Wachablöse mit Purzelbaum
Champions League. Juventus Turin fegte mit 3:0 über Barcelona hinweg, und Paulo Dybala gewann auch den Vergleich mit seinem Landsmann Lionel Messi. Italiens Medien sind begeistert.
Turin. Das zerfurchte Gesicht und die roten Augen des Spaniers Luis Enrique sagten in Wahrheit alles. Nach dem 0:3 des FC Barcelona im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League bei Juventus Turin überkamen den im Sommer von den Katalanen scheidenden Trainer böse Erinnerungen. „Ich hatte das Gefühl, einen Alptraum wiederzuerleben“, erklärte der 46-Jährige in Anspielung auf das 0:4 im Achtelfinale bei Paris Saint-Germain. An eine erneute Wende im Rückspiel – Barcelona triumphierte mit 6:1 – scheint er jetzt nicht mehr zu glauben. Noch nie, auch nicht an der Seine, hatte der Coach so geknickt gewirkt. Also murmelte er vor den Journalisten: „Das war traurig, das war schlimm.“
Die in Barcelona ansässige Zeitung „Sport“schrieb bereits vom „Ende einer Ära“. Der Kader des Paradeklubs müsse sofort umgekrempelt werden. Und zwar „rundum, von Grund auf“. Die harte Kritik reichte in den spanischen Medien von einer „lächerlichen Leistung“bis „Verfallsdatum abgelaufen“. Lionel Messi ist angezählt und gefordert zugleich, wieder einmal.
Dybala, der „neue“Messi
In Italien sieht man unterdessen eine Wachablösung in Europa herannahen. „Juventus macht Angst, Juventus könnte Geschichte schreiben“, jubelte „Gazzetta dello Sport“. Schafft es aber Juve tatsächlich, in der Königsklasse nach 1985 und 1996 zum dritten Mal ganz oben zu landen? Von Tiefstapelei hält Coach Massimiliano Allegri jedenfalls gar nichts. „Es gibt keinen Grund, den Enthusiasmus zu dämpfen“, sagte er. Der erste Schritt Richtung Halbfinale sei getan. Punkt.
Bei der Revanche für das Finale von 2015, das Barcelona in Berlin deutlich mit 3:1 gewann, deutete sich allerdings auch eine andere Wachablösung an. Der junge Argentinier Paulo Dybala brachte den italienischen Serienmeister mit einem Doppelpack (7./22.) vor dem dritten Tor durch Giorgio Chiellini (55.) auf Kurs Halbfinale – und stellte damit sei- nen Landsmann und fünfmaligen Weltfußballer Lionel Messi eklatant in den Schatten. Auch sein eigenwillig anmutender, jedoch durchaus spektakulärer Torjubel sorgte für breite Erheiterung in der Olympiastadt von 2006.
Das Juwel aus – Cordoba!´
„Der neue Messi“, titelte die „Corriere dello Sport“. „La Joya“, auf Deutsch „das Juwel“, wie der 23-Jährige genannt wird, wurde auch in Spanien bereits als Nachfolger seines um fast sechseinhalb Jahre älteren Nationalteamkollegen gefeiert. Von einer „Krönung“war da sogar schon die Rede. Coach Allegri lobte den Mann, der auch von Barcelona eifrig umworben wird: „Er hat all seine Qualitäten unter Beweis gestellt.“
Als Messi 2006 seinen ersten von insgesamt vier ChampionsLeague-Titeln gewann, saß der damals zwölfjährige Dybala noch im heimischen Cordoba´ – für viele der einzig wahre Quell des österreichischen Fußballs und mit dem 3:2 gegen Deutschland unvergessen – vor dem Fernseher und bewunderte sein Idol. Nach dem Sieg sagte er: „Ich bin unglaublich glücklich, von diesem Moment habe ich geträumt, seit ich ein Kind bin.“Die „Gazzetta“meinte: „Der Moment ist längst gekommen, Europa zu erobern.“
Noch muss die verjüngte alte Dame, die am Dienstag in Torwart Gianluigi Buffon und Leonardo Bonucci nur zwei Akteure des Endspiels von 2015 aufbot, am nächsten Mittwoch das Rückspiel über- stehen. Der sensationelle 6:1-Sieg von Messi & Co. im AchtelfinalRückspiel gegen PSG ist allen noch in Erinnerung. Und in den europäischen Wettbewerben machte Barca¸ immerhin schon dreimal ein 0:3 wett. Doch selbst Luis Enrique, der gegen Paris auch nach der 0:4-Hinspielpleite auf Optimismus gemacht hatte, scheint offenbar bereits das Handtuch geworfen zu haben. Italiener spielen anders, sie mauern. Zudem, Juventus war eindeutig besser, ja überlegen. Er sagt: „Dieses Mal kann ich nicht so recht an eine erfolgreiche Aufholjagd glauben.“
Wohl auch deshalb, weil sich die Juve-Abwehr mit nur zwei Gegentreffern in neun Spielen als die stärkste der Königsklasse behauptet hat.