Wie wir deutschen Städten zu Geld verhelfen
Neuss staunt über eine unerwartete 150-Mio.-Euro-Steuernachzahlung – einer Holding, die nach Wien gezogen ist. Die Nachbarstadt von Düsseldorf ist mit einem Schlag alle ihre Schulden los.
Es ist ein sehr profanes Osterwunder, und es kommt etwas verfrüht. Aber für die Bewohner von Neuss hat die Nachricht tatsächlich etwas Wundersames: Vor einigen Tagen verkündete ihr Bürgermeister die frohe Botschaft, ein ansässiges Unternehmen habe dem Konto der Kämmerer ganz unerwartet 152 Millionen Euro überwiesen, als Nachzahlung auf die Gewerbesteuer. Damit kann die Nachbarstadt von Düsseldorf auf der anderen Rheinseite nicht nur mit einem Schlag alle ihre Schulden loswerden, sondern auch ihre schäbigen Schulgebäude sanieren und für die Zukunft vorsorgen.
Natürlich wollten alle wissen, um wen es sich bei dem braven Zahler handelt. Das aber durfte der Bürgermeister nicht verraten, um das Steuergeheimnis zu wahren. Also rätselte ganz Nordrhein-Westfalen tagelang über das spendable Phantom. Jetzt hat sich das Unternehmen selbst zu Wort gemeldet: Es ist Johnson & Johnson. Der Konsumgüter- und Pharmakonzern aus den USA, der etwa o.b.Tampons und Penaten-Babycreme herstellt, hat seinen Deutschlandsitz in Neuss. Oder besser: hatte. Denn die hauseigene Beteiligungsholding wanderte Anfang 2016 nach Österreich ab.
Weil aber bei dieser Siedelei die Neusser Firma neu zu bewerten war, kamen stille Reserven ans bilanzielle Tageslicht. Und das zwang das Unternehmen zu einer Nachzahlung auf die Gewerbesteuer, die es in den Vorjahren zu niedrig berechnet hatte. Warum aber zieht es Johnson & Johnson nach Wien? Eben wegen dieser Steuer, die es hierzulande schon seit 1994 nicht mehr gibt. Zwar zahlen Firmen bei uns mehr Körperschaftsteuer, aber rechnet man alles zusammen, ist die Belastung in Österreich um rund sieben Prozentpunkte niedriger. Da beißt der weitsichtige Finanzchef gern in den sauren Apfel der Nachzahlung.
Aber den Rheinländern ist es nicht recht zu machen. Sie kalkulieren jetzt kleinlich durch, wie viel ihnen wegen des Wegzugs künftig an Steuern entgeht. Sie sollten lieber dankbar sein und feiern, das können sie ja im Karneval sehr gut. Es gehen auch keine Jobs verloren, weil ja nur ein Briefkasten seine Adresse gewechselt hat. Und gar kein Verständnis haben wir für das nun anschwellende Klagelied über niedrigere Gewinnsteuern in Österreich. Es ist doch eine echte Win-winSituation: Wenn weitere Briefkästen unter die Fittiche des heimischen Fiskus fliehen, können sich auch andere deutsche Städte schlagartig entschulden. Herr Schelling könnte den Prozess noch befeuern, indem er wie geplant die Körperschaftsteuer senkt. Wär das was, ihr Deutschen? Wir wünschen auf jeden Fall frohe Ostern.