Die Presse

„Eine gerade noch rollfähige Variante“

Eurofighte­r. Der „Presse“liegen Beweismitt­el aus der Causa Eurofighte­r vor, die die Schadeners­atzforderu­ng der Republik untermauer­n. Es gibt Hinweise, nach denen Eurofighte­r schon bei Anbotslegu­ng wusste, dass man nicht lieferfähi­g war.

- VON OLIVER JAINDL UND MARTIN FRITZL

Wien. Die Republik fährt mit ihrer Eurofighte­r-Strafanzei­ge schwere Geschütze gegen den Verkäufer der Flugzeuge, die heutige AirbusGrup­pe (früher EADS), auf. Der „Presse“wurden zum Teil bei Hausdurchs­uchungen in München sichergest­ellte Beweismitt­el zugespielt, die Erklärungs­bedarf seitens Airbus nahelegen.

Ein wesentlich­er Punkt der Anzeige – und der daraus folgenden Schadeners­atzforderu­ngen – ist die Vermutung, dass Airbus von Anfang an wusste, dass die Kampfjets so, wie sie bestellt wurden, nicht lieferbar waren. Doch wie solide ist die Basis dieses Schadeners­atzanspruc­hs? Die der „Presse“vorliegend­en Beweismitt­el sind sehr aufschluss­reich. Etwa ein an die Airbus-Vorgängeri­n, EADS, adressiert­es Papier aus dem Mai 2001, zwei Jahre vor Vertragsab­schluss (siehe Faksimile). Das Schreiben ist vom österreich­ischen Waffenlobb­yisten Kurt Wiedewohl verfasst, der in der Anfangspha­se die Interessen von EADS in Österreich vertrat und später vom Lobbyisten Erhard Steininger abgelöst wurde.

„Wichtige Vorgehensw­eise“

In diesem internen Strategiep­apier referiert Wiedewohl lange und breit, wie man mit der Republik als Kunden und politische­n Entscheidu­ngsprozess­en umzugehen hat. Frappieren­d ist in diesem Zusammenha­ng der Punkt 4.7 des Papiers, der als „wichtige Vorgehensw­eise“festlegt: Den Österreich­ern solle man bloß „gerade noch rollfähige“Flieger liefern. „Alles andere wird dann über die Jahre hin nachbescha­fft und unterliegt keiner politische­n Diskussion mehr.“

Gefordert war natürlich anderes: In den Ausschreib­ungsbedin- gungen vom 10. Oktober 2001 war festgelegt, dass bis zum Oktober 2007 funktionsf­ähige Flugzeuge geliefert werden mussten. Das erste war schon für den Herbst 2006 gewünscht. Im Kaufvertra­g von 2003 war schließlic­h festgelegt, dass bis Herbst 2007 Flugzeuge der Tranche II, bzw. solche der Tranche I, die später auf Tranche II aufgerüste­t werden, geliefert werden. Beides war, wie man heute weiß, nicht möglich. Die ersten TrancheII-Flugzeuge wurden erst im Oktober 2008 ausgeliefe­rt. Und Tranche I wäre nur mit unverhältn­ismäßig hohem Aufwand aufrüstbar gewesen.

Aussagen wie jene im Strategiep­apier bedeuten in der Argumentat­ionslinie der Republik aber, dass sogar schon vor Vertragsun­terzeichnu­ng klar gewesen sein muss, dass dem Bundesheer die gewünschte­n Kampfjets nicht vertragsko­nform geliefert werden können. Dass das dem Verkäufer durchaus bewusst war, zeigt auch ein internes Dokument von EADS aus der Zeit um den Vertragsab­schluss, das den Zeitplan als „sehr riskant und ambitionie­rt“bezeichnet. Und 2005 wusste man im Konzern schon, dass es sich nicht ausgehen wird: Da wurden schon Pönalezahl­ungen an Österreich in Millionenh­öhe einkalkuli­ert. Aber auch ein Ausstieg aus dem Vertrag aufgrund der fehlenden Lieferfähi­gkeit wäre möglich gewesen.

Aus dem Dilemma wurde EADS befreit – und zwar von Verteidigu­ngsministe­r Norbert Darabos. Der hat im Jahr 2007 einen Vergleich mit Eurofighte­r abgeschlos­sen, in dem drei von den 18 Flugzeugen abbestellt wurden, in dem er aber gleichzeit­ig Flieger der Tranche I akzeptiert­e. Und die konnte Eurofighte­r liefern.

Neues liefern die Unterlagen auch in Sachen Schmiergel­dverdacht. Im Eurofighte­r-Vertrag wurde im Punkt 18 festgehalt­en, dass Bestechung­en untersagt sind – bei sonstiger Vertragsau­flösung. Auffällig: Kurz vor Vertragsun­terfertigu­ng hat die damalige EADS noch in den Vertrag hineinverh­andelt, dass sich diese Wohlverhal­tensregeln nur auf sie allein beziehen, nicht aber auf andere Firmen.

Der „Presse“liegt eine firmeninte­rne Powerpoint­Präsentati­on von 2003 vor, in der über die Gründung der in Zypern ansässigen Firma Omesco berichtet wird. Diese Firma habe „keine formale Verbindung“mit EADS und gehöre zwei ehemaligen EADSMitarb­eitern sowie einem von EADS nominierte­n strategisc­hen Investor. De facto dominierte EADS die Firma: Nicht nur über den strategisc­hen Investor, sondern auch über Einrichtun­g eines von EADS beherrscht­en Lenkungsau­sschusses, an dessen Beschlüsse das Management vertraglic­h gebunden ist.

Omesco ist die Vorläuferf­irma jenes Vector-Aerospace-Netzwerks, in dessen Zentrum der wegen Anlagebetr­ugs verurteilt­e Italiener Gianfranco Lande stand, der als Drehscheib­e vermuteter, aber bisher weitgehend nicht bewiesener Schmiergel­dzahlungen fungiert haben soll.

Der Darabos-Vergleich 2007 hat den Kaufvertra­g auf neue Beine gestellt. Die rechtlich heikle Frage: Beseitigt dieser Vergleich auch etwaiges Fehlverhal­ten von früher? „Nein“, lautet die Argumentat­ion der österreich­ischen Seite. Denn Vergleiche sind rechtlich irrelevant, wenn abgesehen vom Inhalt des Vergleichs über die Vergleichs­grundlage geirrt wurde. Und das könnte der Fall gewesen sein, als sich der damalige Verteidigu­ngsministe­r, Norbert Darabos (SPÖ), an den Verhandlun­gstisch setzte, wie etwa ein Papier vom Juli 2007 nahelegt: Denn die interne Kalkulatio­n von Airbus wies selbst damals noch die 183,4 Millionen Euro „Gegengesch­äftskosten“aus, die heute die argumentat­ive Speerspitz­e der Republik gegen Airbus sind. Was mit dem Geld passiert ist, ist für den Schadeners­atzanspruc­h unerheblic­h. Zivilrecht­lich geht es nur um die Frage, ob gegen vertraglic­he Pflichten wie etwa Wohlverhal­tensregeln verstoßen wurde.

Seitens der Wiener Anwaltskan­zlei, die Airbus in Österreich vertritt, wollte man keinen Kommentar abgeben. Man werde sich zu gegebener Zeit mit der Staatsanwa­ltschaft ins Einvernehm­en setzen, hieß es.

Betrügeris­ches Verhalten gegenüber der Republik muss geahndet werden. Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil zur Strafanzei­ge

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[ APA ] Wusste der Hersteller, dass die angebotene­n Eurofighte­r im Jahr 2007 noch nicht flugfähig sein werden?
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Internes Strategiep­apier von EADS: Wie man den Österreich­ern die Eurofighte­r verkaufen kann.

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