„Trump empfindet uns alle als zu schwach“
Interview. Warum sich die EU neu erfinden muss, Trump eine „harte Nuss“ist und wir Freihandelsverträge mit Japan und China brauchen. Ein Interview mit Anton Börner, seit 16 Jahren Chef des deutschen Außenhandelsverbands BGA.
Die Presse: Was bereitet Ihnen mehr Kopfzerbrechen, der in Gang gesetzte Brexit oder die nur drohenden US-Strafzölle? Anton Börner: Was den Brexit betrifft, sehe ich viel Waffengeklirr – letztlich ohne ernsthafte Konsequenzen. Ich meine damit, man wird in die Verhandlungen zwar mit Maximalpositionen gehen, aber ich rechne dann eine Minute vor Schluss doch mit einem für beide Seiten erträglichen Kompromiss.
Da spricht der oberste Interessenvertreter der deutschen Exportwirtschaft. Ich sehe das aber so, dass beide Parteien am Ende eine Lösung finden wollen. Sicher werden die Briten ihre Grenzen in irgendeiner Form abschotten dürfen. Andererseits wird man sich gegenseitig den Marktzugang belassen. Ich glaube auch, dass der Finanzplatz global bleibt. Vielleicht nimmt man irgend- welche Produkte aus dem Freihandel raus, die aber niemandem wehtun.
Das wäre genau jene A-`la-carte-Lösung, die Brexit-Nachahmer einladen würde. Nachahmer? Die EU muss sich ohnehin neu erfinden, sich auf das Wesentliche konzentrieren und alles andere den Einzelstaaten überlassen. Es wird auch ein Europa der zwei
(*1954) ist seit mittlerweile 16 Jahren Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen. Der Unternehmer aus Ingolstadt (Börner + Co) gilt als lautstarker Verfechter des freien Welthandels und ist einer der schärfsten Kritiker des USPräsidenten Donald Trump in Deutschland. Geschwindigkeiten geben müssen. Das ist die normative Kraft des Faktischen. EuropaIdeologen werden da nicht weiterkommen.
Zurück zur Einstiegsfrage: Die USA machen ihnen mehr Sorgen als der Brexit? Ja. Trump ist keine einfache Figur. Es gibt ja das Szenario: Trump ist absolut nicht gesprächsfähig und schießt die Weltwirtschaft ab. Das kann er theoretisch machen. Die kontraktiven Wirkungen, die von Amerika ausgehen, sind so groß, dass man in eine Weltwirtschaftskrise schlittern würde. Das wird also eine sehr harte Nuss. Man muss Trump deutlich klarmachen, dass er zu den großen Verlierern unter den US-Präsidenten gehören wird, wenn er den freien Welthandel stört. Da leiden die USA als zweitgrößter Exporteur noch mehr als alle anderen. Am meisten macht mir Sorgen, dass er aus einem Kurzschluss oder aus Nichtwissen heraus Schnellschüsse tätigen könnte, die man dann nur schwer korrigieren kann.
Ist die deutsche Regierung in ihrer Kritik an Trump also zu zurückhaltend? Es gibt keine europäische Macht, inklusive Deutschland, die Trump beeindrucken würde. Er empfindet sie alle als zu schwach.
Was beeindruckt ihn dann? Erstens die Finanzmärkte – und die reagieren sofort, wenn sie merken, dass es Probleme gibt, etwa mit China, und das Weltwirtschaftswachstum den Bach runtergeht. China wird Trump also sehr ernst nehmen. Zweitens beeindrucken ihn starke Allianzen, die wir deshalb mit China und Japan aufbauen müssen. Und drittens beeindruckt Trump Unruhe in der eigenen Wählerschaft – und die bekommt er spätestens dann, wenn aufgrund eines Wachstumseinbruchs die Börse runtergeht, weil die US-Unternehmen und die Alterssicherung der Amerikaner an der Börse hängen. Das merkt der Wähler sehr schnell am eigenen Geldbeutel.
Spielen wir’s durch: Trump setzt Strafzölle durch. Wie soll Deutschland reagieren? Zuschauen kann man nicht. Ein Lösungsansatz ist, dass der Staat die Strafe vergütet. Das kann sich Deutschland auch leisten. Sag ich mal. Der zweite Weg ist, dass man amerikanische Waren auch mit Strafzöllen belegt. Das kann aber nur die EU machen. Es wird ein Mittelweg werden. Kampflos wird man das Feld nicht räumen.
Das ist die Peitsche. Gibt es ein Zuckerbrot? Es gibt die Absichtserklärung der Nato-Staaten, zwei Prozent des BIPs für Rüstung auszugeben. Da wird man ihm sehr entgegenkommen. Ich glaube, anders geht es nicht.
In einem zweiten Punkt hat Trump doch auch recht, wenn er Deutschlands enormen Leistungsbilanzüberschuss kritisiert. Da braucht es eine „Neuausrichtung“, sagt übrigens die EU-Kommission. Das ist eine alte Geschichte. Da hat die Frau Lagarde (Christine, Chefin des Internationalen Währungsfonds) schon ewig dran rumgebohrt. Wir können aber nichts daran ändern. Solange wir den Euro und die Wechselkurspolitik von Herrn Draghi (Mario, EZB-Chef ) haben, sind deutsche Waren im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eben relativ günstig. Zweitens sind sie weltweit begehrt. Und bei 80 Millionen Einwohnern kann man nicht noch mehr importieren, als wir eh schon importieren. Wir kaufen 45 Prozent unserer Industrieproduktion im Ausland ein.
Sie haben die Notwendigkeit von Allianzen erwähnt. Wollen Sie also möglichst schnell EU-Freihandelsverträge – nicht nur mit Japan, sondern auch mit China? Auf jeden Fall, man sollte so viele abschließen, wie man kann. So schnell wie möglich.
Ein kleiner Schwenk. Die Russland-Sanktionen schaden auch der deutschen Wirtschaft. Der österreichische Wirtschaftskammer-Chef, Christoph Leitl, meint, die Strafmaßnahmen seien “Unsinn“: „Wer miteinander Handel treibt, schlägt sich nicht die Schädel ein.“Wir hier als deutsche Wirtschaft sagen, dass wir das Primat der Politik akzeptieren. Es ist schon gut, wenn man Leuten wie Herrn Putin (Wladimir, Kreml-Chef ) erklärt, wo auch Grenzen sind, die man einhalten muss.
Das heißt, Leitl liegt falsch? Wir haben völkerrechtlich kodifizierte Verträge, wenn wir uns daran nicht mehr halten, laufen wir in instabile Situationen, die für die Wirtschaft ganz schlecht sind, weil wir dann langfristig überhaupt nichts mehr kalkulieren können. Und Herr Erdogan˘ (Recep Tayyip, Präsident der Türkei) wird der Nächste sein, wenn er so weitermacht.
Es braucht Sanktionen gegen die Türkei? Noch braucht man politisch gar nichts zu machen. Das wirkt sich schon so aus. Der ganz große Devisenbringer der Türkei, der Tourismus, liegt am Boden. Schauen Sie sich die Währung an, die Inflationsrate. Es ist höchste Eisenbahn, dass Herr Erdogan˘ die Zeichen der Zeit versteht und sich mit dem Regelwerk der freien Welt auseinandersetzt.