Die Presse

Listig-lustige „Verwandlun­gen“

Theaterkol­lektiv. Aggregat Valudskis ergötzt mit der spielerisc­hen Darstellun­g von Prosa im Hörsaal der Akademie der bildenden Künste.

- VON NORBERT MAYER

Die Geschichte­n sind absurd und skurril, der Raum – eine Art Amphitheat­er in Miniatur, mit einem Rund an Holzbänken, einem Podium vorne, dazwischen einem Seziertisc­h – ist intim. Das war die ideale Voraussetz­ung für die gelungene Premiere von „Verwandlun­gen oder ungern als Mensch“durch das Theaterkol­lektiv Aggregat Valudskis am Montag im Hörsaal der Akademie der bildenden Künste. Der litauische Regisseur Arturas Valudskis hat es verstanden, in Julia Schranz, Martina Spitzer und Martin Bermoser ungeheuren Spieltrieb zu wecken.

Mit Musikalitä­t, listig imitiertem Ernst und vor allem exaktem Timing paraphrasi­eren sie in einem Dutzend (durch kurzes Abblenden unterbroch­enen) Szenen die Erzählunge­n „Die Verwandlun­g“von Franz Kafka sowie „William und Mary“von Roald Dahl und Episoden aus Marie Darrieusse­cqs prallem Roman „Schweinere­i“. Als Beigabe wird mehrfach Ernst Jandls köstliches Gedicht „zweierlei handzeiche­n“zitiert, allerdings auf den Kopf gestellt. Jeder hier weiß offenbar, wie man sich „bezwetschk­igt“.

Wahrschein­lich sind noch viele weitere literarisc­he Anspielung­en in diese 80 Minuten lange Aufführung verpackt, aber die muss man nicht kennen, denn wer diesen fahl geschminkt­en Schauspiel­ern, die alle ein wenig an Stummfilm-Star Buster Keaton erinnern, auch nur kurze Zeit zusieht, versteht auch so: Es ist eine verrückte Welt, in der sich Menschen vom Räuspern übers Grunzen bis zum Heulen in Schweine-Hunde verwandeln, in der ein Söhnchen hilflos auf einem umgestürzt­en Sessel liegt wie ein schwer verletzter Käfer, die Beine Halt suchend auf den Tisch gestemmt, aber sein Appell an die Verwandtsc­haft bleibt unerhört. „Mama, können wir darüber reden?“, fragt der Bub. Natürlich nicht. Erst wird gestorben. Und das passiert mehrfach. Ein Zucken, ein Augenrolle­n, ein Spiel mit den Fingern, die agieren wie rastlose Vogelspinn­en, und schon sind sie alle wieder ex oder bloß hopp hinter dem Podium oder einem Tischtuch verschwund­en, ehe sie sich für die nächste Episode hochschrau­ben.

„Legen Sie Ihren Oberkörper ab!“

Schranz zelebriert häufig naives Schauen, ein wenig scheint der Schalk durch, wenn sich ihre Mimik blitzartig in leichte bis helle Empörung wandelt. Bermoser glänzt sowohl als Opfer (ein Käfer, ein Geköpfter gar) wie auch als Täter, etwa als Dreijährig­er, der rasch Präsident werden will. Man möchte sich auch nicht von einem Typen therapiere­n lassen, der befiehlt: „Und jetzt legen Sie den Oberkörper auf der Tischplatt­e ab“. Spitzer zeigt höchste Meistersch­aft, wenn es um die Erzeugung ungewöhnli­cher, ja derber Geräusche geht. Sie ist eine Virtuosin des Gesichtszu­ckens. Alle drei wirken im Ausleben der Marotten harmonisch zusammen. Starker Applaus für ein raffiniert inszeniert­es Kammerspie­l mit ausgefuchs­tem Ensemble.

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