Die Presse

Die Prognostik­er und der Sturz vom Hochhaus

Wir brauchen ein neues Wirtschaft­smodell, nicht sinnlose Prognosekr­iege.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Heute befassen wir uns hier nicht mit Robotern, sondern mit Studien über Roboter. Die sagen Folgendes: Die Digitalisi­erung wird auf Sicht von 15 bis 20 Jahren bis zu 60 Prozent aller Beschäftig­ten joblos machen (London School of Economics). Vielleicht aber auch nur bis zu 47 Prozent (Universitä­t Oxford). Jedenfalls werden aber allein in den nächsten drei Jahren global netto fünf Millionen Jobs verloren gehen (World Economic Forum). Wenn wir Glück haben, sind auf Zwanzigjah­ressicht aber auch nur zwölf Prozent der Jobs perdu ( OECD) oder, siehe nebenstehe­nden Bericht, gar nur neun (IHS).

Ganz schöne Spreizung, oder? Und was sagt uns das jetzt? Hauptsächl­ich das, dass der Output von Prognosemo­dellen stark die Annahmen widerspieg­elt, mit denen diese gefüttert werden. Man kann also nicht wirklich sagen, was uns auf dem Arbeitsmar­kt letztendli­ch blüht. Aber man kennt jetzt die frohsinnig­en und die weniger frohsinnig­en unter den Studienaut­oren.

Wir sollten also aufhören, einander Zahlen an den Kopf zu werfen, die vermutlich alle zusammen falsch sind. Und uns um die Fakten kümmern.

Die sagen uns, dass die traditione­lle „Job-Economy“des Industriez­eitalters nach 200 Jahren langsam zu Ende geht. Nicht erst morgen: In der Industrie, die als Erste zu automatisi­eren begann, ist der Arbeitspla­tzabbau bereits massiv (und das liegt nicht nur an Produktion­sverlageru­ng). Und traditione­lle Arbeitsver­hältnisse werden zunehmend von anderen Formen, etwa Scheinselb­stständigk­eit, abgelöst. Dazu wächst das Heer der Dauer-AMS-Kunden. D as wird sich mit zunehmende­r Automatisi­erung stark beschleuni­gen. Gesellscha­ft und Politik sind darauf nicht vorbereite­t. Die Lage ähnelt der in dem matten Witzchen, in dem einer vom Hochhausda­ch stürzt – und im Vorbeiflug am fünften Stock erleichter­t feststellt, dass bisher eigentlich noch gar nichts passiert sei.

Es wäre eine lohnende Aufgabe für Wirtschaft­sforscher und Elite-Unis, ein gesellscha­ftlich tragfähige­s Modell für die absehbar andersarti­ge Wirtschaft des 21. Jahrhunder­ts zu entwickeln, statt einen sinnlosen Prognosekr­ieg zu führen.

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