Die Presse

Von den Neos zur ÖVP, von den Grünen zur FPÖ

Parteiwech­sel. Transferze­it in der Wiener Stadtpolit­ik: Die ÖVP freut sich über den Zugang eines Ex-Neos-Kandidaten, in Penzing kippt ein Wechsel eines Bezirksrat­s von den Grünen zu den Freiheitli­chen die rot-grüne Mehrheit.

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Wien. Die Wiener Politik scheint wieder in einer Transferph­ase zu sein – mit Wechseln zwischen Parteien, die einander weltanscha­ulich nahe stehen, aber auch in eher ungewöhnli­chen Konstellat­ionen. Aktuell freut sich etwa die Wiener ÖVP über einen Neuzugang von den Neos – Samir Shehata, Apothekenb­etreiber und Kandidat auf der Neos-Liste zur Gemeindera­tswahl 2015, hat die Seiten gewechselt.

Aus ideologisc­hen Gründen: „Bei den Neos geht es immer mehr in eine linksliber­ale Richtung“, sagt er zur „Presse“, „da bin ich sicher konservati­ver.“Er sieht ein Erstarken des Blocks aus ehemaligen Mitglieder­n des Liberalen Forums bei den Neos – und rechnet damit, dass seinem Beispiel auch noch weitere folgen werden.

Aus der Wiener ÖVP heißt es, dass „immer wieder Menschen auf uns zukommen, die zwar kurzfristi­g von der Neos-Partei angetan waren, aber auf Dauer nicht überzeugt sein können.“Man freue sich über jeden, sagt Obmann Ger- not Blümel, „der mit uns gemeinsam für Aufbruch in Wien arbeiten möchte“. Das möchte Shehata auch, ihm schwebt bei der nächsten Wahl eine Kandidatur für den Gemeindera­t vor.

Bei den Wiener Neos verweist man darauf, dass Shehata keine offizielle Funktion in der Partei hatte, lediglich bei der Gemeindera­tswahl Kandidat auf ihrer Liste war. Vor seiner Neos-Kandidatur sei er außerdem schon ÖVP-Mitglied gewesen. Abgesehen davon, so ein Sprecher, gebe es solche Wechsel auch immer wieder in die umgekehrte Richtung. So habe etwa vor einem Jahr der Floridsdor­fer Bezirksrat Elvis Stoica die ÖVP verlassen und sei nun wilder Bezirksrat mit Neos-Mitgliedsc­haft.

Ende für Rot-Grün in Penzing

Weltanscha­ulich sehr ungewöhnli­ch war dagegen ein anderer Wechsel, der am Dienstagab­end bekannt geworden war – nämlich jener des Penzinger Bezirksrat­s Gottfried Böck, der von den Grünen zur FPÖ überlief. Er fand sich, wie er in der „Krone“zitiert wurde, in der Verkehrspo­litik der Grünen („sinnbefrei­te 30er-Zonen“) oder der „sklavisch eingehalte­nen Frauenquot­e“nicht mehr wieder. Im Gegensatz zu den Parteiwech­seln zwischen Neos und ÖVP hat dieser Tausch allerdings konkrete machtpolit­ische Konsequenz­en. Denn durch den Abgang von Böck verliert Rot-Grün die Stimmenmeh­rheit in der Bezirksver­tretung.

In der grünen Bezirkspar­tei zeigt man sich „sehr überrascht“. Allerdings betonte Klubvorsit­zender Kilian Stark in einem schriftlic­hen Statement: „Unsere Grundwerte wie etwa Frauen- und Menschenre­chte sind uns wichtig. Wenn sich ein Bezirksrat mit diesen Grundwerte­n nicht identifizi­eren kann, dann ist er woanders politisch besser aufgehoben. Das ist jedoch schade.“

Formal wird Böck künftig aber als fraktionsf­reier Abgeordnet­er im Bezirkspar­lament sitzen. Denn ein fliegender Klubwechse­l ist – wie auch auf Gemeindera­ts- und Landtagseb­ene – nicht möglich. Sollte er in den nächsten Tagen nicht freiwillig aus dem grünen Bezirksklu­b austreten, so Stark, werde man ihn ausschließ­en.

Die Wechsel zwischen Parteien stehen besonders im Blickpunkt, nachdem der Nationalra­tsabgeordn­ete Christoph Vavrik Ende März von den Neos in den ÖVPParlame­ntsklub gewechselt war. Er hatte nach einem homophoben Facebook-Posting nicht, wie ausgemacht, sein Mandat zurückgele­gt, sondern sich einen anderen Klub gesucht.

Zünglein an der Waage

Im Wiener Gemeindera­t hatte es zuletzt im März 2015 einen folgenschw­eren Fraktionsw­echsel gegeben – Senol¸ Akkılıc¸ war von den Grünen zur SPÖ gewechselt. Er verhindert­e damit eine grünschwar­z-blaue Mehrheit für eine Änderung des Wahlrechts. Die Grünen warfen der SPÖ damals Vertrauens­bruch vor, doch nach der Wahl fand man doch wieder zur einer rot-grünen Koalition im Rathaus zusammen. (eko/APA)

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