Treffen inmitten von Spannungen
Russland/USA. Bei der ersten Visite des neuen US-Außenministers wollte der Kreml Klarheit über Positionen schaffen. Nach anfänglichem Zieren empfing Präsident Putin doch noch Tillerson.
Moskau/Wien. Nach dem Treffen mussten die Medienvertreter mit Floskeln Vorlieb nehmen. Es sei ein „wichtiger Moment“für eine Zusammenkunft der Außenminister der USA und Russlands, sagte Rex Tillerson, der als erster Repräsentant des Kabinetts von Donald Trump am Dienstag nach Moskau gereist war. In den vergangenen Monaten habe man aus Washington viele verschiedene Positionen zu den russisch-amerikanischen Beziehungen vernommen, hatte vor dem Treffen sein Kollege Sergej Lawrow angemerkt, der eingangs den aus seiner Sicht wohl allzu neugierigen US-Journalisten aus dem Pressepool Tillersons „keine Manieren“bescheinigt hatte. „Ich sage es ganz offen“, sagte Lawrow zu seinem Gegenüber, „wir haben viele Fragen bezüglich der ambivalenten Botschaften.“
Wenig verwunderlich, dass kaum etwas nach draußen drang. Niemand hatte ein einfaches Treffen und schon gar keine Sofort-Lösungen für die Verwerfungen zwischen den beiden Mächten erwartet. Nach dem US-Raketenschlag auf eine syrische Militärbasis in der Vorwoche als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff des Assad-Regimes waren die Spannungen zwischen Moskau und Washington erneut gestiegen. Vor dem Treffen gab es neuen Stoff. In Washington wurde ein Dokument veröffentlicht, das Beweise für den Einsatz chemischer Waffen und Aussagen von Opfern enthalten soll. Die USA seien „sicher“, dass das syrische Regime einen Sarin- Angriff durchgeführt habe „gegen seine eigene Bevölkerung“. Auch Tillerson hatte vor dem Besuch angekündigt, er wolle erwirken, dass Moskau seine Unterstützung für den syrischen Machthaber Bashar al-Assad einstelle.
Moskau gegen Ultimaten
Diese Ankündigung kam in Moskau gar nicht gut an. „Es sollten längst alle verstanden haben, dass man nicht mit Ultimaten zu uns kommen kann“, sagte AußenamtsSprecherin Maria Sacharowa, die bekannt ist für ihre schnippische Art, dem unabhängigen TV-Sender Doschd. Demonstrativ hat Moskau für Freitag ein Außenministertreffen mit seinen Verbündeten Syrien und Iran einberufen.
Auch Präsident Wladimir Putin, der Tillerson am Abend traf, hatte in einem TV-Interview kräftig ausgeteilt. Dass sich die Nato-Mitgliedsländer einhellig hinter Trump stellten, verglich er mit dem Nicken chinesischer Götzenbilder. Er hielt an der Moskauer Linie fest, dass es für eine syrische Schuld an dem Chemiewaffenangriff keine Beweise gebe. Die Beziehungen zwischen Washington und Moskau hätten sich seit dem Amtsantritt Trumps noch verschlechtert, sagte er.
Die harten Worte aus dem Kreml sind neu. Insbesondere bei der eigenen Bevölkerung hatte der Kreml durch euphorische Medienberichterstattung die Hoffnung geweckt, dass mit einem Präsidenten Donald Trump die Eiszeit zwischen Washington und Moskau bald enden könnte. Während des USWahlkampfs nannte Putin Trump einen talentierten Kandidaten. Der Sieg des Geschäftsmannes über Hillary Clinton war als Triumph „unseres Mannes“dargestellt worden; die verharmlosenden Äußerungen Trumps über die russische Krim-Annexion und seine Ablehnung der Sanktionen hatten in Russland die Hoffnung geweckt, dass etwa im Krisenherd Ukraine mit Trump ein schneller Deal nach russischen Vorstellungen gefunden werden könne. Doch Trump kann sich nicht so einfach aus den Spurrinnen der US-Politik treten, und hat zuletzt gar seine Ablehnung von Interventionen abgelegt. Der US-Militärschlag in Syrien zwingt Moskau zum Umschwenken.
„Weniger konfrontativ“
Iwan Kurilla, Historiker von der Europäischen Universität in St. Petersburg sieht in der Person Tillerson dennoch einen „Verhandler“. Er erklärte gegenüber dem Fernsehsender RBK, dass die russische Regierung – jenseits der rhetorischen Geschütze für das heimische Fernsehpublikum – Kommunikationskanäle mit den USA offenhalten wolle. „Russland ist interessiert daran, dass sich die Beziehungen in Zukunft weniger konfrontativ gestalten“, glaubt der Experte.
Doch geteilte Interessen zwischen Moskau und Washington sind derzeit rar. Das gestrige Treffen dürfte wohl zumindest Klarheit über die jeweiligen Positionen gebracht haben: Beide Seiten wissen nun, wie weit sie tatsächlich voneinander entfernt ist. In einer Ära der wachsenden Unsicherheit sind diese Fakten immerhin schon etwas.