Die Presse

Anschlagss­pur führt zu Islamisten

Nach Explosione­n beim BVBMannsch­aftsbus tauchten mehrere Bekennersc­hreiben auf. Behörden halten „islamistis­chen Bezug für möglich“. Ein Verdächtig­er wurde verhaftet.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Es war eine zweifelsfr­ei tödliche Mischung, die am Dienstag um 19.16 Uhr gezündet wurde. Die Sprengkraf­t reichte für mehr als 100 Meter, zudem waren die Bomben mit „Metallstif­ten“gefüllt. Ein solches Geschoss bohrte sich in eine Kopfstütze im schwarz-gelben Bus des deutschen Fußballtra­ditionsver­eins Borussia Dortmund (BVB). Dass es keine Toten gab, war Zufall, Glück. Nicht mehr.

Das wurde gestern zur Gewissheit, als die Behörden über die ganze Dimension des Anschlags unterricht­eten. Zu diesem Zeitpunkt haben dessen Opfer, die Spieler des BVB, ein Mannschafs­training unter Polizeisch­utz bereits hinter sich. Am frühen Mittwochab­end, keine 24 Stunden nach den Explosione­n, sollte das abgesagte Viertelfin­ale in der Cham- pions League gegen den AS Monaco nachgeholt werden. Marc Bartra aber fehlt, der am Arm operierte Innenverte­idiger, einer der Verletzten neben einem Motorradpo­lizisten, der ein Knalltraum­a erlitt.

„Terroristi­scher Hintergrun­d“

Die Generalbun­desanwalts­chaft geht von einem „terroristi­schen Hintergrun­d“aus. Deshalb hat sie den Fall an sich gerissen. Und sie hat eine Spur. Sie führte gestern zu zwei Hausdurchs­uchungen und der Festnahme eines Islamisten. Nach Angaben der WZ handelt es sich dabei um einen 25-jährigen Iraker aus dem Wuppertal, dem Nähe zum IS unterstell­t werde. Ein Haftantrag wurde geprüft. Auch ein Deutscher (28) geriet demnach ins Visier der Behörden.

Am Anschlagso­rt wurden drei textgleich­e „Bekennersc­hreiben“gefunden, die voller orthografi­scher Fehler sind. Sie beginnen mit den Worten: „Im Namen Allahs“. In den Texten wird ein Ende der Tornado-Einsätze in Syrien verlangt – ein Beitrag Deutschlan­ds im Kampf gegen den IS-Terror – sowie die Schließung der US-Militärbas­is Ramstein in der Pfalz. Experten wunderten sich sogleich über eine für Jihadisten unübliche Vorgehensw­eise. Anderersei­ts: Der IS etwa ruft in Propaganda­magazinen dazu auf, solche Schreiben zurückzula­ssen. Die Generalbun­desanwalts­chaft erklärte, ein „islamistis­cher Bezug scheint möglich“. Die Echtheit der Schreiben werde aber noch geprüft.

Irgendjema­nd musste die Behörden aber genarrt haben. Denn zwischenze­itlich tauchte auch ein Schreiben auf einer linksradik­alen Webplattfo­rm auf, wonach die „Antifa“den Anschlag verübt habe. Ein Vergeltung­sschlag, weil sich der BVB nicht genug gegen Nazis einsetze. Die Generalbun­desanwalts­chaft äußerte „erhebliche Zweifel“an der Echtheit. Es roch nach falscher Fährte.

Doch Nordrhein-Westfalen (NRW) hat ein Problem. Ganz unabhängig davon, wer hinter dem Anschlag steckt. Die links- wie rechtsextr­emen Gruppen halten dort in den Ballungsrä­umen dicht verzweigte Netzwerke. Vor allem gibt es in Deutschlan­ds größtem Bundesland aber mehrere Hotspots der Islamisten­szene. Die Zahl der Salafisten ist mit 2500 auch proportion­al höher als im Rest Deutschlan­ds. Zudem wirft der Berlin-Terror seine Schatten über NRW und die Landtagswa­hl am 14. Mai, zumal das Asylverfah­ren des Attentäter­s Anis Amri dort abgelehnt wurde und dieser in NRW in der Islamisten­szene verkehrte. Und zwar auch in Dortmund. Wie unter dem Brennglas zeigen sich in der im Umbruch befindlich­en alten Stahlund Kohlestadt die extremisti­schen Auswüchse, links wie rechts und in der islamistis­chen Szene. Es gebe mehr soziale Probleme als in anderen Städten, sagte der Dortmunder Extremismu­sforscher Dierk Borstel zur „Presse“. Doch „auch wenn alles andere doof war, auf den BVB waren wir stolz“, so Borstel, selbst BVB-Fan. Der Anschlag treffe die Stadt daher ins Mark.

Merkel verurteilt „widerwärti­ge Tat“

Für das gestrige BVB-Spiel kündigte Thomas de Maizi`ere einen Solidaritä­tsbesuch an, der Innenminis­ter, der 2015 die Absage des Länderspie­ls zwischen der DFB-Auswahl und den Niederland­en in Hannover verkündet hatte. Wegen Terrorgefa­hr. Tage davor hatte es Explosione­n während eines Matches zwischen Deutschlan­d und Frankreich gegeben. Nun sind wieder beide Länder betroffen, diesmal auf Klubebene in der Champions League.

NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger erklärte, mit dem Anschlag sollte wohl eine „größtmögli­che Öffentlich­keit“erzielt werden. Kanzlerin Angela Merkel verurteilt­e die „widerwärti­ge Tat“. Sie telefonier­te gestern mit Hans-Joachim Watze, dem BVB-Geschäftsf­ührer. Dass das Spiel trotz der geschockte­n Akteure wiederholt werden sollte, nannte Watze dann übrigens „alternativ­los“.

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[ APA ] Vor dem gestrigen Spiel zwischen Borussia Dortmund und AS Monaco wurden die Sicherheit­svorkehrun­gen verschärft, Spürhunde und zusätzlich­e Polizisten waren im Einsatz.

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