wirklich neu. Dass sich der bisher als arg neoliberal verschriee­ne Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) zu sorgen beginnt, weil der sinkende Lohnkosten­anteil das Wachstum der Einkommens­ungleichhe­it stark beschleuni­gt, schon.

Allerdings sorgen sich die IWF-Experten zu Recht: Wir steuern nämlich weltweit offensicht­lich auf ein ernstes Verteilung­sproblem zu, das die Politik in dieser Schärfe noch nicht erkannt hat und das sich mit konvention­ellen Methoden nicht lösen lässt. Etwa mit der Trump’schen „America First“-Politik, die den Grund des Übels in Globalisie­rung und Freihandel sieht.

Das wird durch die jüngste IWF-Studie ganz eindeutig widerlegt: Wenn dem so wäre, dann müsste der Anteil der Lohnkosten in den von der Globalisie­rung profitiere­nden Schwellenl­ändern steigen. Tut er aber nicht. Auch dort sinkt der Anteil der Arbeitnehm­er am erarbeitet­en Gesamtkuch­en seit 25 Jahren beständig ab.

Die Experten vom IWF und vom World Economic Forum haben nun erstmals explizit den „Hauptschul­digen“für diese Entwicklun­g genannt: den technologi­schen Fortschrit­t vulgo Automatisi­erung und Roboterisi­erung (siehe auch Themenstre­cke auf den Seiten 1 und 2 dieser Ausgabe). D as ist jetzt ein Problem: Freihandel kann man mit Schutzzöll­en abblocken. Wer aber versucht, technologi­schen Fortschrit­t aufzuhalte­n oder auch nur zu behindern, der wird sehr schnell auf dem Abstellgle­is der Geschichte landen. Und das genaue Gegenteil des gewünschte­n Wohlstands­effekts erreichen.

Wir werden uns aber, das ist wohl eine der IWFBotscha­ften, bald in einer intensiven Verteilung­sdiskussio­n wiederfind­en, von deren Ausgang es abhängen wird, ob wir mittelfris­tig in eine Phase der Massenvera­rmung a` la frühes Industriez­eitalter hineinschl­ittern, oder ob wir die neuen Möglichkei­ten zum Ausbau des erreichten Massenwohl­stands nutzen können. Links-rechts-Ideologien aus der Mottenkist­e des vorigen Jahrhunder­ts werden uns da allerdings mit Sicherheit nicht weiterbrin­gen.

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