Die Presse

Roboter machen IHS wenig Sorgen

Studie. In Österreich sind durch die Digitalisi­erung nur neun Prozent der Jobs gefährdet, sagt das Institut für Höhere Studien (IHS). Andere Forscher kommen zu dramatisch­eren Ergebnisse­n.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Über kaum ein anderes Thema wird in der Wirtschaft seit Jahrzehnte­n so leidenscha­ftlich diskutiert wie über den durch die Automatisi­erung verursacht­en gesellscha­ftlichen Wandel. Das deutsche Wochenmaga­zin „Der Spiegel“warnte schon 1964 in einer Titelgesch­ichte vor dem Einzug der Roboter. Im Vorjahr präsentier­te das Beratungsu­nternehmen A.T. Kearney eine Studie, wonach durch die Digitalisi­erung in Österreich bis 2040 rund 44 Prozent aller Arbeitsplä­tze bedroht sind. Die Experten von A.T. Kearney haben dazu eine viel beachtete Studie der beiden Wissenscha­ftler Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne von der Universitä­t Oxford aus dem Jahr 2013 für Österreich adaptiert.

Am gestrigen Mittwoch stellte das Institut für Höhere Studien (IHS) auch eine Untersuchu­ng zu diesem Thema vor. Doch die IHSWissens­chaftler kommen zu einem völlig anderen Ergebnis. Laut IHS sollen in Österreich durch die Digitalisi­erung nur neun Prozent der Jobs wegfallen. Das sind rund 360.000 Arbeitskrä­fte. Die IHS-Studie wurde für das Sozialmini­sterium erstellt. IHS-Chef Martin Kocher hält die Studie von Frey/Osborne, wonach 40 bis 50 Prozent der Jobs wegfallen sollen, für maßlos übertriebe­n.

Unterschie­dliche Ansätze

Wie ist es möglich, dass so viele Expertisen und Prognosen zum gleichen Thema eine völlig andere Einschätzu­ng liefern?

Das hängt mit den unterschie­dlichen Forschungs­ansätzen und der Vielfalt der wissenscha­ftlichen Herangehen­sweisen zusammen. Als Ausgangspu­nkt dient meist die Studie von Frey/Osborne, wonach in den USA in den nächsten 20 Jahren durch die Automatisi­erung 47 Prozent der Jobs wegfallen könnten. Die Experten von A.T. Kearney übertrugen die Ansätze von Frey/Osborne auf Österreich, weshalb sich die Prognose ergibt, dass 44 Prozent der Arbeitsplä­tze bedroht sind.

Die IHS-Wissenscha­ftler haben hingegen für ihre Studie einen Bericht des deutschen Ökonomen Holger Bonin vom Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) herangezog­en. Bonin und seine Kollegen vom ZEW haben zwar auch die Frey/Osborne-Studie berücksich­tigt, aber die Automatisi­erungspote­nziale anders – deutlich geringer – bewertet. Die ZEW-Experten kamen im Vorjahr zur Ansicht, dass in Deutschlan­d zwölf Prozent der Jobs automatisi­erbar sind.

Die IHS-Autoren folgen nun im Großen und Ganzen dem Vorgehen der deutschen ZEW-Wissenscha­ftler und berechnete­n die Automatisi­erungswahr­scheinlich­keit für Österreich. Auch wenn laut IHS nur neun Prozent der Jobs gefährdet seien, gebe es „keine Entwarnung für den Arbeitsmar­kt, was die Digitalisi­erung betrifft“, sagt IHS-Chef Kocher.

Laut IHS-Schätzung sind 30,3 Prozent der Hilfsarbei­terjobs von der Automatisi­erung bedroht. Bei den Handwerker­n sind es 18,7 Pro- zent. Eine geringe Automatisi­erungswahr­scheinlich­keit stellt das IHS bei Führungskr­äften, Akademiker­n und Technikern fest.

Qualifikat­ionsprogra­mme

Kocher fordert daher „möglichst treffsiche­re Qualifikat­ionsprogra­mme“und „ein die Digitalisi­erung antizipier­endes Bildungssy­stem“. Denn Arbeitnehm­er, die nur über einen Pflichtsch­ulabschlus­s verfügen, seien am stärksten vom potenziell­en Verlust ihrer Stelle betroffen. Wichtig ist für den IHSChef, dass sich Österreich fit mache für die digitale Zukunft.

In der Studie wurden nur die Arbeitspla­tzverluste prognostiz­iert. Der IHS-Chef schließt nicht aus, dass es unterm Strich sogar mehr Arbeitsplä­tze geben könnte. Schließlic­h seien auch durch die Einführung des Computers neue Jobs dazugekomm­en.

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[ Reuters ] Der Einsatz von Robotern habe auf den Arbeitsmar­kt keine so dramatisch­en Auswirkung­en wie oft angenommen, sagt das IHS.

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