Anschlagsspur führt zu Islamisten
Nach Explosionen beim BVBMannschaftsbus tauchten mehrere Bekennerschreiben auf. Behörden halten „islamistischen Bezug für möglich“. Ein Verdächtiger wurde verhaftet.
Es war eine zweifelsfrei tödliche Mischung, die am Dienstag um 19.16 Uhr gezündet wurde. Die Sprengkraft reichte für mehr als 100 Meter, zudem waren die Bomben mit „Metallstiften“gefüllt. Ein solches Geschoss bohrte sich in eine Kopfstütze im schwarz-gelben Bus des deutschen Fußballtraditionsvereins Borussia Dortmund (BVB). Dass es keine Toten gab, war Zufall, Glück. Nicht mehr.
Das wurde gestern zur Gewissheit, als die Behörden über die ganze Dimension des Anschlags unterrichteten. Zu diesem Zeitpunkt haben dessen Opfer, die Spieler des BVB, ein Mannschafstraining unter Polizeischutz bereits hinter sich. Am frühen Mittwochabend, keine 24 Stunden nach den Explosionen, sollte das abgesagte Viertelfinale in der Cham- pions League gegen den AS Monaco nachgeholt werden. Marc Bartra aber fehlt, der am Arm operierte Innenverteidiger, einer der Verletzten neben einem Motorradpolizisten, der ein Knalltrauma erlitt.
„Terroristischer Hintergrund“
Die Generalbundesanwaltschaft geht von einem „terroristischen Hintergrund“aus. Deshalb hat sie den Fall an sich gerissen. Und sie hat eine Spur. Sie führte gestern zu zwei Hausdurchsuchungen und der Festnahme eines Islamisten. Nach Angaben der WZ handelt es sich dabei um einen 25-jährigen Iraker aus dem Wuppertal, dem Nähe zum IS unterstellt werde. Ein Haftantrag wurde geprüft. Auch ein Deutscher (28) geriet demnach ins Visier der Behörden.
Am Anschlagsort wurden drei textgleiche „Bekennerschreiben“gefunden, die voller orthografischer Fehler sind. Sie beginnen mit den Worten: „Im Namen Allahs“. In den Texten wird ein Ende der Tornado-Einsätze in Syrien verlangt – ein Beitrag Deutschlands im Kampf gegen den IS-Terror – sowie die Schließung der US-Militärbasis Ramstein in der Pfalz. Experten wunderten sich sogleich über eine für Jihadisten unübliche Vorgehensweise. Andererseits: Der IS etwa ruft in Propagandamagazinen dazu auf, solche Schreiben zurückzulassen. Die Generalbundesanwaltschaft erklärte, ein „islamistischer Bezug scheint möglich“. Die Echtheit der Schreiben werde aber noch geprüft.
Irgendjemand musste die Behörden aber genarrt haben. Denn zwischenzeitlich tauchte auch ein Schreiben auf einer linksradikalen Webplattform auf, wonach die „Antifa“den Anschlag verübt habe. Ein Vergeltungsschlag, weil sich der BVB nicht genug gegen Nazis einsetze. Die Generalbundesanwaltschaft äußerte „erhebliche Zweifel“an der Echtheit. Es roch nach falscher Fährte.
Doch Nordrhein-Westfalen (NRW) hat ein Problem. Ganz unabhängig davon, wer hinter dem Anschlag steckt. Die links- wie rechtsextremen Gruppen halten dort in den Ballungsräumen dicht verzweigte Netzwerke. Vor allem gibt es in Deutschlands größtem Bundesland aber mehrere Hotspots der Islamistenszene. Die Zahl der Salafisten ist mit 2500 auch proportional höher als im Rest Deutschlands. Zudem wirft der Berlin-Terror seine Schatten über NRW und die Landtagswahl am 14. Mai, zumal das Asylverfahren des Attentäters Anis Amri dort abgelehnt wurde und dieser in NRW in der Islamistenszene verkehrte. Und zwar auch in Dortmund. Wie unter dem Brennglas zeigen sich in der im Umbruch befindlichen alten Stahlund Kohlestadt die extremistischen Auswüchse, links wie rechts und in der islamistischen Szene. Es gebe mehr soziale Probleme als in anderen Städten, sagte der Dortmunder Extremismusforscher Dierk Borstel zur „Presse“. Doch „auch wenn alles andere doof war, auf den BVB waren wir stolz“, so Borstel, selbst BVB-Fan. Der Anschlag treffe die Stadt daher ins Mark.
Merkel verurteilt „widerwärtige Tat“
Für das gestrige BVB-Spiel kündigte Thomas de Maizi`ere einen Solidaritätsbesuch an, der Innenminister, der 2015 die Absage des Länderspiels zwischen der DFB-Auswahl und den Niederlanden in Hannover verkündet hatte. Wegen Terrorgefahr. Tage davor hatte es Explosionen während eines Matches zwischen Deutschland und Frankreich gegeben. Nun sind wieder beide Länder betroffen, diesmal auf Klubebene in der Champions League.
NRW-Innenminister Ralf Jäger erklärte, mit dem Anschlag sollte wohl eine „größtmögliche Öffentlichkeit“erzielt werden. Kanzlerin Angela Merkel verurteilte die „widerwärtige Tat“. Sie telefonierte gestern mit Hans-Joachim Watze, dem BVB-Geschäftsführer. Dass das Spiel trotz der geschockten Akteure wiederholt werden sollte, nannte Watze dann übrigens „alternativlos“.