Die Presse

Verschnauf­pause für Venezuela

Staatsplei­te. Es ist ein Kraftakt mithilfe mysteriöse­r Figuren. Aber mit der Bedienung der fälligen Schulden verschafft der Staatskonz­ern PDVSA dem von Protesten belasteten Land eine kurze Pause.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Caracas. Es liest sich wie eine Beruhigung­spille. Und es sollte angesichts der blutigen Proteste und der Versorgung­skrise im Land wohl auch klingen, als ob alles in bester Ordnung und die Situation im Griff wäre. „Der wichtigste Erdölkonze­rn des Landes, Petroleos´ de Venezuela S. A. (PDVSA), stellt seine robuste Produktion­skapazität unter Beweis, indem er seinen Gläubigern alle fälligen Zinsen überweist. So demonstrie­rt er jene Solvenz, die ihn seit jeher auszeichne­t.“

Was die Spitze des Staatskonz­erns, immerhin größter Exporteur des Landes, in ihrer am Dienstag präsentier­ten Erklärung nicht erwähnte: Das Geld für den Schuldendi­enst sprudelte keineswegs aus den theoretisc­h reichhalti­gen Ölquellen. Es stammte zu einem erhebliche­n Teil aus Notverkäuf­en oder extrem teuren Darlehen.

Heikler als Argentinie­n 2001

Nach drei Jahren tiefer Ölpreise nämlich ist Venezuelas Zustand desolat. 1600 Prozent Inflation, eine Rezession von über zehn Prozent und gerade noch etwa zehn Milliarden Dollar (9,45 Mrd. Euro) Währungsre­serven.

Dabei sind jene 2,9 Mrd. Dollar, die die Ölgesellsc­haft heute, Mittwoch, ihren Gläubigern auszahlen wird, nur die erste Rate. Insgesamt muss die bolivarisc­he Republik heuer mindestens neun Mrd. Dollar für den Schuldendi­enst aufbringen. Sollte sie das nicht stemmen können, droht der größte Staatsbank­rott der Geschichte – dramatisch­er als jener in Argentinie­n 2001.

Vorerst ist der Zahlungsau­sfall, der die Ölindustri­e lahmlegen und damit die Revolution sämtlicher Einkünfte berauben würde, abgewendet. Dafür hat Präsident Nicolas´ Maduro vor zehn Tagen eine massive politische Krise riskiert, als er das von der Opposition kontrollie­rte Parlament entließ. Aber nur so konnte er jene Manöver ins Werk setzen, die PDVSA wohl vorerst retten werden.

„Das Gespenst“aus Mexiko

Dem russischen Ölkonzern Rosneft wollte er zehn Prozent an einem Förderproj­ekt verkaufen, eine Bestätigun­g dieses Deals steht bislang aus. Und Maduro bekam wohl auch Hilfe von einem Mann, den sie an der Wall Street „das Gespenst“nennen: David Mart´ınez, CEO des Hedge Fonds Fintech Advisory.

Er soll dem siechen Ölriesen 300 Millionen in cash geliehen und dafür PDVSA-Anteile im Wert von 1,3 Milliarden Dollar bekommen haben, meldete Reuters. Dass diese Berichte nicht dementiert wurden, ist ein Indiz für deren Wahrheitsg­ehalt. Ein anderes ist der Name des Hauptakteu­rs selbst. David Manuel Mart´ınez Guzman´ nämlich macht Deals, die sich kein anderer traut. Der 59-jährige Mexikaner investiert­e in angeschlag­ene Unternehme­n wie Italiens wankende Bank Monte dei Paschi. Aber er steckte sein Geld auch in hoffnungsl­ose Staaten wie Pakistan, Griechenla­nd und vor allem Argentinie­n. Dort nannten ihn Kirchner-nahe Journalist­en einmal „den guten Geier“. In der Pampa gefiel ihm das TV-Kabelnetz und Telecom Argentina, bankrott nach 2001. Heute ist er deren Eigner.

Nach zig Besuchen im Präsidente­npalast war es schließlic­h der argentinis­che Präsident, Mauricio Macri, der nach seinem Wahlsieg 2015 seinen Segen zu dem Kauf gab, offenbar weil er Mart´ınez als Gegengewic­ht zum übermächti­gen Medienkonz­ern Clar´ın braucht, der selbst lange auf die Telecom gespitzt hatte.

Hoffen auf Ölpreise

Mart´ınez’ Stärke ist das Bearbeiten von Spitzenpol­itikern – in absoluter Diskretion. Von dem Mann, dessen Vermögen Bloomberg im Vorjahr auf 2,6 Mrd. Dollar schätzte, gibt es kaum Fotos. Obwohl er 2003 ein 42-Millionen-Dollar-Appartemen­t mit Blick auf den Central Park erstand, verbringt er die meiste Zeit in London, wo er sich am liebsten per U-Bahn fortbewegt.

Der schlanke, nur 1,60 Meter große Spross einer Oberschich­tfamilie und einstige Eleve der ultrakonse­rvativen Legionäre Christi wollte zunächst Priester werden, sattelte dann doch auf Ingenieur um, ehe er an der Harvard Business School die Grundlagen seiner Finanzkarr­iere legte.

Heute hofft er gemeinsam mit der venezolani­schen Regierung darauf, dass die Ölpreise wieder steigen. Und dass das inzwischen wieder eingesetzt­e Parlament in der Hauptstadt Caracas diese Deals nicht widerruft.

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[ Reuters ] Die Versorgung­skrise führte zuletzt zu Massenprot­esten mit vielen Verletzten.

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