Verschnaufpause für Venezuela
Staatspleite. Es ist ein Kraftakt mithilfe mysteriöser Figuren. Aber mit der Bedienung der fälligen Schulden verschafft der Staatskonzern PDVSA dem von Protesten belasteten Land eine kurze Pause.
Caracas. Es liest sich wie eine Beruhigungspille. Und es sollte angesichts der blutigen Proteste und der Versorgungskrise im Land wohl auch klingen, als ob alles in bester Ordnung und die Situation im Griff wäre. „Der wichtigste Erdölkonzern des Landes, Petroleos´ de Venezuela S. A. (PDVSA), stellt seine robuste Produktionskapazität unter Beweis, indem er seinen Gläubigern alle fälligen Zinsen überweist. So demonstriert er jene Solvenz, die ihn seit jeher auszeichnet.“
Was die Spitze des Staatskonzerns, immerhin größter Exporteur des Landes, in ihrer am Dienstag präsentierten Erklärung nicht erwähnte: Das Geld für den Schuldendienst sprudelte keineswegs aus den theoretisch reichhaltigen Ölquellen. Es stammte zu einem erheblichen Teil aus Notverkäufen oder extrem teuren Darlehen.
Heikler als Argentinien 2001
Nach drei Jahren tiefer Ölpreise nämlich ist Venezuelas Zustand desolat. 1600 Prozent Inflation, eine Rezession von über zehn Prozent und gerade noch etwa zehn Milliarden Dollar (9,45 Mrd. Euro) Währungsreserven.
Dabei sind jene 2,9 Mrd. Dollar, die die Ölgesellschaft heute, Mittwoch, ihren Gläubigern auszahlen wird, nur die erste Rate. Insgesamt muss die bolivarische Republik heuer mindestens neun Mrd. Dollar für den Schuldendienst aufbringen. Sollte sie das nicht stemmen können, droht der größte Staatsbankrott der Geschichte – dramatischer als jener in Argentinien 2001.
Vorerst ist der Zahlungsausfall, der die Ölindustrie lahmlegen und damit die Revolution sämtlicher Einkünfte berauben würde, abgewendet. Dafür hat Präsident Nicolas´ Maduro vor zehn Tagen eine massive politische Krise riskiert, als er das von der Opposition kontrollierte Parlament entließ. Aber nur so konnte er jene Manöver ins Werk setzen, die PDVSA wohl vorerst retten werden.
„Das Gespenst“aus Mexiko
Dem russischen Ölkonzern Rosneft wollte er zehn Prozent an einem Förderprojekt verkaufen, eine Bestätigung dieses Deals steht bislang aus. Und Maduro bekam wohl auch Hilfe von einem Mann, den sie an der Wall Street „das Gespenst“nennen: David Mart´ınez, CEO des Hedge Fonds Fintech Advisory.
Er soll dem siechen Ölriesen 300 Millionen in cash geliehen und dafür PDVSA-Anteile im Wert von 1,3 Milliarden Dollar bekommen haben, meldete Reuters. Dass diese Berichte nicht dementiert wurden, ist ein Indiz für deren Wahrheitsgehalt. Ein anderes ist der Name des Hauptakteurs selbst. David Manuel Mart´ınez Guzman´ nämlich macht Deals, die sich kein anderer traut. Der 59-jährige Mexikaner investierte in angeschlagene Unternehmen wie Italiens wankende Bank Monte dei Paschi. Aber er steckte sein Geld auch in hoffnungslose Staaten wie Pakistan, Griechenland und vor allem Argentinien. Dort nannten ihn Kirchner-nahe Journalisten einmal „den guten Geier“. In der Pampa gefiel ihm das TV-Kabelnetz und Telecom Argentina, bankrott nach 2001. Heute ist er deren Eigner.
Nach zig Besuchen im Präsidentenpalast war es schließlich der argentinische Präsident, Mauricio Macri, der nach seinem Wahlsieg 2015 seinen Segen zu dem Kauf gab, offenbar weil er Mart´ınez als Gegengewicht zum übermächtigen Medienkonzern Clar´ın braucht, der selbst lange auf die Telecom gespitzt hatte.
Hoffen auf Ölpreise
Mart´ınez’ Stärke ist das Bearbeiten von Spitzenpolitikern – in absoluter Diskretion. Von dem Mann, dessen Vermögen Bloomberg im Vorjahr auf 2,6 Mrd. Dollar schätzte, gibt es kaum Fotos. Obwohl er 2003 ein 42-Millionen-Dollar-Appartement mit Blick auf den Central Park erstand, verbringt er die meiste Zeit in London, wo er sich am liebsten per U-Bahn fortbewegt.
Der schlanke, nur 1,60 Meter große Spross einer Oberschichtfamilie und einstige Eleve der ultrakonservativen Legionäre Christi wollte zunächst Priester werden, sattelte dann doch auf Ingenieur um, ehe er an der Harvard Business School die Grundlagen seiner Finanzkarriere legte.
Heute hofft er gemeinsam mit der venezolanischen Regierung darauf, dass die Ölpreise wieder steigen. Und dass das inzwischen wieder eingesetzte Parlament in der Hauptstadt Caracas diese Deals nicht widerruft.