Heimische Hilfe gegen Babygeschrei in Asien
Kinder. Nach Europa und den USA will der heimische Marktführer bei Schnullern und Babyfläschchen MAM jetzt die Expansion in Asien vorantreiben. In Thailand wurde im Herbst daher ein neues Werk in Betrieb genommen.
Wien. Fast 100.000 Mal pro Tag wird irgendwo auf der Welt ein Schnuller des Wiener Unternehmens MAM über eine Infrarotkasse gezogen. Hinzu kommen 20.000 Fläschchen und andere Baby-Produkte wie Beißringe. Mit insgesamt 63 Millionen verkauften Produkten pro Jahr gehört der heimische Marktführer damit auch international zu den Großen seiner Branche. Und das soll in Zukunft noch weiter zunehmen. Denn um die Expansion in Asien voranzutreiben, hat MAM im vergangenen Herbst in Thailand ein neues Werk mit 100 Mitarbeitern in Betrieb genommen. Von dort sollen nun auch große Märkte wie China und Japan verstärkt bedient werden.
„Die japanischen und koreanischen Autohersteller waren auch erst dann erfolgreich, als sie in Europa eigene Designabteilungen hatten“, sagt Firmengründer Peter Röhrig. Und Design sei auch bei Babyartikeln ein nicht zu unterschätzender Faktor. So kommen etwa aus der Textilindustrie jedes Jahr die Modefarben der kommenden Jahre – und die Schnuller von MAM werden darauf abgestimmt.
Aber auch der grundsätzliche Geschmack unterscheidet sich zwischen westlichen und asiatischen Kunden deutlich. „Für Europäer und Amerikaner müssen die Produkte einfach nur herzig aussehen. In Asien sind hingegen konkrete Glückssymbole auf den Produkten entscheidend“, so Röhrig. Bisher werden sämtliche Produkte im Entwicklungszentrum in Niederösterreich designed und im Produktionswerk im ungarischen Szombathely zusammengebaut. Die Kunststoffteile werden dabei jedoch aus Österreich angeliefert. „Wir sind wie ein Autohersteller, kaufen die einzelnen Teile bei Zulieferern und sie werden im Werk dann zusammengebaut.“
Das Werk in Ungarn betreibt MAM seit den 1990er-Jahren. Gegründet wurde das Unternehmen von Röhrig jedoch schon im Jahr 1976. Sein Vater hatte eine Firma für Kunststoffteile. Röhrig wollte jedoch nicht reiner Zulieferer bleiben, sondern ein eigenes Konsumenten-Produkt erzeugen. „Ich suchte ein Produkt, das klein genug war, um damit auch als Mittelständler Erfolg zu haben. Und Schnuller sind für Konzerne wie Procter & Gamble eben zu klein.“
Zusammen mit der Hochschule für Angewandte Kunst und der Medizin Uni Wien wurde von MAM damals der erste medizinische Schnuller entwickelt. „Bis dahin waren Schnuller noch reine Stoppel für ein schreiendes Kind.“Heute sind sie ergonomisch genau auf die Baby-Münder abgestimmt, sodass es etwa zu keinerlei Beeinträchtigungen beim Zahnwachstum oder Hautreizungen kommt.
Forschung mit Frühgeborenen
Wie wichtig die medizinische Komponente bei MAM ist, zeigt die F&E-Abteilung, in der sich 28 Personen den Kopf über neue Produkte zerbrechen. „Bei Fläschchen geht es etwa darum, das Trinken leichter zu machen und zu verhindern, dass die Babys zu viel Luft schlucken, weil das Koliken verursacht“, so Röhrig. Daher werden auch wissenschaftliche Studien durchgeführt. Etwa mit Frühgebo- renen, weil die sehr sensibel sind. Sie wurden abwechselnd aus MAM-Fläschchen und aus anderen Fläschchen gefüttert. Dabei wurde die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen, die quasi den Stress für das Kind misst. „Unsere Fläschchen waren dabei deutlich stressfreier für die Kinder“, so Röhrig.
Mit dem Verkauf in Österreich hat MAM im Mai 1976 begonnen. Kurz danach ging das Unternehmen bereits in Deutschland, der Schweiz, Belgien und Finnland an den Start. Heute ist das Unternehmen in ganz Europa, ganz Amerika und auch bereits weiten Teilen Asiens aktiv. Gemeinsam mit dem deutschen Hersteller Nuk und dem inzwischen zu Philips gehörenden britischen Unternehmen Avent teile man sich die globale Marktführerschaft weitgehend auf.
Konkrete Zahlen zu Umsatz oder Gewinn will Röhrig zwar nicht nennen. Aber: „Wir sind seit 1976 jedes Jahr um zehn Prozent gewachsen.“Zuletzt gab es sogar ein Plus von 20 Prozent pro Jahr. Und auch die Wirtschaftskrise der Jahre 2008/09 habe man überhaupt nicht gespürt, sagt Röhrig. „Wir sind von den Konsumschwankungen völlig abgekoppelt.“
Und die sinkende Fertilitätsrate? Muss sich ein Schnullerhersteller Sorgen über die Zukunft machen? Röhrig sieht kein Problem. Im Gegenteil: „Für uns sind Eltern, die älter sind sogar besser. Denn sie achten mehr auf gute Produkte und sind bereit mehr Geld auszugeben.“