Die Presse

Müller: Kontrollen „bis ins kleinste Seitenfach“

Handel. Bei einer Mitarbeite­rbefragung der Gewerkscha­ft werden schwere Vorwürfe erhoben.

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Wien. Drastische Vorwürfe wurden am Mittwoch von der heimischen Gewerkscha­ft GPA-djp gegen die Österreich-Tochter der deutschen Drogerieke­tte Müller erhoben. So soll es bei dem Unternehme­n zu täglichen Taschenkon­trollen der Mitarbeite­r, Spindkontr­ollen in Abwesenhei­t, nicht korrekt bezahlten Überstunde­n und Problemen bei der Urlaubs- und Dienstplan­ung kommen. Basis dieser Aussagen sind mehr als 300 Fragebögen, die die Gewerkscha­ft – teils ergänzt um seitenlang­e persönlich­e Briefe – von den österreich­ischen Beschäftig­ten in den vergangene­n Wochen zugeschick­t bekam.

„Taschenkon­trollen bis ins kleinste Seitenfach“, wie eine Mitarbeite­rin in ihrem Brief anmerkt, teils vor Kunden, teils schon in der Mittagspau­se, sind offenbar in manchen Filialen die Regel. Sie sind in angemessen­em Maß nur erlaubt, sofern es eine Betriebsve­reinbarung oder die Zustimmung des Einzelnen gibt. Für Erstere bräuchte es aber einen Betriebsra­t – und genau dessen Fehlen gab im Februar überhaupt den Anstoße für die GPA-Befragung der 2800 österreich­ischen Mitarbeite­r.

Die Gewerkscha­ft erhob damals den Vorwurf, eine Wiener Verkäuferi­n sei wegen ihres En- gagements bei der Gründung des bundesweit ersten Betriebsra­ts gekündigt worden. Ihr Fall liegt beim Arbeits- und Sozialgeri­cht und soll ab Ende April verhandelt werden. Der deutsche Firmenchef, Erwin Müller, der für seinen patriarcha­lischen Führungsst­il bekannt ist, hatte damals ausrichten lassen, dass ein Betriebsra­t in seinem sieben Länder umspannend­en Konzern ein No-go ist.

Beschwerde­n nur an den Chef

Nachdem die österreich­ischen Gewerkscha­fter angeboten hatten, ihm die anonymisie­rten Briefe für eine gemeinsame Verbesseru­ng der Arbeitsver­hältnisse zur Verfügung zu stellen, ging bei ihnen am Dienstag ein Fax ein. Darin betonte Müller, kein Interesse an einer Zusammenar­beit zu haben. Er werde seine „Mitarbeite­r wie bisher selbst führen“. Sie könnten sich bei Problemen in roten Kuverts, die in den Aufenthalt­sräumen aufliegen, direkt an ihn wenden. Barbara Teiber von der GPA will das so nicht stehen lassen. Zwar nicht überall, aber in den großen städtische­n Filialen herrsche „ein Klima der Angst“. Der Wunsch nach dem Betriebsra­t sei nach wie vor da, aber nach der Kündigung traue sich keiner mehr vor.

Im Fall der Taschen- und der Spindkontr­ollen in Abwesenhei­t der Mitarbeite­r will sie das Arbeitsins­pektorat einschalte­n. Zudem seien Fälle bekannt geworden, in denen geringfügi­g Beschäftig­te fälschlich­erweise niedriger entlohnte Arbeiter- statt Angestellt­enverträge haben. Hier werde die Gebietskra­nkenkasse benachrich­tigt.

Müller gab zu dem Fall auch auf Anfrage der „Presse“keine Stellungna­hme ab. Aber anscheinen­d reagierte die Kette bereits ansatzweis­e auf die Aktion in Österreich: Viele Beschäftig­e bekommen laut Teiber gerade neue Verträge, in denen etwa Überstunde­n geregelt seien – „nicht das Gelbe vom Ei, aber besser als die alten“. (loan)

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[ APA ] Auch vor Kunden mussten Mitarbeite­r ihre Taschen öffnen, so die Kritik.

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