„Eine gerade noch rollfähige Variante“
Eurofighter. Der „Presse“liegen Beweismittel aus der Causa Eurofighter vor, die die Schadenersatzforderung der Republik untermauern. Es gibt Hinweise, nach denen Eurofighter schon bei Anbotslegung wusste, dass man nicht lieferfähig war.
Wien. Die Republik fährt mit ihrer Eurofighter-Strafanzeige schwere Geschütze gegen den Verkäufer der Flugzeuge, die heutige AirbusGruppe (früher EADS), auf. Der „Presse“wurden zum Teil bei Hausdurchsuchungen in München sichergestellte Beweismittel zugespielt, die Erklärungsbedarf seitens Airbus nahelegen.
Ein wesentlicher Punkt der Anzeige – und der daraus folgenden Schadenersatzforderungen – ist die Vermutung, dass Airbus von Anfang an wusste, dass die Kampfjets so, wie sie bestellt wurden, nicht lieferbar waren. Doch wie solide ist die Basis dieses Schadenersatzanspruchs? Die der „Presse“vorliegenden Beweismittel sind sehr aufschlussreich. Etwa ein an die Airbus-Vorgängerin, EADS, adressiertes Papier aus dem Mai 2001, zwei Jahre vor Vertragsabschluss (siehe Faksimile). Das Schreiben ist vom österreichischen Waffenlobbyisten Kurt Wiedewohl verfasst, der in der Anfangsphase die Interessen von EADS in Österreich vertrat und später vom Lobbyisten Erhard Steininger abgelöst wurde.
„Wichtige Vorgehensweise“
In diesem internen Strategiepapier referiert Wiedewohl lange und breit, wie man mit der Republik als Kunden und politischen Entscheidungsprozessen umzugehen hat. Frappierend ist in diesem Zusammenhang der Punkt 4.7 des Papiers, der als „wichtige Vorgehensweise“festlegt: Den Österreichern solle man bloß „gerade noch rollfähige“Flieger liefern. „Alles andere wird dann über die Jahre hin nachbeschafft und unterliegt keiner politischen Diskussion mehr.“
Gefordert war natürlich anderes: In den Ausschreibungsbedin- gungen vom 10. Oktober 2001 war festgelegt, dass bis zum Oktober 2007 funktionsfähige Flugzeuge geliefert werden mussten. Das erste war schon für den Herbst 2006 gewünscht. Im Kaufvertrag von 2003 war schließlich festgelegt, dass bis Herbst 2007 Flugzeuge der Tranche II, bzw. solche der Tranche I, die später auf Tranche II aufgerüstet werden, geliefert werden. Beides war, wie man heute weiß, nicht möglich. Die ersten TrancheII-Flugzeuge wurden erst im Oktober 2008 ausgeliefert. Und Tranche I wäre nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand aufrüstbar gewesen.
Aussagen wie jene im Strategiepapier bedeuten in der Argumentationslinie der Republik aber, dass sogar schon vor Vertragsunterzeichnung klar gewesen sein muss, dass dem Bundesheer die gewünschten Kampfjets nicht vertragskonform geliefert werden können. Dass das dem Verkäufer durchaus bewusst war, zeigt auch ein internes Dokument von EADS aus der Zeit um den Vertragsabschluss, das den Zeitplan als „sehr riskant und ambitioniert“bezeichnet. Und 2005 wusste man im Konzern schon, dass es sich nicht ausgehen wird: Da wurden schon Pönalezahlungen an Österreich in Millionenhöhe einkalkuliert. Aber auch ein Ausstieg aus dem Vertrag aufgrund der fehlenden Lieferfähigkeit wäre möglich gewesen.
Aus dem Dilemma wurde EADS befreit – und zwar von Verteidigungsminister Norbert Darabos. Der hat im Jahr 2007 einen Vergleich mit Eurofighter abgeschlossen, in dem drei von den 18 Flugzeugen abbestellt wurden, in dem er aber gleichzeitig Flieger der Tranche I akzeptierte. Und die konnte Eurofighter liefern.
Neues liefern die Unterlagen auch in Sachen Schmiergeldverdacht. Im Eurofighter-Vertrag wurde im Punkt 18 festgehalten, dass Bestechungen untersagt sind – bei sonstiger Vertragsauflösung. Auffällig: Kurz vor Vertragsunterfertigung hat die damalige EADS noch in den Vertrag hineinverhandelt, dass sich diese Wohlverhaltensregeln nur auf sie allein beziehen, nicht aber auf andere Firmen.
Der „Presse“liegt eine firmeninterne PowerpointPräsentation von 2003 vor, in der über die Gründung der in Zypern ansässigen Firma Omesco berichtet wird. Diese Firma habe „keine formale Verbindung“mit EADS und gehöre zwei ehemaligen EADSMitarbeitern sowie einem von EADS nominierten strategischen Investor. De facto dominierte EADS die Firma: Nicht nur über den strategischen Investor, sondern auch über Einrichtung eines von EADS beherrschten Lenkungsausschusses, an dessen Beschlüsse das Management vertraglich gebunden ist.
Omesco ist die Vorläuferfirma jenes Vector-Aerospace-Netzwerks, in dessen Zentrum der wegen Anlagebetrugs verurteilte Italiener Gianfranco Lande stand, der als Drehscheibe vermuteter, aber bisher weitgehend nicht bewiesener Schmiergeldzahlungen fungiert haben soll.
Der Darabos-Vergleich 2007 hat den Kaufvertrag auf neue Beine gestellt. Die rechtlich heikle Frage: Beseitigt dieser Vergleich auch etwaiges Fehlverhalten von früher? „Nein“, lautet die Argumentation der österreichischen Seite. Denn Vergleiche sind rechtlich irrelevant, wenn abgesehen vom Inhalt des Vergleichs über die Vergleichsgrundlage geirrt wurde. Und das könnte der Fall gewesen sein, als sich der damalige Verteidigungsminister, Norbert Darabos (SPÖ), an den Verhandlungstisch setzte, wie etwa ein Papier vom Juli 2007 nahelegt: Denn die interne Kalkulation von Airbus wies selbst damals noch die 183,4 Millionen Euro „Gegengeschäftskosten“aus, die heute die argumentative Speerspitze der Republik gegen Airbus sind. Was mit dem Geld passiert ist, ist für den Schadenersatzanspruch unerheblich. Zivilrechtlich geht es nur um die Frage, ob gegen vertragliche Pflichten wie etwa Wohlverhaltensregeln verstoßen wurde.
Seitens der Wiener Anwaltskanzlei, die Airbus in Österreich vertritt, wollte man keinen Kommentar abgeben. Man werde sich zu gegebener Zeit mit der Staatsanwaltschaft ins Einvernehmen setzen, hieß es.
Betrügerisches Verhalten gegenüber der Republik muss geahndet werden. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zur Strafanzeige