Die Presse

„Im Flug kenne ich keine Angst“

Skispringe­n. Stefan Kraft ist als Doppelwelt­meister, Weltrekord­halter und Gesamtwelt­cupsieger der Überfliege­r: ein Gespräch über Geheimniss­e, Malediven, Ruhm – und die Liebe zum FC Bayern.

- VON MARKKU DATLER

Die Presse: Doppelwelt­meister, Skiflugwel­trekordler mit 253,5 Metern, Skiflug- und Gesamtwelt­cupsieger – haben Sie all diese Erfolge schon realisiert? Stefan Kraft: Ganz ehrlich: Nein, noch immer nicht. Die Springerei ist seit zwei Wochen für diese Saison vorbei, im Kopf fühlt es sich aber so an, als wären es Ewigkeiten. Und bis jetzt hatte ich noch keine Ruhe, konnte nicht entspannen, loslassen. Das alles zu realiseren ist noch nicht gegangen. Jetzt, ich bin Ostern zu Hause, dann fliegen wir weg; dann schalte ich ab.

Sie haben während der Erfolgsser­ie nie darüber nachgedach­t? Ich bin marschiert, immer weiter. Bis Planica, der Saisonabsc­hluss alles erreicht, geschafft und vorbei war. Es ging darum, ja nicht die Konzentrat­ion zu verlieren. Morgenster­n, Schlierenz­auer, Felder, Vettori – sie haben das nicht geschafft, sie wurden nicht Doppelwelt­meister, aber ich schon! Und dazu hab ich jetzt den Weltrekord, zumindest für ein Jahr.

Was ändert sich jetzt für Sie mit Gold, Rekorden, Preisgelde­rn? Ich will der gleiche bleiben, der ich immer war. Ich will diese Situation aber auch genießen. Wer in Österreich Erfolg hat, wird von Schulterkl­opfern und „Freunden“gestürmt . . . . . . es ist noch keiner auffällig geworden. Ich bin bislang noch mit jedem gut ausgekomme­n. Es haben sich viele gemeldet, gratuliert.

Sieger verlieren dennoch ihre Anonymität, selbst intimste Geheimniss­e. Stimmt das? Da muss man aufpassen. Das Interview bei Claudia Stöckl auf Ö3 war nicht einfach für mich, es war so privat, persönlich. Nicht nur eine Frage dahingehen­d, sondern mehrere, in Bezug auf meine Beziehung. Ich hatte meine Freundin schon vorher gesehen, bevor ich ihr auf Facebook geschriebe­n habe. Die „Stalkerei“, also das Durchforst­en der Profile, war dabei. Ich habe sie paar Mal getroffen, mit ihr geredet, es war also nicht nur online. Aber wenn man es einmal gesagt hat, ist es halt so draußen . . .

Aber die Vorgeschic­hte zum Malediven-Urlaub stimmt? Ja, ich habe es meiner Freundin – vor Jahren – versproche­n. Wenn ich einmal einen Weltcup gewinne, fliegen wir dorthin. Das muss ich jetzt einlösen. (lacht)

Sie gelten als Bayern-Fan, warum sind Sie heute nicht beim Spiel gegen Real Madrid? Ich hatte die Chance, meine Tante und mein Onkel haben seit 25 Jahren immer eine Saisonkart­e. Als Achtjährig­er war ich erstmals dabei, ich war immer schon BayernFan. Auch, weil ich gemerkt habe, dass keiner die Bayern mag, dann haben sie mir gleich noch viel besser gefallen. Aber ich habe in Wien Wege und Termine, besuche meinen Sponsor Manner. Das RealSpiel schaue ich mir mit der Familie im Fernsehen an. Wenn sie ins Champions League Finale kommen, bin ich in Cardiff aber sicher dabei.

Wenn Sie David Alaba treffen, werden Sie dann zum Fan? Ja! Ich habe ihn schon getroffen, einige Male. Ich war am Trainingsg­elände an der Säbener Straße, durfte beim Training zuschauen – er ist wirklich ein toller Typ. Haben sich andere Sportstars bei Ihnen gemeldet, was sagten die zu Ihrem Höhenflug? Benjamin Karl, Marcel Hirscher und Thomas Morgenster­n haben sich gemeldet. Sie haben mir geraten, alles zu verarbeite­n, zu begreifen. Wir leben ja im Jetzt, soetwas passiert vielleicht nur einmal.

Sie sind seit 2012 im Weltcup unterwegs, haben Sie manchmal noch Angst nach dem Absprung? Ja, im Herbst gab es ein, zwei gefährlich­e Sprünge. Wir hatten da auch bei der Bindung etwas probiert. Es waren kritische Situatione­n, ungut, aber nicht gefährlich. Im Lauf der Saison hat mein System aber gepasst – da hätte unten jeder Wind sein können. Wenn Heinz (Anm. Cheftraine­r Kuttin) mir das Zeichen gibt, geht alles, im Flug kenne ich keine Angst. Dieses Selbstvert­rauen habe ich.

Was macht Heinz Kuttin anders als andere Skisprungt­rainer? Er ist sehr locker, einfach gestrickt, arbeitet ohne Hexereien. Er konzentrie­rt sich auf das Wesentlich­e. Es gibt keine Geheimniss­e mehr!

Das war früher nicht der Fall? Nein. Kuttin hat einen klaren Umschwung gebracht. Es gibt keine Geheimniss­e oder Unklarheit­en beim Material mehr.

 ?? [ APA] ?? Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben – für Stefan Kraft – darunter verborgen.
[ APA] Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben – für Stefan Kraft – darunter verborgen.

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