Die Prognostiker und der Sturz vom Hochhaus
Wir brauchen ein neues Wirtschaftsmodell, nicht sinnlose Prognosekriege.
Heute befassen wir uns hier nicht mit Robotern, sondern mit Studien über Roboter. Die sagen Folgendes: Die Digitalisierung wird auf Sicht von 15 bis 20 Jahren bis zu 60 Prozent aller Beschäftigten joblos machen (London School of Economics). Vielleicht aber auch nur bis zu 47 Prozent (Universität Oxford). Jedenfalls werden aber allein in den nächsten drei Jahren global netto fünf Millionen Jobs verloren gehen (World Economic Forum). Wenn wir Glück haben, sind auf Zwanzigjahressicht aber auch nur zwölf Prozent der Jobs perdu ( OECD) oder, siehe nebenstehenden Bericht, gar nur neun (IHS).
Ganz schöne Spreizung, oder? Und was sagt uns das jetzt? Hauptsächlich das, dass der Output von Prognosemodellen stark die Annahmen widerspiegelt, mit denen diese gefüttert werden. Man kann also nicht wirklich sagen, was uns auf dem Arbeitsmarkt letztendlich blüht. Aber man kennt jetzt die frohsinnigen und die weniger frohsinnigen unter den Studienautoren.
Wir sollten also aufhören, einander Zahlen an den Kopf zu werfen, die vermutlich alle zusammen falsch sind. Und uns um die Fakten kümmern.
Die sagen uns, dass die traditionelle „Job-Economy“des Industriezeitalters nach 200 Jahren langsam zu Ende geht. Nicht erst morgen: In der Industrie, die als Erste zu automatisieren begann, ist der Arbeitsplatzabbau bereits massiv (und das liegt nicht nur an Produktionsverlagerung). Und traditionelle Arbeitsverhältnisse werden zunehmend von anderen Formen, etwa Scheinselbstständigkeit, abgelöst. Dazu wächst das Heer der Dauer-AMS-Kunden. D as wird sich mit zunehmender Automatisierung stark beschleunigen. Gesellschaft und Politik sind darauf nicht vorbereitet. Die Lage ähnelt der in dem matten Witzchen, in dem einer vom Hochhausdach stürzt – und im Vorbeiflug am fünften Stock erleichtert feststellt, dass bisher eigentlich noch gar nichts passiert sei.
Es wäre eine lohnende Aufgabe für Wirtschaftsforscher und Elite-Unis, ein gesellschaftlich tragfähiges Modell für die absehbar andersartige Wirtschaft des 21. Jahrhunderts zu entwickeln, statt einen sinnlosen Prognosekrieg zu führen.