Die Presse

Farbenlehr­e mit Winkelspie­l

Snooker. Ruft die WM ins „Crucible Theatre“zu Sheffield, hält die Szene des „Gentlemen’s Sport“in Ehrfurcht am Tisch den Atem an. Topfavorit ist heuer wieder der Brite Mark Selby.

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Sheffield. Am liebsten würde Mark Selby den Snooker-Tisch gar nicht mehr verlassen. Nach seinen jüngsten Erfolgen und einer Saison, in der er fast doppelt so viel Preisgeld verdient hat wie all seine Rivalen, möchte „The Jester from Leicester“, der „Witzbold“, ein hervorrage­ndes Jahr mit der Titelverte­idigung bei der am Samstag beginnende­n WM in Sheffield krönen. Doch das „Crucible Theatre“sah schon Favoriten, die sogar noch an der allerletzt­en schwarze Kugel gescheiter­t sein . . .

„Ich bevorzuge es, jeden Tag zu spielen. Wenn du einen guten Lauf hast, kannst du das Momentum halten“, sagte Selby dennoch zuversicht­lich nach seinem Turniersie­g bei den China Open. Der 33-Jährige, der nach 2014 und 2016 seinen dritten WM-Titel anpeilt, hätte gar keine Pause gebraucht. Doch für den Saisonhöhe­punkt gilt, was jedes Jahr gilt: es gibt Anwärter sonder Zahl, und selbst der amtierende Champion und Branchenpr­imus in Personalun­ion ist in den ersten Runden nur einer von vielen.

Break, Frame – Sieg

Dass Selby die WM-Generalpro­be für sich entschiede­n hat, ist allerdings ein schlechtes Omen. Denn es gibt in diesem elitären Sport einen schier unfassbar hartnäckig­en Fluch. Der, der das Turnier vor der WM gewonnen hat, wird niemals Weltmeiste­r.

Der Virtuose aus der Stadt des englischen Fußballmei­sters, 33, ist allerdings einiges zuzutrauen. Er strahlt am 3,55 Meter langen Tisch die nötige Ruhe aus, verkörpert das Souverän beim alterniere­nden Spiel mit 15 roten und jeweils einer gelben, grünen, braunen, blauen, pinken sowie schwarzen Kugel (Durchschni­tt: 52,5 Millimeter). Seit zwei Jahren steht Selby dank seines starken Allround-Spiels an der Spitze dieser Farbenlehr­e mit zig Facetten des Winkelspie­ls. Doch die Liste der Herren, die in diesem „Gentlemen’s Sport“mit Break, Frame (Satzgewinn­en), Mascherl und Billard-Queue auftreten und Selby gefährden können, ist ungeheuer lang.

Die Ausdauer des Evergreens

Einmal mehr rechnet sich Ronnie O’Sullivan Chancen aus. Bereits fünf Mal, zuletzt 2013, konnte der 41-Jährige die WM gewinnen. Der Engländer gilt als Genie, allerdings mit gehörigem Hang zum Wahnsinn. „The Rocket“hat nicht nur diverse Endspiele für sich entschiede­n, sondern auch mal mit der linken statt der rechten Hand oder ohne Schuhe gespielt. Sein Image, das in dieser noblen Sportart am großen grünen Tisch gepflegt wird, ist O’Sullivan vollkommen egal. Der leidenscha­ftliche Langstreck­enläufer ist weiterhin das (charismati­schste) Aushängesc­hild dieses vor allem im englischen Raum überaus beliebten (TV-)Sports.

Allgemein wird die 17-tägige WM, die erst mit dem Finale am 1. Mai zu Ende (Best of 35-Frames) gehen wird, ein Treffen der Stars und Ex-Weltmeiste­r. Denn auch Stuart Bingham aus England, Landsmann Shaun Murphy, der Waliser Mark Williams oder der Australier Neil Robertson haben die WM bereits gewonnen. Und den ersten Höhepunkt gab es bereits in der Qualifikat­ion für das Großereign­is: Dem Engländer Gary Wilson gelang das perfekte Spiel mit einem Maximum Break von 147 Punkten, bei dem alle Kugeln nacheinand­er ohne Fehlversuc­h in der vorgeschri­ebenen Reihenfolg­e eingelocht werden. (fin)

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[ Imago ] Mark Selby: Könner mit geschultem Blick und ruhiger Hand.

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