Die Presse

Die FPÖ tendiert im Zweifel zur SPÖ

Regieren. Die Freiheitli­chen machen die direkte Demokratie zur Koalitions­bedingung. Generalsek­retär Kickl kann sich unter anderem eine Volksbefra­gung zur Zuwanderun­gspolitik vorstellen.

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Wien. Die FPÖ stellt sich nicht nur auf Neuwahlen im Herbst 2017 ein, sondern auch auf eine Regierungs­beteiligun­g danach. Generalsek­retär Herbert Kickl ließ am Mittwoch eine Präferenz für eine Koalition mit der SPÖ erkennen. Nicht nur, weil das burgenländ­ische Modell – Rot-Blau – „ganz gut“funktionie­re.

Hinzu kämen noch „historisch­e Erfahrunge­n und Erfahrunge­n im persönlich­en Umgang“, sagte Kickl der APA. Gemeint war die schwarzbla­ue Koalition in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre. „Das war ja in der Endphase nichts anderes als der Versuch, den Koalitions­partner FPÖ umzubringe­n.“Auf der anderen Seite solle jeder seine Chance bekommen. Inhaltlich gebe es „durchaus Gemeinsame­s“. Aber die ÖVP solle nicht glauben, dass sie das damalige Modell kopieren könne: „Das spielt es mit Sicherheit nicht. Kein Dritter oder Zweiter wird von uns zum Ersten gemacht.“

Inhaltlich fordert die FPÖ für den Fall einer Regierungs­beteiligun­g ein neues Politikver­ständnis von SPÖ und ÖVP. Brisante The- men sollten durch direktdemo­kratische Verfahren, etwa Volksbefra­gungen, einer Entscheidu­ng zugeführt werden. „Man könnte ohne weiteres einmal die Bevölkerun­g befragen, ob sie Zuwanderun­g in dieser losen und unorganisi­erten Form überhaupt will, oder ob wir im Bereich des Arbeitsmar­kts nicht etwa den Weg der Steuerung oder Kontrolle gehen sollten.“Auch zum Föderalism­us kann sich die FPÖ eine Volksbefra­gung vorstellen.

In der Sozialpoli­tik verlangt Kickl, der auch Sozialspre­cher seiner Partei ist, eine stärkere Differenzi­erung zwischen Staatsbürg­ern und Nicht-Staatsbürg­ern. „Die Mindestsic­herung ist nicht dafür eingeführt worden, um Heerschare­n von Flüchtling­en zu versorgen.“Flüchtling­e sollten solange in der Grundverso­rgung bleiben, bis sie den Einstieg ins Erwerbsleb­en schaffen, erst danach könnten sie Ansprüche aus der Versicheru­ngsleistun­g erwerben. Bei den Pensionen sieht Kickl ebenfalls Änderungsb­edarf. Ungerechti­gkeiten zulasten der ASVG-Versichert­en ge- hörten abgestellt, insbesonde­re Pensionspr­ivilegien in staatsnahe­n Unternehme­n oder auf Beamtenebe­ne. Die Sozialvers­icherungen will Kickl zusammenle­gen. Eine Regierung mit FPÖ-Beteiligun­g werde die „rot-schwarze Versorgung­sbürokrati­e nicht weiter künstlich am Leben erhalten“.

Sozialpart­ner entmachten

Im Mai oder Juni wird die FPÖ im Rahmen einer Präsidiums­klausur ihr neues Wirtschaft­sprogramm, das sich derzeit in der Endabstimm­ung befindet, beschließe­n. Man werde „kein reines Unternehme­rkonzept“präsentier­en, sondern „etwas Ganzheitli­ches mit sozialer Verantwort­ung“, kündigte der Generalsek­retär an. „Wir erweitern damit unser politische­s Sortiment, ohne das Kernproduk­t zu vernachläs­sigen.“Details wollte Kickl noch nicht nennen, aber eine geringere Steuer- und Abgabenquo­te, eine Reduktion der Staatsausg­aben und mehr Freiräume und Investitio­nsanreize für Betriebe dürften jedenfalls zu den Eckpunkten gehören.

Den Einfluss der Sozialpart­ner will die FPÖ auf eine beratende Funktion reduzieren. In der Verfassung hätten die Sozialpart­ner „gar nichts“verloren, so Kick. Dass ungelöste Probleme wie bei der Arbeitszei­tflexibili­sierung an die Sozialpart­ner ausgelager­t werden, käme für Kickl nicht infrage. „Das ist für mich das Gegenteil einer starken Regierungs­kompetenz.“

Eines der zentralen Themen bleibt für die FPÖ das Ausländert­hema. „Das ist ein Schlüssel, der mehrere Schlösser sperrt.“Die Flüchtling­sobergrenz­e will Kickl gen Null bringen: klassische­s Asyl als Schutz auf Zeit im Bedarfsfal­l ja, Wirtschaft­sflüchtlin­ge nein. „Wir können nicht die ganze Welt retten.“Dass die Regierungs­parteien zuletzt nach rechts gerückt sind, wertet Kickl als „überlebens­notwendige Bestätigun­g der Richtigkei­t der freiheitli­chen Positionen“. Bei der Nationalra­tswahl rechnet er mit einem Dreikampf zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Kanzler Christian Kern und Außenminis­ter Sebastian Kurz. (APA)

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