EU und Türkei droht wirtschaftliche Eiszeit
Wirtschaft. EU-Firmen schrecken vor Übernahmen in der Türkei zurück. Zahlungsmoral ist auf dem Tiefpunkt.
Wien. Das unterkühlte Verhältnis zwischen Ankara und Brüssel wirkt sich auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder aus. Im vergangenen Jahr ist das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen zwischen türkischen Unternehmen und Unternehmen aus der EU deutlich eingebrochen. Das Gesamtvolumen der Transaktionen ging um mehr als 73 Prozent auf nur noch gut zwei Milliarden Euro zurück, so das Ergebnis einer Studie des deutschen ZEW. 2007, als die Türkei noch als hoffnungsreicher EU-Beitrittskandidat galt, gab es noch gegenseitige Übernahmen im Wert fast 37 Milliarden Euro.
Lira nur noch halb so viel wert
Aber nicht nur bei den Fusionen, auch im Warenhandel machen sich die veränderten Umstände langsam bemerkbar. So sind Österreichs Exporte in die Türkei zwar weitgehend stabil geblieben, doch „unsere Erfahrungen mit der Zahlungsmoral türkischer Abnehmer werden sukzessive schlechter“, sagte OeKB-Versicherung- Vorständin Karolin Ofterdinger am Mittwoch. Schuld daran ist vor allem der starke Verfall der türkischen Lira. Nach dem missglückten Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs wertete die Landeswährung stark ab. In den vergangenen Jahren verlor sie fast 50 Prozent an Wert. Unternehmen haben entsprechend große Probleme, ihre Rechnungen in Euro oder Dollar zu bezahlen. Auch die Kreditwürdigkeit des türkischen Staates sank bei allen drei großen Ratingagenturen auf Ramschniveau.
Ernsthafte Zeichen für eine baldige Besserung gibt es nicht. Im Vorjahr kühlte die türkische Konjunktur auf 2,9 Prozent ab, die Arbeitslosenrate schnellte auf 12,7 Prozent – das ist der höchste Stand seit sieben Jahren. Die etwas besseren Konjunkturzahlen, die das türkische Statistikamt jüngst präsentiert hatte, kritisierten Experten als künstlich aufgebläht. Die türkische Industrieproduktion fiel im Februar jedenfalls überraschend schlecht aus, und die Inflationsrate erreichte im März ihren höchsten Stand seit 2008. (auer)