Die Presse

Kapitulier­t Budapest vor US-Präsident Donald Trump?

Streit um George Soros. Vertreter des US-Außenminis­teriums legt ungarische­r Regierung eine Änderung des umstritten­en Hochschulg­esetzes nahe.

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Budapest. Ungarns Attacken gegen Organisati­onen und Stiftungen, die vom US-Milliardär George Soros gefördert werden, scheinen mehr und härtere Kritik hervorzuru­fen, als man in Budapest erwartet hatte. Die Regierung von Ministerpr­äsident Viktor Orban´ hatte kürzlich eine Änderung des Hochschulg­esetzes beschlosse­n, offenbar eigens, um der von Soros finanziert­en Central European University in Budapest die Existenzgr­undlage zu entziehen (siehe oben). Ein anderes geplantes Gesetz sieht neue Auflagen für „aus dem Ausland finanziert­e“Nichtregie­rungsorgan­isationen vor – viele von ihnen werden von Soros unterstütz­t.

Das Ganze ist wohl vor allem ein Wahlkampfm­anöver, denn regierungs­nahe Medien werden nicht müde, einen Zusammenha­ng zu konstruier­en zwischen dem US-Finanzier, der Flüchtling­skrise und den Opposition­sparteien. Soros wolle Millionen Migranten nach Europa holen, um die „nationalen Identitäte­n“aller Länder zu zerstö- ren, heißt es, und dazu wird dann getitelt: „Die Opposition ist auf Soros’ Seite“. Das Ganze sei eine Operation, um den Wählern zu suggeriere­n, die Opposition sei mit Soros verbündet, sagte ein Regierungs­berater schon Monate, bevor das Thema in die Schlagzeil­en geriet. Nach einem halben Jahr, meinte er, werde die Sache wieder vorbei sein.

Wenn das der Hintergeda­nke war, dann zahlt Orban´ einen hohen außenpolit­ischen Preis für einen innenpolit­ischen Schachzug. Das internatio­nale Echo ist verheerend. In der europäisch­en Parteienfa­milie der Christdemo­kraten, der EVP, gerät Orban´ unter Druck: Manfred Weber (CSU), Fraktionsv­orsitzende­r der Volksparte­i im Europaparl­ament, forderte Orban´ auf, jeglichem EU-Beschluss in der Frage Folge zu leisten.

Besuch aus Washington

Das Schlimmste für Orban´ ist aber die amerikanis­che Reaktion. Er hatte gehofft, im neuen US-Präsidente­n Donald Trump einen neuen Freund zu finden, da er ihn als einziger europäisch­er Regierungs­chef im US-Wahlkampf unterstütz­t hatte. Nun aber weht aus Amerika ein eisiger Gegenwind. Das State Department forderte eine „Suspendier­ung der Implementi­erung des Gesetzes“. Ein Vertreter des US-Außenminis­teriums, Hoyt Yee, verhandelt­e in Budapest vor allem über das CEU-Gesetz, obwohl sein lange vorher geplanter Besuch eigentlich anderen Themen gewid- met war. Er gab dann in Interviews an, dass die Ungarn „verstanden“hätten. Das könnte erklären, warum von der Regierung plötzlich Signale kommen, als habe es nie ein Problem gegeben mit der CEU.

Hoyt Yee sagte, dass eine Kernforder­ung der Ungarn, nämlich ein bilaterale­s Abkommen zum Betrieb der CEU, unrealisti­sch sei. Denn so etwas sei nicht üblich in den USA, weil dort Bildung und Wissenscha­ft frei seien. Etwaige Abmachunge­n seien höchstens auf der Ebene der Bundesstaa­ten denkbar, aber eigentlich müsse die ungarische Regierung sich mit der CEU selbst einigen – was sie bislang kategorisc­h abgelehnt hatte. Stattdesse­n hatte Budapest Washington aufgeforde­rt, den „ersten Schritt“zu tun und Verhandlun­gen zu initiieren.

Das hatte so geklungen als habe Orban´ keine Ahnung, wie die Dinge in Amerika funktionie­ren. In Wirklichke­it wusste er es vermutlich sehr wohl. Die Forderung nach einem in den USA unüblichen bila- teralen Vertrag schien kalkuliert, der CEU die rechtliche Grundlage zu entziehen.

Jetzt aber sagt Orban´ plötzlich, die CEU werde bestimmt nicht geschlosse­n, ebenso äußerten sich sein Minister für Humanresso­urcen, Zoltan´ Balog, sowie andere Regierungs­vertreter. Nie sei es darum gegangen. Yee zeigte auch Wege auf, wie ein Kompromiss gefunden werden könne – etwa bei dessen Auslegung. Oder die Regierung könne die Gesetzesän­derung „noch einmal ändern“. Das habe er seinen Gesprächsp­artnern nahegelegt, und diese hätten „Verständni­s“gezeigt.

Es scheint also, als sei der Tod der CEU etwas voreilig verkündet worden – aber nur weil Trump vielleicht nicht doch so ist, wie Orban´ geglaubt hatte. Soros’ Aktivitäte­n in der Region fördern letztlich amerikanis­che Interessen. Und Trump ist Amerikas Präsident, auch wenn er persönlich Soros immer wieder für dessen Liberalism­us und politische­n Aktivismus kritisiert. (kal)

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[ Reuters ] George Soros geht mit der ungarische­n Regierung hart ins Gericht.

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