„Im Flug kenne ich keine Angst“
Skispringen. Stefan Kraft ist als Doppelweltmeister, Weltrekordhalter und Gesamtweltcupsieger der Überflieger: ein Gespräch über Geheimnisse, Malediven, Ruhm – und die Liebe zum FC Bayern.
Die Presse: Doppelweltmeister, Skiflugweltrekordler mit 253,5 Metern, Skiflug- und Gesamtweltcupsieger – haben Sie all diese Erfolge schon realisiert? Stefan Kraft: Ganz ehrlich: Nein, noch immer nicht. Die Springerei ist seit zwei Wochen für diese Saison vorbei, im Kopf fühlt es sich aber so an, als wären es Ewigkeiten. Und bis jetzt hatte ich noch keine Ruhe, konnte nicht entspannen, loslassen. Das alles zu realiseren ist noch nicht gegangen. Jetzt, ich bin Ostern zu Hause, dann fliegen wir weg; dann schalte ich ab.
Sie haben während der Erfolgsserie nie darüber nachgedacht? Ich bin marschiert, immer weiter. Bis Planica, der Saisonabschluss alles erreicht, geschafft und vorbei war. Es ging darum, ja nicht die Konzentration zu verlieren. Morgenstern, Schlierenzauer, Felder, Vettori – sie haben das nicht geschafft, sie wurden nicht Doppelweltmeister, aber ich schon! Und dazu hab ich jetzt den Weltrekord, zumindest für ein Jahr.
Was ändert sich jetzt für Sie mit Gold, Rekorden, Preisgeldern? Ich will der gleiche bleiben, der ich immer war. Ich will diese Situation aber auch genießen. Wer in Österreich Erfolg hat, wird von Schulterklopfern und „Freunden“gestürmt . . . . . . es ist noch keiner auffällig geworden. Ich bin bislang noch mit jedem gut ausgekommen. Es haben sich viele gemeldet, gratuliert.
Sieger verlieren dennoch ihre Anonymität, selbst intimste Geheimnisse. Stimmt das? Da muss man aufpassen. Das Interview bei Claudia Stöckl auf Ö3 war nicht einfach für mich, es war so privat, persönlich. Nicht nur eine Frage dahingehend, sondern mehrere, in Bezug auf meine Beziehung. Ich hatte meine Freundin schon vorher gesehen, bevor ich ihr auf Facebook geschrieben habe. Die „Stalkerei“, also das Durchforsten der Profile, war dabei. Ich habe sie paar Mal getroffen, mit ihr geredet, es war also nicht nur online. Aber wenn man es einmal gesagt hat, ist es halt so draußen . . .
Aber die Vorgeschichte zum Malediven-Urlaub stimmt? Ja, ich habe es meiner Freundin – vor Jahren – versprochen. Wenn ich einmal einen Weltcup gewinne, fliegen wir dorthin. Das muss ich jetzt einlösen. (lacht)
Sie gelten als Bayern-Fan, warum sind Sie heute nicht beim Spiel gegen Real Madrid? Ich hatte die Chance, meine Tante und mein Onkel haben seit 25 Jahren immer eine Saisonkarte. Als Achtjähriger war ich erstmals dabei, ich war immer schon BayernFan. Auch, weil ich gemerkt habe, dass keiner die Bayern mag, dann haben sie mir gleich noch viel besser gefallen. Aber ich habe in Wien Wege und Termine, besuche meinen Sponsor Manner. Das RealSpiel schaue ich mir mit der Familie im Fernsehen an. Wenn sie ins Champions League Finale kommen, bin ich in Cardiff aber sicher dabei.
Wenn Sie David Alaba treffen, werden Sie dann zum Fan? Ja! Ich habe ihn schon getroffen, einige Male. Ich war am Trainingsgelände an der Säbener Straße, durfte beim Training zuschauen – er ist wirklich ein toller Typ. Haben sich andere Sportstars bei Ihnen gemeldet, was sagten die zu Ihrem Höhenflug? Benjamin Karl, Marcel Hirscher und Thomas Morgenstern haben sich gemeldet. Sie haben mir geraten, alles zu verarbeiten, zu begreifen. Wir leben ja im Jetzt, soetwas passiert vielleicht nur einmal.
Sie sind seit 2012 im Weltcup unterwegs, haben Sie manchmal noch Angst nach dem Absprung? Ja, im Herbst gab es ein, zwei gefährliche Sprünge. Wir hatten da auch bei der Bindung etwas probiert. Es waren kritische Situationen, ungut, aber nicht gefährlich. Im Lauf der Saison hat mein System aber gepasst – da hätte unten jeder Wind sein können. Wenn Heinz (Anm. Cheftrainer Kuttin) mir das Zeichen gibt, geht alles, im Flug kenne ich keine Angst. Dieses Selbstvertrauen habe ich.
Was macht Heinz Kuttin anders als andere Skisprungtrainer? Er ist sehr locker, einfach gestrickt, arbeitet ohne Hexereien. Er konzentriert sich auf das Wesentliche. Es gibt keine Geheimnisse mehr!
Das war früher nicht der Fall? Nein. Kuttin hat einen klaren Umschwung gebracht. Es gibt keine Geheimnisse oder Unklarheiten beim Material mehr.